Apfelkuchen

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„Du hast da noch was."
Caleb hielt den Gartenschlauch in die Luft während ich versuchte mich von den Schlammresten zu befreien.

„Ist es weg?"
Ich streckte ihm mein Gesicht mit geschlossenen Augen hin und spürte wie sein Finger unter meinem Auge entlang über die Wange fuhr.

„Weg?"
Ich öffnete die Augen und Caleb musste sich räuspern.

„Ja ist weg."

„Jetzt du."
Ich nahm ihm den Schlauch aus der Hand und versuchte auf Zehenspitzen als geeigneten Duschkopf zu dienen, nur leider fehlten mir dafür ca. Zwanzig Zentimeter und Caleb musste sich wie ein Krüppel verrenken um den Kopf unter das Wasser halten zu können.
„Smilla das funktioniert so nicht."

Lachend wollte er mir den Schlauch abnehmen doch ich rückte ihn nicht raus.
„Vergiss es ich kann das."

„In High-Heels oder als Genmutation, aber nicht in diesem Leben also gib,"
Er versuchte nach dem Schlauch zu greifen aber ich zog ihn immer wieder weg so dass er ins leere griff.
„Her damit jetzt!"

Fordernd hielt er seine Hand hin und wartete dass ich den Wasserschlauch raus rückte.
„Ich sagte ich schaff das!"

„Okay, du willst ja nie hören."

„Caleb was machs- hey!"
Ohne weiter zu diskutieren packte er mich und setzte mich auf einer der Wassertonnen ab.

„So ist uns beiden geholfen."
Er zwinkerte und drehte sich um.
Auch wenn es mein Ego etwas zwickte, aber er hatte recht.
Dank der Tonne hatte ich die richtige Höhe gewonnen um ohne große Anstrengung als perfekten Duschkopf dienen zu können.

Nachdem wir uns vom Dreck befreit und in trockene Klamotten geschmissen hatten, standen wir in meinem Zimmer wie zwei fremde die sich zum ersten Mal begegneten.
Zum Glück hatte ich das Shirt und die Hose von Caleb bei mir zu Hause in denen ich von ihm geflüchtet war.
Sonst wäre sein Weg nach Hause noch peinlicher geworden als meiner, denn entweder er hätte sich in meine Mädchen Klamotten gezwängt, oder wäre nackt gegangen.
Wobei mir die zweite Variante ja schon irgendwie gefallen hätte.
Moment mal was?

Smilla hör auf so etwas zu denken!

Natürlich nur weil es für ihn demütigender gewesen wäre.
Versuchte meine Innere Stimme zu schlichten, nur ganz glauben wollte ich ihr nicht.
„Viel verändert hat sich ja nicht."

„Hm?"
Erwischt, die Gedanken an Caleb hatten mich so sehr abgelenkt, dass ich den Caleb in der Gegenwart total vergessen hatte.

„Bis auf das Bett. Du hättest damals schon ein größeres gebraucht."
Er lachte in Erinnerung an unsere Übernachtungen bei dem jeweils anderen.
„Schlägst du nachts immer noch um dich und beanspruchst die Decke?"

„Manche Dinge ändern sich wohl nie. Aber beteuern kann ich es nicht."
Ich beobachtete ihn während er durch das Zimmer schlenderte und meine kaum vorhandene Einrichtung begutachtete.

„Was meinst du?"

„Wie mein ich was?"

„Was kannst du nicht beteuern?"
Er stellte den Bilderrahmen ohne Fotoinhalt zurück in das Regal und kam auf mich zu.

„Naja außer dir hat noch keiner mit mir in einem Bett geschlafen."
Gestand ich und hatte das Gefühl mehr von mir preis zu geben als mir lieb war.
Er ging an mir vorbei sodass unsere Schultern sich streiften.

„Ich bin also etwas besonderes."
Er zwinkerte mir zu und kassierte dafür gleich einen Kniff in die Schulter.

„Träum weiter Blackwood."
Lachend wehrte er mich ab und hielt meine Handgelenke fest.
Die Tiefe seiner braunen Augen war unbeschreiblich und es kam mir vor, als würde sich meine gesamte Kindheit darin widerspiegeln.

„Daran dass du immer gleich ausflippst hat sich auch nichts geändert was?"
Ich liebte es wenn er schmunzelte, auch wenn sie jetzt von Stoppeln geziert wurden, liebte ich noch immer die tiefen Grübchen um seine Mundwinkel herum.
Sein Magen knurrte und ich musste lachen.

„Weißt du woran sich auch nichts geändert hat?"
Herausfordernd sah ich ihn an, aber er wartete geduldig bis ich mit der Sprache herausrückte.
„Grandma's Apfelkuchen."

Sein Gesicht hellte sich auf und die Augen begannen zu leuchten wie die eines Kindes an Weihnachten.
„Der mit Zimt?"

„Kennst du sonst noch nen anderen Apfelkuchen von meiner Grams?"

„Sag einfach ja."
Bettelte er.

„Ja!"
Erlöste ich ihn von seinem Leiden und ging voraus in die Küche.
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„Gott!"
Genüsslich kaute Caleb auf dem Kuchen und sah genau so aus wie vor vier Jahren, nur das er damals noch keine Bartstoppeln und so ausgeprägte Muskeln hatte.
„Das ist nach wie vor der beste Kuchen auf der Welt!"

Stöhnend schluckte er die zermahlenen Reste und legte nach dem dritten Stück Kuchen die Gabel zur Seite.
„Ich pack's nicht du hast echt drei Stücke gegessen."

„Die Frage ist, wie kannst du nur ein Stück davon essen?"
Lächelnd lehnte er sich zurück und trank von seinem Kaba.

Der ganze Nachmittag hatte sich angefühlt, als wären keine vier Jahre vergangen in denen ich ihn nicht Gesehen hatte. Irgendetwas musste doch faul daran sein.
Aber daran wollte ich jetzt noch garnicht denken, oder dass er mich morgen womöglich wieder ignorieren würde.
Ich wollte einfach den Augenblick genießen, das hier und jetzt.
Und so glücklich Caleb gerade schien, war es  für mich ohnehin unvorstellbar das er mich morgen vielleicht wieder hassen würde.
„Was ist?"

Er riss mich aus meinen Gedanken lächelte aber als hätte er mich bei etwas peinlichen erwischt.
„Nichts."

„Du hast doch nachgedacht?"
Mist.
Er kannte mich einfach zu gut.

„Ja."
Gab ich zu.

„Und worüber."

„Darüber wie ich reagiere wenn du mich morgen wieder hassen würdest."
Gestand ich.

„Wer sagt denn überhaupt dass ich dich jetzt gerade nicht auch hasse?"

„Tust du?"
Allein die Vorstellung versetzte mir einen Stich in die Brust.

Caleb nahm sein Bein von der Sitzbank und beugte sich weiter zu mir über den Tisch.
„Was denkst du denn?"

„Genau das ist ja mein Problem. Ich weis nicht was ich denken soll."

Er kratze sich am Hinterkopf und schien mit sich zu ringen, jede Sekunde in der er nach seinen Worten suchte war wie eine Qual für mich.
„Smilla.."

Selbst jetzt schien er noch nicht die richtigen Worte gefunden zu haben.
„Ich könnte dich nie hassen."
...

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