Keine gute Idee

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„Das ist so erbärmlich!" Abwertend spuckte Zac seine Worte über die Lippen.

Caleb war außer Sichtweite und ich versuchte mich auf Zac zu konzentrieren.
„Was meinst du?"

„Sieh sie dir an!" Er deutete in die Richtung wo die Gruppe Jungs standen.
„Stehen um einen Mercedes E-Klasse herum als wäre das die neueste Jaguar Kollektion."

Mir war es total egal wer sich um welches Auto versammelt hatte und runzelte die Stirn über diesen Testosteron gesteuerten Kommentar, der natürlich nur von einem Jungen kommen konnte.

„Wie kommt eigentlich ein Junge im Abschlussjahr zu einem Auto wie deinem?" versuchte ich das Thema weg von Caleb und seinen Jungs hin auf Zac zu lenken.

„Sponsored by Dad. Nein wirklich! Es hat so seine Vor- und Nachteile wenn dein Dad Rektor ist."

Ich wusste nicht ob ich über seine direkte offene Art schmunzel sollte, oder ob sie mich schockieren sollte.
Erfrischend war seine Ehrlichkeit auf alle Fälle!

„Offensichtlich ja mehr Vorteile als Nachteile."
Ich sah ihn an und er musste lächeln, seine tiefen Grübchen ließen sein Gesicht weicher wirken und auch ich musste sein Lächeln mit einem Schmunzeln erwidern.

„Wo soll ich dich hinbringen?"

„Nach Hause?"
Ich dachte eigentlich, dass das genau der Grund war, weshalb ich überhaupt zu ihm in den Wagen gestiegen war.

„Okay, zu dir oder zu mir?"

Schockiert riss ich die Augen auf und hatte automatisch die Finger am Türgriff um darauf gefasst zu sein, bei der nächst besten Möglichkeit zu flüchten.
In diesem Fall wäre es mir egal ob das Auto fuhr oder ob wir standen.

„Entspann dich mal. Das war nur ein Scherz."
So wirklich entspannen konnte ich nicht, aber Zac gab sich mit meinem verlegenem Lächeln zufrieden.

„Weist du wo der alte Hafen ist?"
Es wäre mir unangenehm gewesen wenn Zac mich direkt bis vor die Haustüre fahren müsste, noch dazu kannte ich ihn nicht einmal seit acht Stunden.
Der alte Hafen war nur einen kleine Fußmarsch vom Grundstück meiner Grams entfernt und Zac müsste nicht die schmale, geschlängelte Küstenstraße hoch fahren.
Noch dazu sah es aus als würde es demnächst zu regen beginnen.

„Ja ich glaube schon."
Bei jedem weiteren Lächeln von ihm erschien er mir sympathischer und irgendwie brannten seine tiefen Grübchen sich immer mehr in mein Gehirn, selbst wenn ich aus dem Fenster sah, hatte ich das Blitzen seiner weißen Zähne umspielt von der Muskulatur seines Kiefers noch immer vor Augen

„Welches Haus ist eures?"
Zac verlangsamte die Geschwindigkeit seines Wagens und langsam aber sicher vermehrten sich die Regentropfen auf der Windschutzscheibe des Tesslers.

„Keines."
Der wagen kam endgültig zum Stehen und ich griff bereits zum Griff um die Türe zu öffnen.

„Warte mal, wenn du garnicht hier wohnst, warum soll ich dich dann hier her bringen?"

„Ich wohne hier, nur eben nicht in einem dieser Häuser."

„Ist das eine Taktik von dir, nicht zu viel zu verraten, dennoch genau die Menge an Informationen heraus zu geben dass man das Interesse nicht verliert?"

Ich schnallte mich ab und wusste nicht wirklich wo ich hinsehen sollte.
Hatte Zac damit zu deuten geben wollen, dass er Interesse hegte mich besser kennen zu lernen?
Aber wie wollte er das nach nur einem Tag feststellen können?

„Ich denke eher dass es eine natürliche Vorsichtsmaßnahme Fremden gegenüber ist, wobei ich gegen diese Regel schon verstoßen habe indem ich in dein Auto gestiegen bin."

„Willst du damit sagen ich bin ein Fremder?"

„Unsere Bekanntschaft dauert gerade einmal etwas mehr als acht Stunden an, welche wir nicht einmal an einem Stück miteinander verbracht hatten. Von daher würde ich sagen, ja! Nur weil wir Banknachbarn sind bedeutet es nicht dass wir uns kennen."

Erst sah er mich an als hätte ich ihm gerade einen Witz erzählte den er nicht verstehen würde, dann aber senkte er lachend den Kopf und sah auf seine Hände die er im Schoß zusammen gefaltet hatte nieder ehe er wieder durch die große Frontscheibe sah.

„Bist du sicher, dass du bei dem Wetter den Rest laufen willst?"

Skeptisch betrachtete ich den immer schneller werdenden Scheibenwischer.
„Das ist doch nur Regen."

Wirklich scharf darauf im Regen nach Hause zu laufen war ich zwar nicht, aber ich wusste nicht ob es richtig wäre gleich am ersten Schultag von einem Jungen nach Hause bis vor die Türe gebracht zu werden.

„Okay, wie du willst."
Zac entriegelte die Türen und lächelte mich an.

„Danke fürs Mitnehmen!"
Dankbar lächelte auch ich ihn an, sah ein letztes Mal aus dem Autofenster und stieß die Türe auf. Ohne Rücksicht zu nehmen prasselte der Regen unerbittlich auf mich nieder und binnen Sekunden war ich bis auf die Haut durchnässt. Ich drehte mich noch ein mal zu Zac um und winkte ihm freundlich zum Abschied. Genau konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, war mir aber ziemlich sicher, dass er sich über meinen Anblick amüsierte.

„Und du bist dir wirklich sicher, dass du laufen möchtest?"

Ich drehte mich zur Seite, Zac fuhr in Schrittgeschwindigkeit und mit herunter gelassenem Fenster neben dem Gehsteig.

„Jetzt bin ich schon nass." Ich zuckte unbeschwert mit den Schultern und lief langsam weiter.

„Okay ich glaube dir ja jetzt dass du hart im nehmen bist. Aber ich würde wetten, dass selbst du nicht unbedingt scharf darauf bist mit einer Lungenentzündung im Bett zu liegen."

Auch wenn ich es nicht gerne zugab, aber mit dieser Aussage hatte er ins Schwarze getroffen. Allein weil ich dann zu viel Zeit mit Grübeln über Calebs verhalten verbringen müsste, würde ich lieber in die Schule gehen und seine mürrischen Launen anderweitig ertragen als im Ungewissen zu Hause im Bett vor sich hin zu vegetieren.

„Okay, du hast ja recht."
Gerade als ich klein bei geben wollte, rauschte ein Auto so knapp an mir vorbei, dass der geronnene Regen am Rande des Gehwegs wie eine alles unter sich wegreisende Welle über mir zusammenbrach und ich mit einem lauten Schrei von oben bis unten pitschnass war. Das Wasser tropfte aus meinem Haar und rann über mein kaltes Gesicht.

Schockiert erwiderte Zac meinen verdutzen Gesichtsausdruck, ehe sein Entsetzen in schallendes Gelächter überging. Ich konnte einfach nicht glauben was gerade geschehen war, doch es änderte nichts an der Tatsache, dass ich quasi in meinen Schuhen schwamm.

„Jetzt steig schon ein, wenn du noch länger wartest wirst du am Ende vielleicht komplett weggeschwemmt."
Zac hatte sich noch immer nicht gefangen vor Lachen, in seinen Augenwinkeln hatten sich sogar bereits Tränen gebildet, aber diesmal zögerte ich nicht und öffnete die Autotüre um erneut auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen.

„Ich hatte dir ja von Anfang an gesagt, dass es eine schlechte Idee war bei dem Wetter auszusteigen!"
Er wischte sich die Tränen aus den Augen, belustigt und gleichzeitig beschämt schoss ich die Augen und presste die Lippen zu einem sarkastischem Grinsen aufeinander. Diesmal fuhr er mich bis vor die Haustüre meiner Grams, es war mir egal was sie oder jemand anderes denken würde, ich wollte einfach nur so schnell es geht und so trocken es noch möglich wäre zu Hause ankommen.

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