Keine Zeit

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Mit zitternden Knien atme ich die feuchte Luft tief ein und lasse mich von Hunter von dem Gebäude wegführen.
Ich erkenne keine Seele auf der durchfluteten Straße und doch schlägt mir der Puls in den Ohren, dass er mir schon fast lauter vorkommt, als das Donnern über uns.
Es ist zu merken, wie Hunter extra langsam geht, damit ich es genießen kann und mich aus dem Augenwinkel beobachtet, während ich unser Rundum studiere.
New Rochelle besitzt viel mehr Grün, als Manhattan, und ich kann nicht einmal sagen, wann es das letzte Mal war, wo ich das Rascheln der Bäume gehört habe.
"Hat er dich in seinem schicken Penthouse gehalten?" brummt Hunter plötzlich nach vorne gerichtet.

Ungläubig sehe ich vom bewölkten Himmel zu seiner verhüllten Gestalt und hätte seine Frage durch das Prasseln des Regens fast überhört.
"Ja." ist das einzige, dass ich äußern kann, worauf sich sein Griff um meine Hand verfestigt. Unter der kühlen Luft ist seine Hand das einzige, dass mir Wärme spendet.
Und durch den Wind verstehe ich, wieso er mir neben der Jeansjacke einen Hoodie gegeben hat. Andernfalls würde ich innerhalb kürzester Zeit zittern.

"Was hat er dir alles gesagt?"
"Was?" strecke ich den Rücken und rücke ein wenig näher an ihn heran, als wir uns der Ecke zur Hauptstraße nähern.
Die vorbeiziehenden Autos kommen mir dabei surreal vor. Als wäre ich nur ein Geist auf den Straßen, der nur von einer einzigen Seele angelockt und geleitet wird.
"Er hat dich bestimmt nicht dir selbst überlassen. Jedes Mal, wenn er dir Essen gebracht hat, muss er dir auch etwas gesagt haben."
In mich gekehrt starre ich benommen voraus zu einem kleinen Park auf der anderen Seite, während wir die Straße entlang gehen. Zurück zu den Erinnerung und Stimmen, die nicht so lange her sind. Sie nehmen mich ein und ich spüre einen Druck in der Kehle, der ein dumpfes Kribbeln in meinem Kopf auslöst. "Das er mich liebt." raune ich gedankenverloren.
Komischerweise ist es das einzige, dass mir in den Sinn kommt und es veranlässt Hunter abrupt stehen zu bleiben und mich eindringlich anzustarren. Doch ich spüre nichts unter seinem Blick. Es ist lediglich ein taubes kribbelnd in dem Arm, der an seiner Hand hängt, der mich mit ihm verbunden lassen fühlt. Der Rest der Welt scheint wie unter einem Schleier zu stehen.
"Er ist krank." stellt er brummend fest. Ich kann nur die Schultern zucken, da ich das selbst immer wieder behauptet habe.

Für einen Moment starrt er mich noch an, ohne wirklich meine Beachtung zu bekommen, denn ich blicke zu den ganzen Häusern, an denen ich zum ersten Mal wenige Menschen unter dem Regen zackig vorbeilaufen sehe. Sie kommen mir weit entfernt vor. Dabei müsste ich nur einmal rufen, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.
Es ist eine Frau in dunklem Mantel und mit braunem hochgestecktem Haar, die ich fixiere, während Hunter wieder zum gehen ansetzt. Jedoch verfliegt meine Neugier an ihr und ich schaue wieder stumm voraus.

"Hey," fängt Hunter irgendwann an, als wir an einer Fußgängerampel warten, "Ich weiß, dass das hart für dich ist, aber versuche keine Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen, ok?"
Mit dumpfen Blick schaue ich kurz in seine Augen, bevor ich ihn wieder zur Ampel richte.
"Ich will, dass du frei bist, aber Außenstehende auf uns aufmerksam zu machen, wäre eher unvorteilhaft. Alleine, wenn Theo erfährt, dass ich dich rausgelassen habe, wird er mich enthaupten. Deshalb hoffe ich, dass du mir vertraust und wartest, bis ich einen Ausweg aus der Sache gefunden habe."
"Ich vertraue dir." brökelt meine Stimme, als es auch schön grün wird. "Was wollte er eigentlich von dir?"
"Das solltest du wahrscheinlich nicht hören."

Mit einem seitlichen Blick auf ihn, erkenne ich, wie er den Kiefer zucken lässt. "Wenn es etwas mit mir zu tun hat, dann schon." raune ich schwach.
Kurz blickt er über die Schulter zu mir, als würde er feststellen wollen, dass ich die Antwort ertragen würde und sieht wieder voraus. In der Ferne scheine ich auch schon den großen Einkaufsladen zu sehen, den Hunter wohl meinte.
Sehr hoch gebaut, mit roten Neoleuchten über dem breiten Eingang, durch den Menschen fast ununterbrochen rein und raus gehen und umzingelt von normalen Apartmentblocks. Der Anblick lässt mein Herz ängstlich flattern.
"Er meinte, dass Bram kooperiert. Auch wenn nicht vollkommen, weil er zu 'egozentrisch' und 'eingebildet' ist. Dennoch sieht es gut aus. Naja, seiner Meinung nach. Für uns bedeutet das nur, dass uns die Zeit davonrennt." brummt er.
..Uns die Zeit davonrennt...Verkrampfend verfestigt sich mein Griff um seine Hand unkontrolliert und ich atme tief durch. Ich bin noch nicht bereit, Abschied von Hunter zu nehmen, aber sicherlich findet sich auch da eine Lösung.
"Außerdem hat er angekündigt, dass Spencer morgen irgendwann vorbeischauen wird. Um nach dem Rechten zu sehen." murmelt er, "Egal, was er vor hat: Verrate ihm nicht, dass wir heute draußen waren."
"Keine Sorge." meine ich emotionslos, als wir uns dem Eingang nähern.

I'll get youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt