Bram pov.
Mein Wecker nervt mich an diesem Morgen nicht so sehr wie sonst, als ich merke, dass ich sowieso so gut wie wach bin. Und doch bleibe ich noch in meinem Bett liegen, nachdem ich ihn abgestellt habe und sehe unzufrieden auf die seidenen Gardinen, die vor dem Bodenlangen Glas hängen.
Ich weiß sofort, dass meine jetzige schlechte Laune durch gestern entstanden ist. Es hat so abrupt geendet, dass ich mich immer noch unerfüllt fühle. Es war bei langem nicht genug und ich spüre, wie eine Spannung sich verstärkt in mir ausbreitet.Die ganze Nacht konnte ich kaum ein Auge zukriegen, weil sich alles in mir regte. Es regte sich nach Willow. Und ich weiß nicht, wie ich es aushalten konnte, ohne gleich zu ihr zu stürzen und meine Prinzipien ein für alle Male über Bord zu werfen.
Zwar herrscht in mir immer noch eine Wut auf ihre Ohrfeige, aber nicht so stark, wie es gestern vielleicht rüberkam. Ich hätte sie wahrscheinlich nicht gleich würgen sollen, aber vielleicht ruft das eine Gegenreaktion ihrerseits auf, die sogar zu meinem Vorteil sein wird. Dabei hoffe ich, dass diese Reaktion Unterwerfung sein wird und nicht purer Hass. Ich werde es wohl erst wissen, wenn ich ihr wieder gegenübertrete.
Aber das wird nicht heute sein. Heute werde ich Rufus wieder zu ihr senden, weil ich mich für unsere eintägige Geschäftsreise vorbereiten muss.Tief ausatmend setze ich mich auf und reibe mir zwischen die Augen. Ich hatte lange überlegt, was ich mit Willow in der Zwischenzeit mache, erst recht, weil ich nicht wusste, was nötig sein würde, um sie hinzuhalten, aber letztendlich habe ich mich für die harmlose Variante entschieden. Auch wenn sie etwas ganz anderes verdient hatte, nach allem, was sie sich letzte Zeit getraut hat.
Über den riesigen dunkelgrauen Teppich stampfend gehe ich aus meinem Zimmer, dass leider nicht auf der Sonnenseite liegt und gehe am Geländer entlang Richtung Büro, um einige Dinge zu überprüfen und zu beantworten, bevor wir los müssen.Wie abgesprochen klopft Rufus pünktlich an meiner Tür und tritt bei Erlaubnis ein. Ohne ein "Guten Morgen." oder sonst etwas zu sagen steht er ihm Türrahmen und wartet gespannt auf meine Anweisungen.
Über die Bartstoppeln - die ich heute noch rasieren sollte - streichend sehe ich ihn gefasst an. "Mach' es in Haferbrei rein. Mit vielen Früchten und mische etwas ins Geschmackswasser mit hinein." meine ich matt und schaue zurück auf meinen Bildschirm.
"Dosis?" fragt er.
"10 Stunden." meine ich nur und schließe eine E-Mail des Hotels, in das wir heute einfliegen. Doch als Rufus sich nicht vom Fleck bewegt, sehe ich doch zu ihm. Seine Augen liegen immer noch auf mir und er deutet meinen Blick richtig und spricht aus, was er denkt. So wie immer nach all den Jahren.
"Ihnen bedeutet diese Willow wohl viel was?"Kurz hebe ich die Braue, doch muss im nächsten Moment verschwörrerisch Grinsen, was ihn verstehend nicken lässt und auch ein schiefes Lächeln entlockt. "Ich bin gespannt." meint er nur und ist dabei die Tür wieder zu schließen, als er kurz stoppt. "Außerdem sehe ich, dass sie ihre Angewohnheiten wohl immer noch nicht niedergelegt haben."
Mit dem Blick deutet er auf mich hinab, doch als ich aufsehe ist er schon weg. Ich habe nichts außer einer Jogginghose an. Meine Eltern haben es gehasst, wenn ich mich nach dem aufstehen nicht sofort umgezogen habe. Und Rufus hat genug Diskussionen am Frühstückstisch zu meiner Jugendzeit miterlebt, dass er all die Kritik an mir auswendig kennt.
Bis heute streube ich mich dagegen und mein Vater hat es auch mit den Jahren aufgegeben. Es waren nur seine Blicke, die mir jedes Mal eiskalte wortlose Vorwürfe zuwarfen. Und wir wissen beide, wieso er das macht. Wegen Mom. Was sich nach all der Zeit immer noch dahinter verbirgt, dass wir nicht aussprechen, weil der Schmerz zu groß ist. Weil wir beide nicht über emotionale Dinge reden. Es war nie anders.
Zwei einhalb Stunden später kommt Rufus runter in den Eingangsbereich, wo ich meine Krawatte ein letztes Mal richte. Er tritt hinter mich und sieht mich durch den Spiegel vor mir an. "Sie ist sogut wie weggedöst."
Mit zusammengepressten Lippen nicke ich einmal und empfinde eine leichte Entspannung. Und doch kann ich nicht komplett erleichtert sein. Der Gedanke, sie für mehrere Stunden alleine zu lassen berunruhigt mich und ich bereue es allmählich wirklich keine Kameras in ihrem Zimmer installiert zu haben. Außerdem hoffe ich, dass nichts mit ihr passiert. Sonst müsste sie lange warten, bis Hilfe kommt. Bis ich sie checken kann.Tief durchatmend senke ich die Arme und sehe mir selbst in die dunklen Augen, die von meinem Vater kommen. Ich sollte einfach nicht mehr daran denken. Heute ist ein wichtiger Tag. Den darf ich mir durch unnötige Gedanken nicht versauen.
Dad und seine rechte Hand ,Keith Goldens, gehen vor mir die Stufen zu unserem Privatjet hinauf und unterhalten sich über einen Vertrag, den sie noch mit einer anderen Firma bald schließen werden. Seine Firma wächst, das muss ich ihm lassen.
Ohne wirklich etwas dabei zu empfinden betrete ich den hellen Innenraum und warte, bis sich die beiden im vorderen Bereich in die Sessel setzen, die sich gegenüberstehen, um ihr Gespräch konzentriert weiterzuführen. Das wird sicherlich noch die nächste Stunde so gehen.
Desinteressiert gehe ich den Gang hinunter und setze mich in die Ecke eines gepolsterten Sitzplatzes und ziehe meinen Laptop aus der Tasche, um ihn auf den Mahagonietisch zu platzieren und nochmal die ganzen Angebote anderer Firmen durchzulesen. Im Augenwinkel beobachte ich, wie Rufus sich auf die andere Seite ans Fenster setzt, nachdem er die Flugzeugtür hinter uns geschlossen hat. Von ihm wird jetzt auch nichts mehr kommen. Dad möchte unbedingt, dass ich für eine bestimmte Zeit ein Praktikum bei anderen mache, um ihre Taktiken herauszufinden. Die meisten - erst recht unsere hartnäckigen Konkurrenten - haben das schon in Betracht gezogen und mir deshalb abgesagt, aber es gibt genug Idioten und Schleimer, die sich zur Verfügung stellen. Nur will ich Willow nicht alleine lassen. Es wäre anstrengend, sie mehr als 8 Stunden alleine zu lassen. Jetzt weiß ich wenigstens, dasss sie in meiner Nähe ist, aber mit einer richtigen Arbeit? Wie soll ich mich da dann ruhig verhalten? Jetzt bin ich nur entspannt, weil es für Dad und seine Firma ist. Aber bei anderen doch nicht.
Es baut sich ein unerwarteter Druck in meiner maßgeschneiderten Hose auf und ich verkrampfe mich augenblicklich. Jetzt ist nicht der richtige Moment dafür.Verstohlen sehe ich zu meinem Vater in seinem schwarzen Anzug der mit dünnen eleganten Streifen überseht ist. Seine gealterten Gesichtzüge bleiben angespannt, während er mit Goldens spricht, doch seine Augen wirken wie immer weich. Selten hatte ich ihn rundum entspannt gesehen. Und wenn, dann nur mit Mom. Jetzt weiß er nicht, was ich in Wirklichkeit tue. Wahrscheinlich würde er austicken und mich zwingen normal zu spielen, während er Willow eine Kugel in den Kopf verpassen lässt, damit sie ja nicht damit zur Presse gehen wird und sein Geschäft versaut. Dabei weiß ich, dass sie sowas nicht machen würde. Sie würde bei mir bleiben. Und das Verhalten meines Vaters vorherzusehen ist mit den Jahren sowieso schwieriger geworden. Seit Mom nicht mehr bei uns ist, ist er noch verschlossener. Seine Worte sind speerlicher, als zu meinem Kindesalter geworden. Aber er ist radikaler geworden. Selbst wenn er manchmal versucht den guten Vater rauszuholen.
Selbst gereist sind wir seit Jahren nicht. Das letzte richtige Mal war noch mit Mom. 5 Jahre ist es her, aber ich erinnere mich, wie wir an den Phillipinen die verschiedensten Restaurants abgeklappert haben und ich mich immer versucht habe vor unangenehmen Familienmomenten zu drücken, indem ich mich einfach auf eine Sonnenliege auf dem Strand verschanzt habe, während meine Eltern sich eine Bootsfahrt gegönnt haben. Richtig gestört hatte sie mein Verhalten nicht. Sie hatten so schon wenig Urlaub im Jahr, um sich auch noch um ihr anstrengendes Kind zu kümmern. Außerdem liegt es in der Familie diszipliniert und Emotional unerreichbar zu sein. Auch wenn ich meiner Mutter mit solchen Gedanken vielleicht nicht komplett Recht tue.
Tief seufzend lehne ich mein Ellbogen auf den Tisch und verdecke den Mund mit der Hand.
Insgeheim hatte ich auch gehofft, dass Dad ohne Keith fliegen wird und wir ein wenig miteinander reden oder zur Ablenkung pokern. Jetzt besteht das Risiko, dass er auch hier die komplette Stunde mit seiner Arbeit beschäftigt sein wird. Aber das war schon mit Mom kaum anders. Die beiden waren begnadete Arbeitstiere. Die Einzigen von Wenigen, die eine perfekte Verbindung damit geschaffen haben und sich sogar zum Spaß gegenseitig provoziert haben. Wer macht mehr Einkommen in der Woche. Wer hat mehr Arbeitsstunden. Mehr Aufträge. Mehr Meetings.
Und obwohl mein Jugendliches- Ich es nur schräg fand, tut mein 25 jähriges Ich es sich jetzt heimlich wünschen. Vielleicht wird es eines Tages so mit Willow sein. Nur, dass sie deutlich mehr Herz mir gegenüber zeigen wird, als je jemand zuvor. Sie ist nicht verkorkst und kann andere lieben. Sie wird mich lieben. Sie tut es jetzt schon. Aber einiges an ihr lässt mich trotzdem nachdenken. Ich habe das Gefühl, dass sie andere Probleme als ich hatte. Man hat ihr in den letzten Tagen angesehen, dass tief in ihrem inneren etwas nicht stimmte und das will ich herausfinden. Höchstwahrscheinlich ist ihre Mutter daran schuld. Eine Schlampe, die keine Kinder haben sollte.
Und doch kann ich mir nicht vorstellen, dass diese standhafte und doch naive Willow etwas haben kann. Entweder ist sie stärker, als ich dachte oder ich lese zu viel in ihr Verhalten rein.
DU LIEST GERADE
I'll get you
Teen FictionNur Dank dem Stipendium darf Willow auf die Eckerfield gehen und ihr Collegeleben so richtig starten. Freunde, Feinde, Verrückte, Stress. Doch einen Punkt hatte sie nicht erwartet. Bram Chester. Einer von den abgehenden Studenten und mit seinem Gesi...