25| Familienerinnerungen

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Violet

„War schöne Frau eure Mutter.
Die Schönste in ganzer Stadt und warmherzig, gut durch und durch, wie man sagt!", erzählte Marco stolz und schenkte uns ein Glas Wasser ein.
„War..? Was soll das bedeuten..?", fragte ich unsicher und blickte zu meiner Schwester hinüber.
„Wir wissen nicht wo sie ist.
Wir haben sie nicht mehr gesehen, seit ihre Kinder in eines dieser Wicked-Labore gekommen sind.", erzählte der andere, Jorge, streng und setzte sich auf die Couch, zu uns.
„Vielleicht sie ist noch irgendwo da draußen.
Vielleicht sie ist tot.. oder Crank.
Nicht schöne Welt.", seufzte Marco traurig und kramte in einer der unzähligen Schubladen herum, die sich in einem Schrank, auf der linken Seite befanden.
Anschließend zog er ein kleines Foto hinaus und überreichte es uns.
Es zeigte ein wunderschöne Frau, mit dunklen Haaren und Augen, die auf einem Stuhl in einem Garten saß.
Sie trug ein sommerliches Kleid und sie war sichtlich schwanger.
„Das ist jetzt über sechzehn Jahre her.
Sie war dort mit dir schwanger, Violet.", erzählte Jorge, während mir langsam die Tränen in die Augen stiegen, während ich fröhlich lächelnd das Bild anstarrte.
„Du musst immer so sentimental sein.", schmunzelte meine Schwester und reichte mir schnell ein, noch halbwegs sauberes, Taschentuch, mit dem ich meine Tränen trocknete.
„Eure Mutter war sehr bekannt und wurde von vielen geliebt, so wie ihr.
Über euch sagte man immer, dass ihr wie Sonne und Mond seid.
Wie Feuer und Eis.
Das eine Mädchen, das Sonnenmädchen, stark und mutig, berührt vom Eis, mit weißen Haaren und kalten Augen, mit einer starken Persönlichkeit.
Das Mondmädchen soll vom Feuer berührt worden sein.
Mit dunklem Haar und einem warmen Lächeln, ein einfühlsames Mädchen, liebevoll, durch und durch.", erzählte uns Jorge, während wir gespannt zuhörten.
In dieser Nacht lernten meine Schwester und ich wohl mehr über uns, als jemals zuvor.
„Und wieso heiße ich dann Violet? Das hat ja nichts mit der Sonne oder dem Mond zutun.", fragte ich nun, nach einigen Minuten, verwirrt.
„Du bist nach deiner Großmutter benannt.", erklärte Jorge schmunzelnd und sah anschließend zu Marco hinüber, der zufrieden seufzte.
„Si, Violeta, meine Frau."
Erschrocken weiteten sich meine Augen und Sol's Mund.
„Sie sind.. also..", stammelte meine ältere Schwester verunsichert.
„Großvater."
Heiliger Klonk.
Und deswegen, ich werde euch auch beschützen.",ergänzte er ernst und stand auf.
„Geht, Jorge bringt euch zu euren Freunden."
Dankend nickten wir und wurden von Jorge aus dem Raum und noch ein Stockwerk nach oben geführt, in dem sich viele Betten befanden, was Jorge uns auf dem Weg erzählte.
Angekommen in besagtem Raum, erblickte ich die Anderen, die glücklicherweise Wohlauf waren.
„Und der hier ist dein Freund?", fragte Jorge neugierig und deutete auf Newt, der mich lächelnd ansah.
Ich lächelte für einen kurzen Moment zurück, ehe ich mich dann wieder meinem Gegenüber widmete und kurz nachdachte.
„Nein, ich habe keinen Freund.
Das sind alles meine Freunde, meine Familie.", meinte ich so ernst und überzeugt, wie ich nur konnte, woraufhin Jorge nur nickte und uns allein ließ.
Meine Augen verfolgten den fremden Mann, bis er endlich aus der Tür gegangen war.
Anschließend sah ich zu Newt hinüber, der mich bloß einen Moment enttäuscht ansah und seinen Blick dann wütend abwendete.
„Was sollte das denn?", fragte meine Schwester stutzig, doch ich antwortete nicht und kniete mich stattdessen vor meinen Freund, der ich immer noch nicht ansah.
Newt saß auf seinem Bett, den Rücken gebeugt und die Ellenbogen auf die Knie gestürzt.
„Du weißt, dass du mein Freund bist.", meinte ich ernst und nahm seine linke Hand, die er allerdings verletzt wegschlug.
„Schatz..", flüsterte ich besorgt und legte die Stirn in Falten.
„Du verstehst nicht, wieso ich das sagen musste.", meinte ich sicher, woraufhin mich Newt endlich, richtig ansah.
„Was ist daran nicht zu verstehen, Violet?!", rief Newt wutentbrannt.
Ich hasste diese Seite von ihm und er wusste das auch.
„Bist du denn immer noch so naiv, nach allem was passiert ist?!"
Langsam wurde ich auch sauer, während um uns herum ein peinliches Schweigen entstanden war.
„Kannst du dir nicht vorstellen, dass diese Menschen vielleicht auch zu Wicked gehören?!
Wenn sie etwas aus mir rausbekommen wollen und sie wissen, dass du mein fester Freund bist, was würden sie dann bei mir wohl als erstes als Druckmittel benutzen, hm?!"
Genervt stand ich auf und setzte mich zu Thomas hinüber, mit dem ich immer noch nicht darüber geredet hatte, was ich, durch meinen Traum, über ihn herausgefunden hatte.
„Er wird die das vielleicht nicht sagen, aber das hast du gut gemacht.", flüsterte mein bester Freund.
„Ich traue diesen Leuten auch nicht.
Dieser Jorge ist unhöflich, das Mädchen ist auch komisch und dieser Marco scheint mir zu nett, um wahr zu sein.", meckerte der Braunhaarige unzufrieden und sah sich um.
„Kann man denn wirklich niemandem mehr trauen?", fragte ich seufzend und lehnte mich auf Thomas' Bett zurück.
„Ich schätze mal, zunächst können wir nur einander trauen.", bemerkte Minho, der wohl alles mitgehört hatte.
„Was ich dir noch sagen wollte, Vi..", begann Thomas nachdenklich, woraufhin er meine volle Aufmerksamkeit bekam.
„Ich finde es sehr stark von dir, dass du deine Familie für uns verlassen hast.
Von dir auch, Soley."
Schmunzelnd blickte ich zu Boden, während meine Schwester nur anerkennend nickte.
„Er ist bloß mein Vater.
Der Mann, der dafür verantwortlich ist, das ich lebe.
Aber meine Familie seid ihr.", sagte ich fest entschlossen.

Nachdem wir ziemlich lange und, vor allem, viel gegessen hatten, was die Folge davon war, dass wir, seit unserer Flucht vielleicht mal ein paar Brotkrummen gegessen hatten, gingen wir zurück aufs Zimmer.
Newt hatte immer noch nicht mit Mr geredet und, da ich nicht nachvollziehen konnte, wieso er jetzt sauer war, ging ich auch nicht auf ihn zu.
Stattdessen lag ich neben meiner großen Schwester und starrte die Glasdecke an, die einige Meter über uns und außerdem so dreckig war, dass die Sterne und der Himmel in einem leichten Gelbton erstrahlten.
„Was ich dich immer mal fragen wollte.", begann ich flüsternd, woraufhin Sol ihren Kopf zu mir drehte und mich aufmerksam ansah.
„Erinnerst du dich noch an Suna?", fragte ich.
„Dein komisches Ferkel?", meinte Sol, woraufhin ich das Gesicht verzog.
„Sie war nicht komisch.", motzte ich leise.
„Ja, meinetwegen, aber es war doch dein Ferkel?"
Ich nickte.
„Was wolltest du mich denn fragen, kleine Schwester?", fragte sie dann, nachdem ich nichts mehr gesagt hatte, neugierig.
„Raste jetzt nicht aus..", bat ich, was dazu führte, dass Sol mich vollkommen verwirrt ansah und mit dem Kopf schüttelte.
„Damals hast du mich ja gehasst und.. also.. wir hatten uns halt gefragt... weil also.. weil Suna.. weil Suna ist ja so plötzlich..", stammelte ich, wurde dann allerdings von Sol unterbrochen:
„Und du willst wissen, ob ich sie vergiftet habe oder sowas?
Nachgeholfen habe, ein Schwein zu töten?"
Wieder nickte ich, diesmal jedoch deutlich nervöser und zurückhaltender als zuvor.
„Glaub's mir, oder nicht.
Ich habe dein komisch- ich habe Suna nicht ein einziges Mal angerührt.", schwor Sol mit ihrem gewohnten, schroffen, doch ehrlichen Tonfall, mit welchem man ihr alles glauben würde.
„Weißt du, wer es war?", fragte ich, statt sie anzuzweifeln.
„Vi, sie wurde krank.
Ich weiß, dass das ziemlich schnell kam, aber sowas geht.", murmelte meine Schwester nun etwas weicher, was sehr ungewöhnlich war, da sie nie so redete.
In diesem Moment war sie wieder der Mensch, an die ich mich, seit ein paar erinnern konnte.
Sie war die große Schwester, die mich immer beschützt hatte.
Ich hatte nicht viel davon erzählt, vor allem auch, da ich ziemlich verunsichert war, wieso es passierte, aber ich erinnerte mich immer mehr an mein altes Leben.
Die Träume wurden klarer, das Puzzle setzte sich langsam zusammen.
Es waren zwar immer noch große Lücken in meinem Kopf, doch ich erinnerte mich an Sol, an meine Mutter und an meinen Vater.
An meine Familie, wie wir zusammen lebten, in einem Haus aus Steinen, und einem Dach aus Ziegeln, nicht aus Stämmen.
Wir waren immer einer sehr glückliche Familie gewesen und ich konnte mir nicht erklären, wieso mein Vater so böse und meine Schwester so kühl geworden ist.
Und ich würde mich auch gerne daran erinnern, wie ich Newt kennengelernt hatte, falls wir uns vor der Lichtung überhaupt schon kannten.

Violet 2 - The Scorch TrialsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt