Wer nicht wagt, der nicht gewinnt

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Noch immer verdutzt standen Caleb und ich uns gegenüber, ich weis nicht ob es vorher schon dunkel war, aber mittlerweile war der Himmel dunkel blau verfärbt und das spärliche Licht der flackernden Scheunenlampe erschwerte uns ohnehin die Weiterarbeit.
„Ich glaube, für heute machen wir Schluss."

War das erste was ich sagte und somit die Stille zwischen uns brach.
Caleb stand noch immer da als wüsste er nicht wie man einen Fuß vor den anderen setze.
„Ja, vermutlich hast du recht."

Selbst als ich mich von ihm abwand um das Werkzeug grob aufzuräumen spürte ich seinen intensiven Blick auf mir ruhen.

Kann er das vielleicht lassen?
Das macht mich verdammt nervös!

Auffordernd, die Scheune zu verlassen drehte ich mich zu ihm um und sah in zwei fast schon schwarz wirkende Augen.

Er sah nicht einmal weg.

Also ging ich voraus und verließ die Scheune.
Wieder drehte ich mich zu ihm um und endlich folgte er mir nach draußen.
Mit zittrigen Fingern schloss ich das Tor und schob den Riegel davor, drehte mich um und erschrak als Caleb direkt hinter mir stand und direkt in die Augen sah.

„Okay, ähm.. dann bis morgen?"
Vorsichtig lächelte ich, erst jetzt schien er sich wieder gesammelt zu haben, schüttelte seinen Dunkeln Lockenkopf und nickte.
„Ja, ja, morgen klingt gut."

Lächelnd lief ich voraus über den Hof zum Haus, als ich vor der Veranda stand drehte ich mich zu Caleb um und winkte ihm zum Abschied.

Etwas verdattert erwiderte er es und sah mir nach.
Gerade als ich mit dem Fuß die Stufen der Veranda erreichte, hörte ich Caleb meinen Namen rufen und drehte mich noch einmal zu ihm um.
Ganz locker joggte er die wenigen Meter auf mich zu und blieb erst direkt vor meiner Nase stehen.
„Also ich hab nachgedacht."

Skeptisch zog ich die Augenbrauen in die Stirn und versuchte ihn nicht all zu herausfordernd anzugrinsen.
„So, so? Worüber hast du denn nachgedacht?"

„Naja ganz ehrlich? Wir sind nicht mehr zwölf."

Okaaaay??

Was wollte er damit jetzt sagen?

„Eh ja?"
Stimmte ich ihm zu und hoffte dass er weiter redete.

„Und warum können wir nicht einfach normal miteinander abhängen?"

Hat er das gerade wirklich gesagt?

Mir stand der Mund offen und es gab keine Regung mehr in meinem kompletten Körper.
Bis auf das Herz, welches mir bis zum Hals schlug.
„Was meinst du mit normal abhängen?"

„Naja so wie das Wandaprojekt. Ist doch cool und wir sind 'n gutes Team."
Bei dem Wort Team hüpfte mein Herz noch einmal besonders hoch und auch um Caleb's Mundwinkel zierten sich die tiefen Grübchen.

„Klingt gut."
Auch wenn seine Aufmachung etwas verkrampft war, freute ich mich, dass er es genau so empfand wie ich und sich offensichtlich gern in meiner Nähe aufhielt auch wenn er es sich manchmal nicht freiwillig eingestehen würde.

„Cool. Also Freunde?"
Hatte er gerade tatsächlich das Wort benutzt?

Meinte er das wirklich ernst?

Mein Herz kam völlig zum Stillstand und wäre ich nicht selbst anwesend gewesen, hätte ich es niemals jemanden geglaubt wenn er mir sagen würde, dass Caleb und ich wieder Freunde waren.
„Hallo? Smilla?"

Er winkte vor meinem Gesicht mit der Hand damit ich ihn genauer wahr nahm.
Dafür hätte er nicht extra winken müssen, all meine Aufmerksamkeit galt ihm, oder viel mehr dem was er gesagt hatte.
„Okay."

„Okay? Mehr hast du nicht zu sagen?"
Er lachte und kam einen Schritt auf mich zu, packte mich am Arm und zog mich an seine Brust.

Automatisch verkrampfte ich mich, und umso steifer ich wurde, umso fester drückte er mich an seine Brust.
„Caleb ich bekomm keine Luft mehr."

„Das ist okay, immerhin kann ich dann behaupten, dass du in meinen Armen gestorben bist."
Lächelnd drückte er mich wieder von sich und gab mich frei.

Sobald er mich los lies, bereute ich es seine Umarmung nicht erwidert zu haben, meine Arme begannen zu frösteln, dabei war es für September noch ziemlich warm.
„Dann sehen wir uns morgen?"

Er nickte und zwinkerte mir zu.
Es war schön zu sehen, dass er offensichtlich erleichtert war, dass ich ihn nicht komplett abgewiesen hatte.
„Wenn was ist dann schreib ich dir, deine Nummer hab ich ja."

Gerade als ich fragen wollte woher er sie eigentlich hatte, stieg er in seinen Truck und fuhr davon.

Komplett überfordert stand ich auf der Veranda, selbst das Surren der Grillen war ohrenbetäubend so still war es.

Kann mich mal jemand kneifen?

Ungläubig sah ich noch immer in die Richtung, aus der Caleb verschwunden war.

Was auch immer das gerade eben war, der Duft seines Shirts hing noch immer in meiner Nase und bei dem Gedanken, ihn morgen wieder zu sehen und an unserem Wandaprojekt zu arbeiten, wie er es liebevoll nannte, begann mein Herz schneller zu schlagen.

Vielleicht hat er einfach etwas Zeit gebraucht?

Ich kann es noch immer nicht fassen, dass er tatsächlich wieder mit mir befreundet sein wollte, Vorallem nicht nachdem, was er mir in den letzten Wochen alles an den Kopf geworfen hatte.

Was Stacy wohl dazu sagen wird?

Aber vielleicht würde er es ihr auch garnicht sagen?

Egal, vergeude deine Gedanken jetzt nicht an sie!
Ermahnte ich mich selbst, drehte mich um und stieg unter die dusch.

Auch als ich schon Stunden lang an die Decke meines Zimmer gestarrt hatte, konnte ich dieses dämliche Grinsen und mein Herzrasen nicht unter Kontrolle bringen.

Was war nur los mit mir?

Und war es die richtige Entscheidung, ihm so schnell alles zu verziehen?

Aber hatte ich ihm tatsächlich schon verziehen?

So einfach würde das nicht werden, aber immerhin gab er sich Mühe.

Und waren vier Jahre unserer Freundschaft in denen wir keinen Kontakt hatten überwiegender als die vierzehn Jahre zuvor?

Auch nach weiteren Stunden der Schlaflosigkeit in denen ich mich mit meinen Gedanken und Gefühlen versuchte auseinander zu setzen, gelang es mir nicht zu einem Urteil zu gelangen.

Wer nicht wagt der nicht gewinnt..

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