Nur ein Glas

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Bram pov.

Rufus lässt, wie gewohnt, nicht lange auf sich warten und bringt ein Tablett mit den verschiedensten Knabbermöglichkeiten hinein.
Er stellt ihn zwischen unseren Beinen ab, bevor er wortlos verschwindet. Als ich wieder zu Willow blicke, sehe ich das momentane Glitzern in ihren Augen, als sie ihre Lieblingsgummischlümpfe sieht, die er mit draufgepackt hat. Er hatte schon erwähnt, dass sie ihm anfängt einiges von sich zu erzählen, weshalb ich zufrieden beobachten kann, wie sie innerhalb kürzester Zeit alle von ihnen wegisst. Selbst die Chips überleben nicht lange, aber es erleichtert mich, sie alles essen zu sehen. Ich sollte ihr Essen kalorienreicher gestalten.


"Bereit für das Abendessen?" unterbreche ich die Stille, die eingedrungen ist, sobald der Abspann angefangen hat.
Nervös sieht sie mich an. Ich weiß, dass sie Angst hat, dass ich wieder etwas anstellen könnte, aber ich halte mich zurück. Ich versuche sie einfach sanft anzusehen, während ich langsam aufstehe.
"Habe ich denn eine Wahl?"
Mit leicht erhöhten Brauen sehe ich sie an, sobald ich vor ihr stehe und merke auch, dass sie diese Worte nicht unbedingt gewollt ausgesprochen hat, als sie mich darauf schockiert zurück ansieht.

Ihr platzen in letzter Zeit Dinge öfters mal raus. Und obwohl einiges davon echt zum kochen ist, macht es mich insgeheim glücklich. Es heißt, dass sie allmählich lockerer um mich wird und das möchte ich in diesem Maße noch belohnen.
Aber weil es ihr zur selben Zeit nicht über den Kopf steigen soll, grinse ich einfach nur und zucke die Schultern. "Ich bezweifle es sehr stark."

Sie schluckt darauf sichtbar und nickt schwach bevor sie auch aufsteht.
Wieder strecke ich die Hand aus und auch wenn sie kurz stockt, nimmt sie es an und lässt mich sie zum Wohnbereich führen, wo der Esstisch erneut vorbereitet wurde.
Und ich bin äußerst zufrieden mit dem Dienst. Sie sind nicht nur leise bei ihrer Arbeit, sodass Willow nichts von ihnen merkt, sondern leisten sie auch noch super.
Ich erkenne es vor allem daran, dass Willows Augen fast rausfallen bei dem Anblick.


Willow pov.

Als ich den Esstisch auf dem wir immer öfter essen sehe, stockt mir der Atem. Das Glas wird von weißen Leinen Bedeckt, die kunstvoll vom Rand fließen. Darauf steht nicht nur eine Großauswahl an Essen, sondern auch hohe Kerzen, die ihren warmen Schein bei dem Nachthimmel perfekt auf dem silbernen Geschirr reflektieren lassen. Und der Geruch von gebratenem Hühnchen erweckt meinen eigentlich vom Kleinkramm gefüllten Magen mit einem immensen Hunger.
"Nur für dich." raunt Bram leise neben mir, während er einen Arm um meine Schultern legt, um mich an sich zu ziehen, und mit dem anderen unsere verworrenen Hände zu sich hebt und einen Kuss auf meinen Handrücken platziert. Doch ich kann nicht richtig darauf reagieren, weil das alles unerwartet ist.
Zusätzlich habe ich auch den Strauß an blutroten Rosen auf dem Tisch entdeckt, der mich in gewisse Erinnerungen zurückwirft. Sie lassen mich erzittern, während ich versuche, an diese nicht zu denken.
Es sind einfach nur Rosen, Willow.

Stumm führt er mich zum Platz, auf dem ich letztens saß, und ich fühle mich fehl am Platz mit meiner Jogginghose.
Dennoch bleibe ich stumm und beobachte nur, wie er sich nach mir auf die andere Seite setzt. Der Kerzenschein wird zwar von einer einzelnen kugelförmigen Lampe über dem Tisch unterstützt, doch schafft es trotzdem sein Gesicht mit fast flammenähnlichen Bewegungen zu zieren, während er mich und den Tisch mustert.
Also allmählich wird mir dieser Tag zu viel. Aber desto mehr kommt, dass ich mitmache, desto näher bin ich der Möglichkeit, auch mal aus diesem Gebäude rauszukommen. Näher an einem realistischen Fluchtversuch.

Er fragt nach meinem Teller, den ich wortlos überreiche, und sehe mit an, wie er mir Kartoffelbrei aufträgt. Und vielleicht liegt es an der Art, wie er das macht, aber plötzlich stellt sich mir eine Frage, die alles andere in mir lamlegt.
Wieso habe ich solche Angst vor Bram?
Natürlich muss ich da sofort an die Male denken, wo er mich angefasst hat. Es ist definitv etwas, dass ich vermeiden möchte, aber ich muss es vorerst akzeptieren, wenn ich ihn im Glauben lassen möchte, dass er gewonnen hat. Und schlagen wird er mich nicht, solange ich keinen großen Fehler begehe. Und wenn, ist es nicht so doll, dass ich mich vor ihm fürchten sollte.
Ich muss nur aufpassen, dass ich meinen Fortschritt nicht zu Nichte mache.
Diese Klarstellung lässt Mut in mich einfließen, der sich auf solidem Grund in mir festsetzt und ich sehe ihn gefasst an. Schon lange, hatte ich keinen klaren Gedanken fassen können. Aber das Spiel mit Bram erweckt mich wohl wieder zum Leben. "Wie genau, bist du auf den Film damals gekommen?"

Kurz sehen seine dunklen Augen zu mir auf, bevor er sich wieder auf meinen Teller in seiner Hand konzentriert. Ein schiefes aber tiefes Grinsen bildet sich auf seinen weichen Lippen.
Er lässt sich Zeit, während er mir jetzt auch noch einen Salat auflegt, der kaum noch auf den so schon großen Teller passt. "Ich habe dich umgehend beobachtet und bin somit auf diesen Film gestoßen." grinst er weiter, ohne mich anzusehen.
Mein Mund wird trocken und ich kann nicht fassen, dass er soeben offen zugegeben hat, dass er mich gestalkt hat. Auch wenn er dieses Wort selbst nie verwendet.
Das Kerzenlicht leuchtet in seinen Augen und für einen Moment hat er eine Gestalt in meinen Augen angenommen, die meiner Meinung nach perfekt zu ihm passt. Die eines Dämonen.
Doch als er zu mir aufsieht ist diese Erscheinung schon verschollen und seine Augen sind wieder so weich, wie ich sie kenne. "Was? Dachtest du, ich lüge dich jetzt an?" kichert er, "Das ist zum einen zu anstrengend und zum anderen will ich es nicht. Ich lüge dich nicht an, Willow." brummt seine Stimme angenehm zum Ende und verpasst mir einen Schauer. Oder ich bin einfach nur angeekelt, dass ihn das so sehr amüsiert.

Wortlos reicht er mir meinen Teller, den ich benommen entgegen nehme. Damit beschließe ich auch, meinen Blick permanent auf diesen Teller zu halten. Ihn anzusehen löst nur verwirrende Dinge in mir aus.

"Und? Gefällt es dir?" höre ich seine Stimme irgendwann während des Essens.
Lustlos zucke ich die Schultern und schneide am Hühnchen, dass so unfassbar zart ist, wie keines das ich bisher hatte. In Wahrheit liebe ich das hier. Wären doch nur die Umstände anders. "Fühlt sich nur komisch an, wenn ich vor sowas ihm Penneroutfit sitze." versuche ich witzig zu klingen und nehme das Stück in den Mund.
Für mich ist das so neu, dass ich langsam und mit vollem Genuss esse. Ich will alles auskosten, solange ich kann. Sobald ich hier weg bin, werde ich sowas nie wieder haben. Und dadurch, dass ich in damaligen Zeiten sogar hungern musste oder mit trockenem Brot am Tag auskommen musste, ist dieses Essen der reinste Himmel für mich.
Natürlich lasse ich mir davon nichts anmerken. Oder sollte ich Lächeln? Aach, keinen Bock. Das Essen ist jetzt meine Priorität.
"Dann stelle ich dir nächstes Mal gerne ein schickes Kleid zur Verfügung."

Geschockt höre ich mit dem schneiden auf und sehe ihn an. Er jedoch greift locker nach der Weinflasche in der Mitte, was seinen Adamsapfel große Schatten um seinen Hals werfen lässt.
"A-Ach, alles gut. Ich...Hier ist ja niemand. Da ist es nicht so schlimm." rede ich mich kleinlaut raus und sehe wieder angespannt auf meinen Teller. In einem Kleid könnte ich jetzt auch nicht sitzen, weil ich meinen Bauch sogut wie vollgeschlagen habe. Und trotzdem sprechen mich die Weintrauben weiter vor mir an.
"Trotzdem." äußert er. Na toll.. Aber wer weiß, was für Vorteile es mir bringen könnte. "Willst du auch?" Er hebt mir den Wein entgegen. Verkrampft lasse ich die Finger um meine Knie krallen, während ich nicht mehr weiter essen will.
Die Möglichkeit Alkohol zu schmecken, ist äußerst verlockend. Bei allem, was passiert ist, würde ich mir die Birne nur zu gern wegschießen. Vor allem, wenn es auch noch ein teurer, wie dieser, ist. Aber ich lehne ab. In seiner Gegend will ich hellwach sein.

Er hebt die Braue, doch akzeptiert es und gießt nur für sich ein. Das Geräusch davon ist in dieser Stille so laut, dass es mich nervös macht. Ich will nicht wissen, was Bram anstellen könnte wenn er betrunken ist. Es veranlässt mich, an die Party zu denken, an dir wir durch den ganzen Alkoholkonsum heftig aneinandergeraten sind und spüre, wie ich rot werde. Scheiße, nein. Wenn wir beide auch nur ein wenig Intus besitzen, könnte es in Richtungen gehen, die nicht passieren sollten.
Aber ein Glück, bleibt er heute nur bei dem einen Glas.

I'll get youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt