Mit einer dampfenden Tasse Kamillentee in den Händen und versteckt unter einer Decke kauere ich an der Wand gelehnt auf dem ausgeklappten Sofa und versuche die Wärme zu bergrüßen, die mir Hunter versucht mit verschiedensten Dingen zu spenden.
Gleich nachdem wir zurück in seine Wohnung gekommen sind gab er mir bequeme Wechselsachen, da meine vorigen im Regen durchnässt wurden, und tut jetzt alles, um mich wohlfühlen zu lassen.
Selbst Lichterketten, hat er um mich angemacht, statt mich dem schäbigen Licht seiner Deckenlampe auszusetzen, weil er weiß, wie sehr ich sowas schon damals liebte. Er hatte sie vorhin extra für mich gekauft und macht sich derzeit daran, uns etwas zu essen zu machen. Dabei blickt er alle paar Sekunden zu mir, um auch wirklich sicherzustellen, dass es mir wieder gut geht.
Meine Aktion hat ihn ersichtlich aus der Bahn geworfen und überfordert ihn nun.
Ich weiß selbst nicht, was da passiert ist.
"Willst du Erbsen in deinem Reis?" fragt er vorsichtig, was ich leise bejae. Seine Unruhe lässt mich schäbig fühlen.Den Teller mit Reis, Hühnchen und Gemüsesoße bringt er mir darauf auch direkt zum Sofa und setzt sich stumm mir gegenüber.
"Willst du..vielleicht einen Film schauen?" fängt er jedoch darauf an, was mich unsicher nicken lässt.Er stellt seinen Teller Beiseite, um seinen Laptop zu holen und ihn auf dem Esstisch aufzustellen. Als er zwei Lautsprecher dazustellt verziehe ich verwirrt die Brauen. "Was machst du?"
Grinsend sieht er über die Schulter zu mir, während er sie anschließt. "Ich will doch guten Sound dazu haben."
Mit der Maus zwischen uns setzt er sich wieder neben mich und öffnet Netflix. "Was bestimmtes?"
"Mir fällt nichts ein." murmle ich leise und nehme einen kleinen Happen des Reis. Ich laufe Gefahr in ein Deja-vú zu verfallen. Doch ich will es Hunter nicht kaputt machen, nur, weil Bram ihm zuvorkam.Auf einmal grinst er auf und das Leuchten in seinen Augen spricht Bände. "Ich hab was!" meint er und lehnt sich vor, um zu tippen. "Eine Serie Namens Love, Death and Robots, die ich schon lange schauen wollte."
Ohne etwas einzuwenden lasse ich ihn die Serie starten und kann mich im Gegensatz zu damals, als ich in Brams Nähe war, vollkommen darauf konzentrieren.
"Denkst du, die Zukunft wird genauso aussehen?" frage ich, ohne den Blick von den selbstdenkenden Roboter zu nehmen, die auf einer menschenverlassenen Welt laufen.
"Schon. Ich meine wir hören jetzt schon, wie wir uns immer mehr in den Untergang reiten. Wer sagt, dass die Roboter von heute nicht so gut weiterentwickelt werden, dass sie irgendwann ohne uns auf einem verseuchtem Planeten auskommen? Es ist möglich."
Mit mulmigen Gefühl verziehe ich die Lippen, während ich weiter auf den Desktop starre. "Ich glaube nicht, dass die Menschen so weit gehen würden, dass sie an den ganzen Verschmutzungen aussterben würden. Von der Anzahl schrumpfen, ja. Aber nicht verschwinden." Darauf sehe ich sein Grinsen aus dem Augenwinkel, direkt an mich gerichtet.
"Ooh, das muss ich jetzt widerlegen." Mit einem Mal drückt er auf Pause und setzt sich zu mir gerichtet gerade auf.
Mit hochgezogenen Brauen richte auch ich mich auf. Sofort fängt er an, über die verschiedensten Theorien zu reden und was er denkt, passieren würde. Dass Menschen nicht bei künstlich hergestellten Organen und Gliedmaßen stehen bleiben würden, um etwas zu ersetzen, dass verloren gegangen ist. Laut ihm würden Menschen anfangen Körperteile von sich freiwillig ersetzen zu lassen, auch wenn sie noch perfekt in Takt waren.
"Also ich weiß nicht...Sein eigenes Fleisch absägen, nur um eine übermenschliche Kraft zu bekommen?" gebe ich skeptisch von mir und stelle die leere Tasse Beiseite zu dem restlichen Geschirr.
"Menschen sind nun mal machtbesessen. Irgendwann würden sie sich Chips implantieren lassen, um den anderen intelligenztechnisch überlegen zu sein. Und dann würde man anfangen sich einzelne Gehirnzellen ersetzen zu lassen. Es wäre ein einziger Wettstreit."
"Du hast ausgiebig darüber nachgedacht, was?"murmle ich und versuche den kalten Schauer bei der Idee einer solchen Zukunft zu unterdrücken.
"Nicht wirklich. Ich behalte nur den Überblick über die ganzen Erfindungen und Forschungen. Der Rest setzt sich dann schon automatisch zusammen." zuckt er die Schultern, "Ich überlege sogar einer der zu werden, die sich einen Chip in die Hand implantieren lassen, um damit die Haustür zu öffnen, Dinge zu bezahlen und vieles mehr."
"Das ist doch krank."
"Das ist praktisch." korrigiert er mich.
"Sorry, aber ich will noch menschlich bleiben.."
Er lacht auf. "Ich doch auch. Aber hier und da kann man schon die Kontrolle den Maschinen überlassen."
"Mir war bewusst, dass du eine solche Meinung vertreten würdest."
"Was echt?" Das Funkeln in seinen Augen unter dem Grinsen lässt mich innehalten.
"Klar..Du warst schon damals ein verrückter Theoretiker."
Wieder lacht er. "So verrückt nun auch wieder nicht."
"Doch. Du konntest nicht aufhören über Technik zu reden und was für Programme du erstellen wollen würdest, die andere Menschen dann mit Leichtigkeit benutzen könnten. In deinem Kopf gab es nur Platz für Technik."
Mit einem schiefen Lächeln mustert er mich. "Ich hätte nicht gedacht, dass du dich daran erinnerst."
Verdutzt verzog ich die Brauen. "Wieso sollte ich nicht. Ich werde alt, aber noch nicht alt genug, um an Hirnschwund zu leiden." Müde gehe ich mir durch die Haare. Irgendwie juckt es in mir, die Serie weiterzuschauen. Ich hätte echt nicht gedacht, so erfasst davon zu werden.
Doch Hunter regt sich nicht, sondern mustert mich eingehend mit einem friedlichem Blick auf dem Gesicht. "Ich freue mich, dass wir wieder miteinander reden."Überrascht schellt mein Blick wieder zu ihm. Jetzt hängt ein Flimmern in seinem blass-blau. "Ich auch." entgegne ich atemlos, "Es wäre aber schöner, wären die Umstände besser."
Darauf legt sich ein Schatten über sein Gesicht. "Keine Sorge. Ich mache, dass die Umstände besser werden." murmelt er gedankenverloren.Nach einer erdrückenden Stille nimmt er plötzlich meine Hand unter dem schwachen Licht und umfasst sie fest mit beiden Händen, während er sie unter sein Kinn stützt. "Im Zweifelsfall fliehen wir." flüstert er mit gesenktem Kopf und sieht mich vielsagend an.
Jedoch schnürrt mir der Gedanke die Kehle zu und ich schüttle schwach den Kopf. "Das wird nicht funktionieren, Hunter."
"Mit meinem Wissen schon. Ich könnte uns eine neue Identität erstellen. Mich hält hier nichts."
Ich will die Hand aus seinem Griff befreien, doch er lässt es nicht zu, was mich ihn bemitleidenswert ansehen lässt.
"Hunter." fange ich wackelig an, "Mach dir nicht dein Leben kaputt, nur weil ich in Schwierigkeiten stecke."
"Es gibt nichts kaputtzumachen. Wenn wir zusammenhalten wird alles gut." leuchtet sein Blick unschuldig und ich spüre, wie mein Herz sich zusammenzieht. Einen Moment suche ich in den Augen, nach einer Schwachstelle. Etwas, dass mir verrät, dass es doch etwas gibt, dass ihn zurückhalten lässt, was er mir jedoch nicht erzählt. Doch ich finde nichts. Kein lastendes Päckchen. Es ist, als hätte ich den 17 Jährigen wieder vor mir, den ich geliebt habe. Der mir alle Türen öffnen wollte und es jetzt anscheinend auch immer noch tun will.
"Was ist mit deiner Schwester? Deiner Mom?" krächze ich mit trägen Blick.
"Sie kommen gut ohne mich klar."
"Als ob. Deine Schwester wäre am Boden zerstört, würde sie erfahren, dass du einfach verschwunden bist."
"Und wenn schon. Jetzt bist du hier. Das ist wichtiger." raunt er überzeugt und unter dem Mondschein wirkt sein Blick so klar, wie noch nie zuvor.Seufzend wende ich mich ab und befreie endlich meine Hand. "Lass uns darüber nicht mehr reden." murmle ich und ziehe die Bettdecke enger um mich. Mein Herz fühlt sich geschrumpft an inmitten einer gähnenden Leere meines Körpers. Ich weiß nicht, wie ich mit Hunter umgehen soll. Ich kann verstehen, dass er helfen will und das bedeutet mir sehr viel, aber es würde nur Chaos anrichten.
DU LIEST GERADE
I'll get you
Teen FictionNur Dank dem Stipendium darf Willow auf die Eckerfield gehen und ihr Collegeleben so richtig starten. Freunde, Feinde, Verrückte, Stress. Doch einen Punkt hatte sie nicht erwartet. Bram Chester. Einer von den abgehenden Studenten und mit seinem Gesi...