Nun habe ich eine Woche lang niemanden außer Rufus gesehen. Zwar fange ich an mich wirklich entspannt in seiner Umgebung zu fühlen, weil er dauernd versucht, meinen Tag erträglicher zu gestalten. Jedenfalls glaube ich, dass er das versucht. Jedoch fühle ich mich trotzdem durchgehend scheiße und habe nicht einmal das Bedürfniss wirklich meine Stimmenbänder zu beanspruchen. Dafür ist es unglaublich laut in meinem Kopf. Am schrillsten ist meine Panik und Angst. Sie erinnern mich zu jeder Minute, dass niemand auch nur ein Lebenszeichen von sich gegeben hat. Kein Zeichen, dass nach mir gesucht wird. Ich fühle mich vergessen.
Und weil Bram sich nicht blicken lässt, fehlt mir der gewisse Anhang zu meinem alten Leben. Ohne ihn ist dieses Zimmer fremd, wie zum Anfang. Hier ist nichts, dass mir vertraut ist."Rufus?" krächzt meine Stimme nach langem Stillstand.
Er war dabei, die Tür zu schließen, nachdem er -wie gewohnt- meinte, ich soll sagen, wenn was ist. Und jetzt ist was. Zum ersten Mal will ich ihn um etwas bitten, weil ich sonst durchdrehe. Er dreht sich stumm zu mir und wartet.
"Ich...Ich weiß, das ist viel verlangt, aber..kann ich- kann ich ein wenig aus diesem Zimmer gehen?" verunsichert knete ich die Finger und sehe ihn vom Bett aus hoffnungsvoll an.
"Das geht nicht." kommt es sofort."Bitte, Rufus. Ich..Ich muss echt mal was anderes um mich haben. Dieses Zimmer wird Tag zu Tag kleiner. Ich flehe dich an." wackelt meine Stimme.
Er hat so viel die Tage gemacht. Sei es mir eine Fruchtschale zu machen, mir Malzeug zu geben oder sich einfach unschuldige Geschichten von mir anzuhören, während er mir stumm die Gesellschaft leistete, die ich unausgesprochen verlangte. Ich glaube, er weiß, was ich brauche, ohne, dass ich etwas äußern muss. Wahrscheinlich versteht er mich.
Aber jetzt gibt er kein Wort von sich. Ich kann nicht einmal sagen, ob er überlegt oder einfach komplette Leere in seinem Kopf herrscht, weil er so schwer zu lesen ist. Nur seine Brauen ziehen sich minimal zusammen. Und obwohl seine dunklen Augen immer noch etwas erdrückendes an sich haben, versuche ich sie direkt anzusehen.
"Ich kann nichts versprechen." brummt er nur leise und geht plötzlich.Aus Angst, diese Wände weiterhin ertragen zu müssen, verschnellert sich mein Puls und ich mache große Augen. Ich halte es hier wirklich kaum aus. Es zerrt stark und unangenehm an mir und lässt mich unbehaglich winden. Selbst an Maddy kann ich kaum denken. Wer weiß, was Bram ihr alles geschrieben hat. Sie könnte mich inzwischen hassen, weil Bram ihr vielleicht eine miese Nachricht gesendet hat. Es ihm zutrauen kann ich jedenfalls. Vorallem mit der Wut, die meine Aktion bei ihm verursacht hatte.
Ich hätte nicht gedacht, dass er so verärgert sein würde. Nur weil ich seine absurden Rosen zerstört habe.Einsam umarme ich meinen Bauch. Dabei glaube ich inzwischen ehrliche Reue zu spüren. Ich hätte soetwas nicht tun sollen. Oder doch? Durcheinander fing ich an meine Hände in meine Haare zu vergraben und den Kopf tief sinken zu lassen, während ich die Augen fest zusammen presste. Das alles ist mir zu viel.
Erst, als ich kurz vor den Tränen bin, wird die Tür wieder geöffnet und Rufus steht unberührt im Türrahmen. "Willst du ein wenig frische Luft abbekommen?" grummelt seine Stimme, was mein Herz einen Schlag aussetzen lässt.
Ungläubig starre ich ihn an, bis meine Kopf ohne zu überlegen heftig nickt. "Na dann komm." streckt er mir die Hand entgegen.
Ich kann es nicht fassen. Mit leichtem, aber zitternden Körper, erhebe ich mich holbrig und tappe verunsichert zu ihm. Passiert das wirklich?
Doch er bewegt sich nicht von der Stelle, als ich vor ihm bin. "Unter einer Bedingung." Schwer schluckend nicke ich. "Du musst eine Augenbinde tragen, bis wir da sind."
Nicht verstehend heben sich meine Brauen, doch aus Verzweiflung akzeptiere ich es. Gerade würde ich alles für ein wenig frische Luft tun."Aber wir können nicht lange bleiben." gesteht er monoton, während er meine Augen zubindet. Ich lasse ihn einfach verkrampft tun, weil meine Finger sowieso zu schwach und zittrig sind. Ich will einfach nur weg von hier. Sei es nur eine Minute. Solange ich nicht an mein stockdunkles Zimmer denken muss, in das mich meine Mutter damals oft gesteckt hatte, wenn sie mich nicht mehr ertragen konnte, ist mir alles Recht.
"Vorsicht." höre ich es leise, aber fest hinter mir und werde zwei Stufen hinabgeführt. Wir sind bestimmt schon aus dem Wohnzimmer raus, dass ich die Wochen grob gesehen habe. "Okay, nicht erschrecken. Aber ich muss dich für den restlichen Weg Musik hören lassen." brummt seine Stimme.
Zwar bin ich verwirrt, doch lasse ihn einfach meine Ohren zustöpseln und werde darauf an den Schultern geführt. Sachte und doch kräftig zugleich, während ich mich von Debussy beruhigen lasse.
Zwar kann ich meine Konzentration nicht komplett aufbringen, doch ich glaube, dass wir durch eine Tür gegangen sind um dann lange einen Weg sturr geradeaus zu gehen. Dann warten. Drei Schritte voraus. Wieder eine Pause. Doch was nach den wenigen Sekunden des stillstehens und panisch werdens passiert, bläst alles von mir, als wäre ich wieder in der Uni. Teilweise wortwörtlich. Denn ein relativ stark Windstoß trifft unerwartet auf mich und kühlt mir meine pulsierenden Wangen. Automatisch hole ich tief Luft und kann nicht fassen, dass ich in den vielleicht drei Wochen vergessen habe, wie gut es sich anfühlt, frische Luft zu bekommen. Es ist schon fast berauschend, wenn es einem lange verwehrt geblieben ist.Automatisch gehen meine zittrigen Finger zu der Augenbinde, doch sind zu schwach und unentschlossen, um sie wegzuschieben. Deshalb sind es die Kopfhörer, die ich grob rausnehme. "..Darf ich?" krächze ich kaum hörbar, doch bekomme tatsächlich eine Bestätigung von Rufus und er entfernt den Stoff selbst, um mir im nächsten Moment wieder meine Sicht zurück zu geben.
Zwar fällt mir sofort auf, dass wir in einem goldenen Fahrstuhl stehen, doch es ist die Riesige Landefläche vor uns, die meinen Blick abbekommt. Die Sonne scheint direkt auf das riesig aufgedruckte H.
"Komm." meint Rufus, nachdem er die Ohrstöpsel um seine linke Hand gebunden hat, und führt mich mit leichtem Griff an meinem Ellbogen aus dem Fahrstuhl, direkt auf die windige Fläche, die mir Energie verleiht, auch wenn der Wind manchmal so stark bläst, dass ich nicht atmen kann.Ungläubig trete ich auf dem Beton entlang und schaue um uns. Wir sind vielleicht nicht auf dem höchsten Gebäude der Stadt, aber sind hoch genug, um den Großteil des Horizonts zu überblicken. Wir sind definitv noch in Manhatten. Und obwohl es mich erleichtert, nimmt es mir den Funken. Ich bin die gesamte Zeit in der Näher gewesen, aber niemand hatte meine Abwesenheit bemerkt.
Was ist, wenn die Uni wieder anfängt? Ab da wird Bram sicherlich Schwierigkeiten haben, mich zu verstecken, obwohl er bestimmt auch da einen Weg finden wird mir mein Stipendium zu nehmen. Aber bis zum Ende der Ferien werde ich es sowieso nicht aushalten. Niemals, in diesem Zimmer.Umso entschlossener bin ich, all die Gedanken für den Moment zu verbannen und einfach die Augen zu schließen und tief durchzuatmen.
Selbst Rufus, der mich nicht einen Schritt alleine gehen lässt, versuche ich für kurze Zeit abzuschotten. Hier bin nur ich.
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I'll get you
Teen FictionNur Dank dem Stipendium darf Willow auf die Eckerfield gehen und ihr Collegeleben so richtig starten. Freunde, Feinde, Verrückte, Stress. Doch einen Punkt hatte sie nicht erwartet. Bram Chester. Einer von den abgehenden Studenten und mit seinem Gesi...