38 | Städte

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Newt

Die Worte, die ich eigentlich sagen wollte, steckten mir wie ein riesiger Kloß im Hals und wollten unbedingt raus, nur mein Mund weigerte sich, diese auszusprechen.

Stattdessen hatte ich das dümmste gesagt, was ich hätte sagen können.

Ohne mich noch einmal umzudrehen, lief ich stur an die Spitze unserer Truppe, zu Sol und Mary.

"Und? Alles geklärt?", fragte Sol recht unbeeindruckt und eher desinteressiert.

"Nichts ist geklärt.", zischte ich schlecht gelaunt und verletzt.

„Labert doch nicht immer aneinander vorbei, ihr liebt euch doch, ihr-"

„Sol, es reicht.", mahnte Mary Sol liebevoll und schüttelte den Kopf.

Ein Glück, sonst hätte ich mich noch verloren.

Ich hatte keine Lust mehr, über das Thema zu reden, ich hatte nicht mal Lust an V.. an sie zu denken, aber nur Sol könnte so taktlos sein und in so einem Moment nach ihr fragen.

Dankend nickte ich Mary zu, die Natur abwank und mich dann in Ruhe ließ.

Irgendwas schien Mary an sich zu haben, was Sol dazu brachte, wirklich die ganze Zeit zu schweigen und mich nicht weiter zu nerven.

Während des Gehens sah ich die ganze Zeit zu Boden und ärgerte mich darüber, was passiert war.

Wieso hatte ich diese Dinge zu ihr gesagt?!
Wieso musste sie Alec küssen?!
Wieso nur?!

Krampfhaft versuchte ich mich mit irgendwas abzulenken, was erst funktionierte, als Jorge vor uns lief und stehen blieb.

Als ich wieder aufsah befand ich mich am Rande einer Art Stadt.

Es war natürlich eine verfallene, ruinöse, aber es war eine Stadt.

Menschen mit dreckiger, kaputter Kleidung liefen herum, beachteten uns gar nicht.

Wir liefen durch einer Unterführung hindurch, einer Art Brücke, die oben bereits zerbrochen war.

Ich konnte verbrannte und zerfallene Häuser erkennen, doch Jorge betonte immer wieder, dass wir ja nicht glotzen sollten, weshalb ich lieber weiter meine Schuhe und Füße beim Laufen beobachtete.

Ich konnte einen Lastwagen neben mir erkennen, davor ein paar alte, zusammen gebundene Säcke.

Plötzlich stieg mir ein Geruch in die Nase.

„Oh mein Gott.", raunte Mary auf und zog sich ihren Kragen vor die Nase.

Auch ich musste von dem Gestank aufhusten und verzog das Gesicht angewidert.

Eine widerliche Mischung aus Verwesung, ungefähr vergleichbar mit verdorbenem Fleisch und Fekalien stieg mir in die Nase, die ich sofort ebenfalls mit meinem Kragen verdeckte.

Dieser Ort war beinahe grausamer als die Lichtung.

Wie konnte man hier nur leben?!

In einer Nische entdecke ich einen Mann mit einer dreckten, dunkelroten Mütze, unter der seine langen, weißen Haare hervor blitzten.

Er trug einen Mantel in Tarnfarben, in dessen Taschen seine Hände steckten.

Er saß dort einfach, hatte den Kopf leicht zur Seite gekippt, den Mund geöffnet und die Augen geschlossen.

Zunächst war ich mir sicher, dass er schlafen würde, bis auf einem eine dicke, schwarze Krähe auf ihm landete.

Sofort blieb die ganze Truppe stehen, da wir bemerkten, dass der Mann sich nicht bewegte, wobei mir da erst auffiel, dass er auch die ganze Zeit über nicht geatmet hatte.

Die Krallen des Vogels bohrten sich in seine Augen und der Schnabel hakte auf der Nase der Leiche herum.

Oh mein Gott.

Instinktiv schaute ich mich nach Violet um, bis ich realisierte, dass ich sie jetzt nicht einfach in den Arm nehmen und dafür sorgen könnte, dass sie das nicht sah, obwohl ich genau dies wollte.

Die Krähe, oder der Rabe, den Unterschied wusste ich noch nie, riss sich ein riesiges Stück Fleisch, beinahe die ganze Nase des armen Mannes ab und flog wieder davon.

Verstört von der Szene schüttelte ich meinen Kopf und starrte vor, wo ich mit ansah, sie Jeff sich gegen eine Wand lehnte und sich auf dem staubigen Sand übergab.

Meine Ex-Freundin stand neben ihm und strich ihm über den Rücken.

Sie schenkte mir keinerlei Beachtung.

Auf dem Weg entdeckten wir noch einige Leichen, nicht nur von Menschen, auch von Tieren:
Pferde, Hunde, Katzen, Vögel, sogar Fische.

Und erneut musste ich mich fragen, wie es Leute in diesem Drecksloch wohl aushalten würden.

Der Klonk stieg einem überall in die Nase und es gab keinen sauberen Fleck.

So langsam wurde mir klar, dass die Lichtung sicherer und besser war als die Welt in der wir uns befanden.

Der Tod verfolgte uns auch hier.

Wir kämpften uns weiter durch diese grausam eklige Stadt, bis wir in einen hinteren Teil kamen.

Der Gestank ließ nach, stattdessen hörte man an jeder Ecke laute Musik.

Aus Fenstern stieg Dampf und Qualm und diese Ecke der Stadt schien auf einer ganz anderen Welt zu liegen.

Wir liefen an einer Hausmauer entlang, an dessen Ende sich ein kleiner Durchgang, verdeckt mit irgendwelchen Tüchern, befand.

Davor stand bloß eine Frau, eine große Frau, mit einem langen, blonden Pferdeschwanz.

Sie war älter als wir, aber jünger als Jorge.

Diese Frau blieb aber nicht lange alleine, da irgendwann ein dicker, kleiner, blonder Mann auftauchte und sich neben die eigentlich ganz hübsche Frau stellte, die sich uns nicht vorgestellt hatte.

Jorge redete, wir blieben im Hintergrund.

„Marcus!", begrüßte er den pummligem Mann, mit so tiefen Augenringen, dass sie beinahe blau aussahen, als hätte er sich geprügelt.

„Jorge!"

Die beiden Männer umarmten sich kurz, doch während Jorge seinen, anscheinend doch nicht so ganz guten Freund, misstrauisch musterte, grinste dieser derart teuflisch, dass ich ihm sofort misstraute.

„Hast du Brenda gesehen? Ich habe dir mal ein Bild gezeigt.
Kurz geschorene, braune Haare, große braune Augen?
Ein Junge war mit ihr zusammen.. womöglich?
Auch braune Haare und braune Augen.", beschrieb Jorge die beiden vermissten und zeigte ihre ungefähre Körpermaße an.

„Womöglich.", lachte der fremde Mann eher lallend, als sei er betrunken.

„Womöglich? Was soll das heißen?!", rief Minho wütend und ballte seine Hände zu Fäusten, während er hinter Jorge hervor kam.

Ob es so klug war, jetzt schon einen Streit zu provozieren, wusste ich nicht, doch es war eh schon zu spät.

„Was habe ich davon, wenn ich es euch sage?", fragte der Dicke lachend.

Ich hasste solche Menschen.
Menschen, die nur was machen, wenn sie selbst davon profitieren.

Bei uns auf der Lichtung gab es sowas nie.
Eine Hand wäscht die andere.
Geteilte Arbeit ist halbes Leid.
Sowas herrschte bei uns immer.

„Sie haben davon, dass wir Ihnen nicht den Laden hochjagen."

Verwirrt drehte ich mich um.

Das kam doch jetzt nicht von...
Doch..

Die wunderschöne Brünette kam hinter uns hervor und stellte sich ganz nach vorne, vor Marcus und hielt ein komisches Gerät in der Hand.

Violet 2 - The Scorch TrialsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt