Zerfall

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🎵Change it all - Harrison Storm
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Ob es mir egal war, dass ich in einem viel zu großem T-Shirt und einer viel zu langen Jogginghose durch die grauen Straßen von Lizard rannte?

Oh ja!
Und wie egal mir das war!

Es würde im Moment nichts geben, dass mich mehr verletzen könnte als Caleb's Worte!
Gestern hatte er noch davon geredet wir könnten keine Freunde mehr sein, aus welchen Grund auch immer!
Aber warum brachte er mich dann zu sich nach Hause?
Nur um mich wieder bloß zu stellen und mir zu sagen wie wenig ich ihm bedeute?

Der soll mir noch einmal unter die Augen treten!

„Hey!"
Ich zuckte zusammen und machte einen Sprung zur Seite als wie aus dem nichts Zac in Schrittgeschwindigkeit mit seinem Luxusauto neben mir her fuhr.

„Du siehst richtig mitgenommen aus."

„Danke! Du bist nicht der erste der mir heute sagt wie scheiße ich aussehe!"

„Okay, wow! So war das nicht gemeint."
Überrascht von meiner angriffslustigen Stimmung hob er beschwichtigend die Hände vom Lenkrad und hielt an um auszusteigen.
„Komm mal her."

Zac fasste mich an meinen Handgelenken und zog mich an sich.
„Hey."

Beschwichtigend strich er mir über den Kopf und auch wenn ich mich anfangs etwas dagegen sträubte, es half tatsächlich und meine schlechte Stimmung hellte ein wenig auf.
„Was machst du überhaupt hier in diesem Outfit?"

„Flüchten."

„Vor?"

„Caleb."

Ich spürte wie Zac schlucken musste und löste mich leicht von ihm um ihn anzusehen.
„Und was machst du hier?"

„Ich habe nach dir gesucht."

„Was? Warum?"

„Ich hatte ein schlechtes Gewissen wegen gestern."
Wieder drückte er meinen Kopf an seine Brust.

„Warum solltest du ein schlechtes Gewissen haben?"

„Das weißt du nicht mehr?"
Ich spürte sein Lächeln als er seine Lippen auf mein Haar legte.

„Nein? Sollte ich?"

Auf Armeslänge streckte er mich von sich und lächelte mich an.
„Vermutlich nicht. Komm," er schleuste mich auf die Beifahrerseite.
„Bringen wir dich erst mal nach Hause."

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„Ich fasse es nicht! Du hast bei ihm übernachtet?"

„Scht! Schrei es doch noch lauter damit es meine Grams am besten auch noch mit bekommt!"
Zischte ich Frieda an, die noch immer nicht verdauen konnte, was ich ihr gerade erzählt hatte.

„Aber warum? Ich mein wie ist es dazu gekommen?"

Seufzend hielt ich ein schwarzes Kleid vor meinen Körper und betrachtete mich in dem Standspiegel.
„Keine Ahnung, offensichtlich war doch etwas in diesem Drink und ich kann mich nicht mehr genau erinnern."

„Du warst dicht?"
Wenn ich dachte es wäre nicht möglich gewesen, dass sie noch schockierter aussehen konnte, würde ich spätestens jetzt eines besseren belehrt.

„Nein natürlich war ich nicht dicht!

„Aber du kannst dich an nichts mehr erinnern?"

„Doch schon, nur nicht wie es dazu kam, bzw. Wie ich zu Caleb kam."

Spöttisch blinzelte sie mit ihren Wimpern.
„Also warst du doch dicht."

Ich verdrehte die Augen und warf das Kleid zu dem Klamottenstapel auf meinem Bett.
„Wie du meinst, aufjedenfall wird es nicht wieder vorkommen. Wir haben ja gesehen wie das endet."

„Und was ist jetzt mit dir und Caleb?"

Ich zuckte die Schultern und musste mir eingestehen, dass ich selbst nicht wusste, was das für uns bedeuten würde.

Mein Handy vibrierte und zeigte eine Nachricht von Zac an.
>Hey Babe.

>Hey.
Antwortete ich sobald die Nachricht geöffnet war.

Es dauerte keine Sekunde und schon ertönte das Ping zu einer neuen Nachricht.
>Und alles klar?

Ob ich mich jemals daran gewöhnen würde von ihm Babe genannt zu werden?
>Alles gut und bei dir?

>Sehen wir uns später?
Wenn ich an das Abendessen mit Zac dachte begann es in meinem Magen zu kribbeln.
Das letzte mal - gestern- als ich mit ihm verabredet war endete damit, dass ich heute morgen geistesabwesend bei Caleb im Bett aufgewacht bin.
Ich antwortete ihm und versuchte mich auf später zu freuen indem ich mit Frieda ein passendes Outfit zusammen stellte.

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Es war gerade einmal vier Uhr am Nachmittag und bis zu dem Abendessen mit Zac hatte ich noch vier Stunden Zeit, also beschloss ich in die Küche zu gehen und meiner Grams etwas unter die Arme zu greifen nachdem Frieda gegangen war.

Froh ihr etwas Arbeit abnehmen zu können lächelte Grams mich an als hätte sie eine Überraschung geplant von der ich nichts wusste.

„Hast du Lust mir zu helfen die Schafe auf die andere Weide zu treiben?"

Früher hatte ich bei meiner Mum auf dem Pferd mit sitzen dürfen als sie und Grams die Herde auf frische Weiden geführt haben. Um jetzt selbst in diese Fußstapfen zu treten, war für mich eine große Ehre.
„Aufjedenfall!"

Weniger als eine Stunde später, saß ich auf Haeven's Rücken, sie war das Pferd meiner Mum und auf ihr hatte ich das reiten gelernt und offensichtlich hatte auch die braune Stute das nicht vergessen.
Ganz zaghaft folgte sie meinen Anweisungen aus dem Sattel und wusste ganz genau was zu tun war.
Eigentlich saß ich nur auf ihrem Rücken und sie erledigte den Rest von ganz alleine.

Nachdem alle Schafe auf die andere Weide umgesiedelt wurde, schloss ich das Gatter und sah raus auf das aufbrausende Meer.
Dabei viel mir der Bretterhaufen ins Auge und ich kam nicht drum herum einfach an ihm vorbei zu gehen und so zu tun, als würde er nicht existieren, wobei er direkt vor meinen Augen lag.
Die alte zerfallene Bank war offensichtlich das Symbol zwischen Caleb's und meiner Freundschaft.
Wenn man nicht richtig gepflegt und in Stand gehalten wurde, würde alles zerfallen und übrig bleibt einzig und allein ein Häufchen Elend.
Es machte mich traurig den einst so fröhlichen Ort dermaßen zerfallen zu sehen, ich schwang mich zurück auf Haeven's Rücken und ritt zurück zum Hof meiner Grams.

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