23. Glückliches Wiedersehen

18 3 0
                                    

Schlagartig öffnete Noire die Augen. Im Heilerbau war es still, von draußen auf der Lichtung konnte man leise Stimmen oder Schritte hören. Es musste kurz nach Sonnenaufgang sein.
Warum war sie so plötzlich aufgewacht, als hätte ihr jemand ins Ohr gejault? Langsam stand sie auf. Ihre Kopfschmerzen waren viel besser als am Abend, und der Schmerz an der Flanke war fast nicht vorhanden.
,,Guten Morgen."
Vor Schreck wäre Noire fast an die Decke gesprungen. Sie hatte gedacht, sie war allein in der Höhle.
Nein.
Als sie sich umdrehte, blickten ihr müde, aber freudige Augen entgegen, die zu einem grau-braunen Körper gehörten.
,,Papa.", hauchte Noire.
,,Noire.", seine gutmütigen Augen blickten sie glücklich an.
Dann sprang sie auf ihn zu und beide beschnupperten sich gegenseitig. Wären sie Katzen, hätten sie bestimmt so laut geschnurrt, dass die Beute im Wald geflohen wäre.
,,Wie geht es dir?", fragte Noire mit großen Augen, aber etwas ängstlich.
,,Naja, mir ging es schon mal besser. Meine Schulter schmerzt. Aber ich habe schon schlimmeren Schmerz ertragen. Wie geht es dir? Warum bist du hier in der Heilerhöhle?''
Vorsichtig beschnupperte Noire ihren Vater an seiner Schulter. Sie war nicht entzündet, so weit sie das beurteilen konnte, und stank auch nicht.
,,Mir geht es gut, abgesehen von Kopfschmerzen. Ich bin auch den Pfad runtergestürtzt, nachdem ich mich mit Mama gestritten habe."
Nachdenklich nickte Flame.
Noire fragte: ,,Fühlst du dich stark genug, um mit dem Rudel zu reden?"
,,Ja! Sag mir nur, wie lange ich bewusstlos war, bitte."
,,Ungefähr drei Tage.", sagte Noire, ohne ihm in die Augen zu sehen.
,,Das ist lang...", antwortete Flame.
Noire schluckte trocken. Jetzt kam das, wovor sie die letzten Tage Angst gehabt hatte.
,,Bitte . . . Bitte lauf ein Stück durch die Höhle.
Flame schaute sie fragend an, machte aber ein paar langsame, unsichere Schritte Richtung Ausgang. Seine Vorderpfote setzte er kaum auf, er humpelte stark. Vor dem Busch drehte er sich wieder zu Noire um.
,,Und?"
Noire zuckte mit den Schultern. Sie konnte nichts beurteilen.
,,Snowdrop ist der Heiler. Er wird deine Schulter nochmal anschauen." Dann stützte sie ihren Vater auf dem Weg zum Busch, der die Heilerhöhle von den Blicken der Wölfe schützte. Kurz bevor sie aus dem Eingang trat, wandte sie sich nochmal an Flame. ,,Sie . . .", Noire zögerte. ,,Sie werden Fragen stellen. Weil wir uns beide verletzt haben, auf dem gleichen Weg, dachten manche, es wäre ein Zeichen der Himmelswölfe. Einige wollten eine andere Alpha.", erklärte Noire kurz die gegenwärtige Lage.
Flame sah sie entsetzt an. ,,Was?? Denken sie das immer noch? Denen werde ich mal gehörig meine Meinung sagen!" Er wollte schon auf die Lichtung stürmen, doch seine Schulter machte ihn langsam und Noire konnte ihn noch zurückhalten.
,,Warte. Ich gehe zuerst. Das Rudel und vor allem Mama werden sich freuen dich zu sehen! Die letzten Tage hat kaum jemand an etwas anderes als an dich gedacht!"
Ohne eine Antwort abzuwarten schob sie sich durch den Ausgang. So wie es aussah, waren wohl fast alle auf der Lichtung. Die meisten aßen noch, die anderen unterhielten sich. Noires Mutter lag im Eingang zu ihrer Höhle, sie sah traurig aus. Maroni und Tiffany kamen gerade aus der Beutehöhle. Noch niemand hatte sie bemerkt, die Heilerhöhle lag morgens im Schatten.
Jetzt rief Noire mit lauter Stimme über die Lichtung: ,,Guten Morgen!", fast alle Köpfe wandten sich überrascht zu ihr, nur Laurie hörte nichts, er war fast taub.
,,Ich habe eine Überraschung für euch!", jaulte sie freudig und winkte ihren Vater aus der Höhle. Sobald er ins Licht kam, waren von überall freudige oder überraschte Rufe zu hören und alle Wölfe blickten Flame begeistert an.
Doch Flame schien taub gegenüber dem Rudel zu sein, mit festem, aber liebevollem Gesichtsausdruck blickte er zu seiner Gefährtin auf. Alpha rief nichts. Sie war aufgesprungen, war aber jetzt wie erstarrt. Ihre Augen sprachen Bände. Nach einigen Sekunden, in denen die anderen Wölfe verwirrt zwischen den beiden hin und her schauten, löste Alpha sich plötzlich aus ihrer Starre und sprang jaulend zu Flame herunter. Die Traube, die sich um ihn gebildet hatte ließ ihre Anführerin durch, die sich um ihren Gefährten wand, nicht ohne auf seine Schulter zu achten. Amüsiert beobachtete Noire sie.
Das ganze Rudel sah den beiden glücklich und berührt zu. Alpha und Flame zogen sich nach ein paar Minuten in die Heilerhöhle zurück, da Flame den unebenen, steinigen Aufstieg in Alphas Höhle wohl kaum geschafft hätte. Snowdrop rief Maroni und ging ihnen nach, zweifellos um nach Flames Schulter zu sehen, doch er kam mit seiner Schülerin nach nur wenigen Herzschlägen kopfschüttelnd wieder heraus.
Noire wurde abgelenkt, als Rose sie rief: ,,Noire! Wenn du dich stark genung fühlst, gehe ich mit dir und Tiffany zur Trainingswiese!"
,,Oh ja!", kam die begeisterte Antwort von Tiffany und sie kam herbeigerast. Noire nickte fröhlich und folgte dann ihrer Freundin zu den Trittsteinen.

Wolves - Eine unbekannte GefahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt