Es ist ein breit gebauter Mann mit Glatze, der nicht viel größer sein kann, als ich es bin. Aber die Art, wie streng und emotionslos sein reifes Gesicht aussieht, treibt mir die Angst wieder ein.
Ohne wirklich zu überlegen greife ich nach dem Gürtel und erhebe ihn drohend, während seine dunklen Augen mich anstarren, die sich mit seinem schwarzen Anzug schon fast zu verschmelzen wagen.
"Wer..sind sie?" zittert meine Stimme kleinlaut und sein Blick huscht kurz von mir zu dem Gürtel in meinen Händen, dann zu der Kleidung auf dem Boden, bevor er mich wieder taxiert.
"Niemand." erklingt seine unheimlich tiefe Stimme. Er strahlt eine atemberaubende Ruhe aus, aber irgendwie will ich ihm dennoch nicht trauen.
Nervös lecke ich mir über die Lippen und trete einen Schritt zurück, ohne den Gürtel runter zu nehmen. "Was mache ich hier?"
"Sie leben hier." kommt es wie programmiert von ihm. Schockiert erstarre ich.
"Bitte was?" frage ich leise.
"Sie leben von nun an hier. Haben sie bestimmte Wünsche? Etwas zu essen? Ein Bad?" Seine Worte, als auch seine unmenschliche Art irritieren mich immer mehr und lassen meinen Griff um den Gürtel stärker werden.
"Ich will wissen, was verdammt nochmal passiert ist! Wieso ich nicht Zuhause bin, sondern in einer mir fremden Wohnung." werde ich lauter und trete noch einige Schritte nach links.Er hebt kurz die Braue ohne seine stramme Haltung zu verlieren. "Das ist von nun an ihr Zuhause. Sie dürfen sich mit allem bedienen, was sie wollen. Aber ich empfehle dennoch eine vorige Absprache zur Sicherstellung."
"Vorige Ab-? Was hat das alles zu bedeuten? Wieso bin ich hier?"
"Es tut mir Leid, aber ich bin nicht befugt ihnen diese Fragen zu beantworten. Bestimmte Wünsche?"
Verwirrt starre ich ihn an. "Wie meinen sie 'nicht befugt'? Ich will nach Hause. Das muss alles ein Missverständnis sein."
Kurz entwischt ihm ein amüsiertes Schnorren, doch neben dem nun selbstgefälligen Lächeln weicht sein Gesicht dem vorigen kalten Ausdruck nicht und er faltet die Hände formell hinter seinem Rücken.
"Das ist es nicht, Willow. Das ist von nun an ihr Zuhause. Mehr kann ich nicht sagen."
Ungläubig öffnet sich mein Mund, doch ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Er kommt mir nicht herüber, als würde er mich attackieren wollen, weshalb ich den Gürtel senke, doch trotzdem gefasst bleibe, sollte doch etwas abgezogen werden.
Mit einem verräterischen Aufblitzen in den Augen beobachtet er das sich senkende Accessoir, bevor er mich wieder geduldig ansieht. "Wünsche?" fragt er erneut und ich runzle die Stirn.
Sein Verhalten irritiert mich. "Die Wahrheit und eine Wegbeschreibung zu meinem Zuhause."
"Was für ein Zufall. Sie haben ihr Ziel erreicht." gibt er emotionslos von sich, aber ich sehe das amüsierte Auffunkeln in seinen Augen ganz genau!
"Das ist kein Scherz!" werde ich wieder ernster, "Ich will hier weg! Entweder sagst du mir, was hier los ist oder ich finde den Weg alleine raus."
Für einen gefühlt endlosen Moment sehen wir uns gegenseitig an. Dieser Typ ist doch nicht normal. Irgendetwas muss doch bei ihm falsch gelaufen sein. Jesus, wurde ich von einem reichen Verrückten gekippnet? Sein Anzug und sein Gesicht protzen mit ihrer Makellosigkeit, aber sein Verhalten ist beängstigend.
Doch plötzlich lächelt er matt auf. Wohl das einzige, dass er desöfteren an Bewegung machen mag. "Noch Wünsche?"Mit großen Augen betrachte ich sein selbstgefälliges Auftreten und kann nicht fassen, dass er sich nicht auf mich einlässt. Verärgert ziehe ich die Brauen zusammen und schnaufe einmal hart aus. Wer denkt er ist er, um mich so auf den Arm zu nehmen?
Mich aufbauend trete ich mit starken Schritten zu ihm voraus und ignoriere das panische Flattern meines Herzens. Ich werde jetzt einfach gehen. Das muss doch ein schlechter Scherz sein.Doch er regt sich null in der Tür, sondern beobachtet mich nur stumm. Deshalb will ich mich unter seinen Arm vorbeiquetschen, aber er schubst mich unerwartet zurück und ich falle sogar auf den Hintern, während das goldene Ende des Gürtels laut auf dem Parkett aufschlägt. Erschrocken starre ich ihn an. Sein kalter Blick scheint wieder jegliche Emotionen verbandt zu haben. Sturr rapple ich mich wieder auf und stürme auf ihn zu, doch mit den breiten Gestellen an seinen Armen, braucht er sich nicht einmal richtig zu bewegen, um meine Wenigkeit vom gehen aufzuhalten. "Ich kann sie den Raum nicht verlassen lassen. Eine Vorsichtsmaßnahme."
"Eine Vorsichtsmaßnahme?" knurre ich ohne von ihm abzulassen, "Was soll der Scheiß?"
Mit einem Schubs lässt er mich wieder enige Schritte zurück taumeln, aber diesmal bleibe ich standhaft genug, um nicht zu fallen. "Ich nehme an, sie haben keine ernsten Wünsche und komme später wieder."
"Ohh nein! Nicht so schnell!" keife ich und stürme wieder zu ihm, als er die Tür schließen will. "Ich bin kein Spielzeug!" Einen Moment versuche ich mich durch den Spalt auf die andere Seite zu quetschen, doch mal wieder spüre ich nur seine feste Hand und werde weggeschubst. Im selben Moment werfe ich den Gürtel wie eine Schlinge auf ihn. Es hält ihn zwar nicht auf, die Tür abzuschließen, aber ich sehe noch mit an, wie das harte Ende ihn direkt auf den Kopf trifft und er sein Gesicht zum ersten Mal so sehr verkrümmt. Alleine von dem Geräusch, den der Aufprall verursacht hat, klang es ganz schön schmerzhaft.Paralysiert stehe ich wieder da und spüre, wie mein gestellter Mut mich momentan verlässt und ich meine Angst nicht mehr unterdrücken kann. Verunsichert umarme ich meine Mitte. Das kann doch nicht wahr sein. Was will er von mir? Was hat das zu bedeuten? Sterbe ich jetzt?
Wie erstarrt stehe ich da und bewege nur den Kopf minimal zu den Kleidungsstücken, die ich vorhin rausgenommen habe. Das soll jetzt mein Zuhause sein? Was soll das? Verzweifelt unterdrücke ich die Tränen und drehe mich gekrümmt um mich selbst, bis ich aus dem Fenster sehe.
Tapsend komme ich dem wieder näher und drücke die Stirn gegen das angenehm kühle Glas, um die verschwommenen Silhouetten unten zu betrachten. Ich bin der Zivilisation nah genug, um noch gerettet zu werden. Genau. Es müsste Nachmittag sein und nicht lange, da werde ich als vermisst gemeldet.
Und dennoch kann ich die vielen Fragen nicht ignorieren, die versuchen meine Panik hervorzukitzeln. Und mit verstreichender Zeit schaffen sie das auch.
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I'll get you
Teen FictionNur Dank dem Stipendium darf Willow auf die Eckerfield gehen und ihr Collegeleben so richtig starten. Freunde, Feinde, Verrückte, Stress. Doch einen Punkt hatte sie nicht erwartet. Bram Chester. Einer von den abgehenden Studenten und mit seinem Gesi...