Kaputt

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"Du hättest vorsichtiger sein sollen." knurrt Rufus, sobald er am nächsten Morgen einfach in das Penthouse spaziert, während wir dabei waren zu frühstücken. Wir waren sofort aufgestanden und mir ist aufgefallen, wie er keinen Schlüssel zum eintreten benutzt hat. Die Eingangstür liegt zwar mehrere Meter weg vom Esstisch, aber wenigstens etwas hätte ich hören sollen. Also entweder öffnet sie sich mit einem Sensor oder das Apartment ist so gut bewacht, dass sie die Türen einfach offen lassen. Ich erhoffe letzteres.
Jetzt jedenfalls, steht Bram mit erhobenen Händen vor seinem Bodyguard und versucht ihn zu beruhigen. "Er meinte es nicht ernst. Es war alles ein Spaß." Irgendwie glaube ich, reden sie von gestern. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, sobald ich den Schuss in meinem Kopf wieder abspiele, aber Bram versichert ständig, dass alles bestens sei. Und das wollte er mir auch am Ende in dem Schlafzimmer des Blockhauses beweisen, doch ich konnte ihn abwimmel. An dem Tag war einfach zu viel passiert.
"Verdammt, Bram! Ich dachte du bist inzwischen schlauer als das." zischt Rufus. Ich habe ihn noch nie so wütend miterlebt. Anscheinend kommt gerade die Persönlichkeit rüber, vor der mich Bram Anfangs gewarnt hat. Aber wäre ich sein Bodyguard und Freund seit Kleinauf, würde ich wohl nicht anders reagieren.
"Hey," kommt nun doch der Reiz aus Brams Stimme, "Ich habe die Situation vielleicht unterschätzt, aber ich hätte es geregelt, selbst wenn es ernst gewesen wäre."

"Dieser Typ ist gefährlich. Er hat genug im Leben durchgemacht, um dir ohne mit der Wimper zu zucken, das Genick zu brechen!" presst Rufus hervor.
"So sehr wie ich." entgegnet er kühl und die Worte verpassen mir einen kalten Schauer. Mir will das Frühstück wieder hochkommen. "Er ist auf meiner Seite. Und du weißt, dass ich Menschen gut einschätzen kann."
Darauf bleibt er stumm und starrt ihn noch eine gefühlte Ewigkeit eindringlich an, bevor er sich abwendet. "Wie du meinst. Ich zähle auf dich, Bramster." brummt er und verlässt das Penthouse so schnell, wie er gekommen ist.

Ok. Mir ist die Atmosphäre zu angespannt. "Bramster?" frage ich zur Ablenkung und erst da hört Bram auf, die Tür anzustarren, durch die sein Vertrauter wütend verschwunden ist.
Erschöpft reibt er sich mit einem Seufzen zwischen den Augen und dreht sich wieder zu mir. "Ein Spitzname, den er vor einigen Jahren bei einem meiner Freunde gehört hat. Er fand es witzig und benutzt es in seltenen Fällen." Als hätte diese kurze Konfrontation an seinen Kräften gesaugt, sieht er mich müde an. "Ich hätte aber nicht erwartet, dass er ihn ausgerechnet jetzt verwendet."
Er sieht an mir vorbei aus den deckenhohen Fenstern. Heute ist es draußen wieder eher bewöklt, aber er sieht sich den Horizont an, als würde dort etwas zu finden sein.
"Willst...-" wieder fixiert er mich, sobald ich spreche, "Willst du weiter essen oder..."
Er schüttelt den Kopf. "Nicht wirklich. Aber iss ruhig ohne mich. Ich muss kurz etwas gerade biegen." murmelt er und wendet sich ab, um die Treppe hinaufzugehen.

Ich sehe mit an, wie er in seinem Büro auf der oberen Etage verschwindet und, ohne mich nochmal anzusehen, sogar die Tür hinter sich schließt.
Total baff stehe ich da und kann den Blick nicht von der Tür abwenden. Er geht? Und lässt mich alleine im Wohnbereich?? Ungläubig blinzle ich. Das kann nicht sein. Sonst war er strikt dagegen, dass ich - neben den Schlafzimmern - irgnedwo alleine im Penthouse bin und jetzt lässt er es einfach so zu?
Einen Moment warte ich noch, doch er verlässt das Büro nicht. Dadurch fällt mein Blick auf die Eingangstür und dann wieder zu der des Büros. Nein, oder?

Mit zittrigen Beinen gehe ich vorsichtig zu der Eingangstür, doch sobald ich nah genug dran bin, erkenne ich ein Tastenfeld gleich daneben, dass mir bisher nie aufgefallen ist. Was, wenn ein Alarm losgeht, sobald ich sie öffne? Eher unwahrscheinlich. Doch sobald ich an gestern denke und wie mich der Gedanke, im Wald wegzurennen nervlich kaputt gemacht hat, schüttle ich den Kopf und gehe wieder zurück zum Esstisch, um ihn abzuräumen. Irgendwie hat sich in mir ein Gefühl festgesetzt, dass mich nicht bereit fühlen lässt. Ich habe nicht die Kraft dazu, jetzt so ein Risiko einzugehen.

I'll get youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt