Violet
Mit verengten Augen hielt ich mir die Hand an die Stirn, um irgendwas in der Ferne erkennen zu können.
Die heiße Sonne brannte auf meinem Haar, ab und zu wirbelte etwas Sand auf, doch ansonsten war es totenstill.
Bloß das knirschende Geräusch unserer Füße, die über den Sand liefen, hinderten mich daran, meinen eignen Herzschlag hören zu können.
Wir wanderten bereits seit über zwei Tagen und Jorge war immer noch der festen Überzeugung, dass Brenda und Thomas es irgendwie geschafft haben mussten.
Doch ich wusste, dass dies ziemlich unmöglich war.
„Hast du Durst?", fragte Newt ab und zu immer mal fürsorglich, woraufhin ich allerdings immer den Kopf schüttelte und seine Hand etwas fester umschloss.
Wir steuerten zu dem Zeitpunkt geradewegs eine alte Mall, ein Einkaufszentrum, zu.
Es war genauso halb-zerstört und veraltet, wie die meisten Gebäude, doch es würde und Schutz vor den nächsten Sandstürmen bieten.
Die sicherste Stelle, die die wenigsten Löcher besaß, wodurch der Sand hätte wehen können, war ein alter Spielzeugladen, in dem wir uns alle erstmal niederließen.
„Es ist noch circa drei Tagesläufe entfernt, der Treffpunkt zu dem Brenda gehen wird, da gehen wir hin!", meinte Jorge und nahm einen kleinen Schluck des kostbaren Wassers.
Wir alle hatten denselben Gedanken, dass Jorge sich nur unnötig Hoffnungen machte und wir an diesem Treffpunkt sicherlich niemanden treffen würden, aber keiner von uns wollte es ihm direkt ins Gesicht sagen.
Außer natürlich..
„Sie sind tot, Mann.
Ist tragisch, aber du musst drüber hinweg kommen.", meinte meine Schwester schulterzuckend.Und entgeistert sah ich sie an.
Wie konnte man nur so furchtbar unsensibel sein?!
„Was denn?!", wisperte Sol mir schulterzuckend und nichtsahnend zu.
Und da verstand ich es endlich.
Nun ja, eigentlich wusste ich es ja schon immer:
Meine Schwester war einfach so.
Sie war nicht so kalt und unsensibel, weil es ihr gefiel, oder weil sie dadurch stärker wirkte, nein, ihr Wesen war einfach so.Sie zeigte ihre Liebe zu Leuten, in dem sie sie anschnauzte.
Es ist schwer zu verstehen, aber lernt erst mal so eine Person kennen.
„Lass ihn trauern.", murmelte ich überlegend.
„Auf seine Weise.", ergänzte Newt, mir zustimmend und stellte sich zu mir.
„Wir haben keine Zeit mehr Leute.
Das Virus hat weder ein Ablaufdatum, noch wissen wir, wie schnell es sich ausbreitet und wir wissen nicht wer von uns immun ist und wer nicht.", erklärte sich Sol flüsternd, woraufhin in mir eine unglaubliche
Angst aufkam.Meine große Schwester sprach Gedanken aus, die zwar, irgendwo in meinem Unterbewusstsein, stets geschlummert haben, doch über die ich nie richtig bewusst nachgedacht habe.
Was, wenn ich nicht immun war?
Was, wenn ich mich anstecke?
Oder noch schlimmer:
Was, wenn Newt nicht immun war?!Beunruhigt schluckte ich meinen eigenen Speichel hinunter und griff nach Newt's Hand.
Newt sah mich fragend an und öffnete gerade seinen Mund, um etwas zu sagen, ehe er allerdings von Jorge darin gehindert wurde, welcher nun endlich auf Sol's Kommentar reagierte.
Und er reagierte nicht gerade gut.
„Sie..
Sie ist nicht.. sie ist nicht tot.", stammelte Jorge leise, bis er dann auf einmal die Fassung verlor und wild rumbrüllte.„SIE IST NICHT TOT!
SIE WARTET AUF UNS, AM TREFFPUNKT!"Erschrocken zuckten wir alle zurück und Newt zog mich beinahe reflexartig in seine Arme.
„SIE IST NICHT TOT! SIE IST NICHT TOT!", brüllte Jorge aggressiv und riss das alte Spielzeug aus den Regalen, um es wild umher zu schmeißen.
Beinahe traf er mich, sodass ich aufsprang und versuchte, seine Hände festzuhalten.„Wir gehen zum Treffpunkt, ja?
Wir werden zu Brenda gehen.", flüsterte ich, doch Jorge riss sich los und drehte sich um, um seinen Arm gegen das Regal zu stützen und seine Stirn daran zu legen.Für einige Sekunden war es totenstill, bis man auf einmal ein tiefes, einzelnes Schluchzen vernehmen konnte.
„Ich hätte sie doch beschützen sollen..
ICH hätte als Letzter gehen sollen..
ICH hätte sterben sollen..", wimmerte Jorge.Dies war das allererste Mal, seit wir ihn kannten, dass er irgendeine Emotion zeigte.
Es tat mir leid, ihn so zu sein.
Ich glaube, es tat jedem von uns leid, weil jeder von uns wusste, wie es war, wenn man einen geliebten Menschen verliert.Ich war völlig überfordert mit der Situation.
Ich wusste nicht was ich tun wollte, ich konnte diesen fremden, verbitterten Mann doch nicht einfach in den Arm nehmen, oder?Darüber schien Mary gar nicht nachzudenken, denn sie stand einfach auf und umarmte Jorge vorsichtig.
„Es ist schon gut..
Wir werden sie wieder sehen.", hörte ich die Brünette flüstern.Mary war genau die Richtige, um Jorge richtig zu trösten.
Sie war weitaus geduldiger und vorsichtiger, als jeder von uns.
Vielleicht lag dies daran, dass jeder von uns irgendwie etwas abgehärtet war, da wir alle schon schreckliches gesehen und durchgemacht haben.
Aber, konnte man sich gegenüber des Todes abhärten?
Konnte man die Gefühle, die der Tod und den Verlust eines Menschen hervorrufen, irgendwann kontrollieren?
Mary's freundliche Versuche, Jorge zu helfen, scheiterten, als dieser sich löste und nur den Kopf schüttelte.
„Alles falsche Hoffnungen.
Hoffnung, die stirbt, ist das schlimmste Gefühl der Welt.
Ihr Kinder solltet euch nicht damit abplagen.
Die Einstellung der Blondine ist die Beste.", meinte der Mann dann völlig kühl und klopfte seine Klamotten vom Sand ab.„Morgen gehen wir weiter.", befahl er schroff und legte sich einige Meter weiter auf ein staubiges Laken, welches auf dem Boden lag.
„Was ist denn mit-"
„Jetzt nicht.", unterbrach ich meinen Freund kopfschüttelnd und legte mich ebenfalls mit ihm hin.
Der Boden war unfassbar unbequem, dennoch schaffe es Newt irgendwie einzuschlafen.
Bei mir war das jedoch anders.
Viel bewegen konnte ich mich nicht, da Newt mich fest umklammert hatte und es war absolut stickig in dem Raum.So vorsichtig, wie ich nur konnte, wand ich mich aus Newt's Armen heraus, um aufzustehen und aus dem Raum zu laufen.
Da hatte ich noch gar nicht bemerkt, dass sich, außer mir, noch jemand nicht mehr dadrin befand.
Jorge saß auf einer Treppe, die am Ende komplett zerstört war, sodass man nur die ersten paar Stufen betreten konnte.
Langsam setzte ich mich zu dem älteren Mann und seufzte.
„Kannst du auch nicht schlafen..?", murmelte ich, um irgendwie das Gespräch zu beginnen, woraufhin Jorge nur den Kopf schüttelte.
„Hast du denn-"
„Du erinnerst mich immer mehr an deine Mutter."
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Violet 2 - The Scorch Trials
FanfictionNachdem die Freunde es aus dem Labyrinth geschafft hatten, wurden sie von einer Gruppe von "Rettern" an einen anderen Ort gebracht. Nun war es zu Ende, alles. Die Lichtung, das Grauen, die Toten. Jetzt war die Zeit gekommen richtig zu trauern, das d...