47. Abschied

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Noch immer schwach auf den Beinen und halb auf Woody gestützt lief Noire mit dem braunen Wolf zur Mitte des Lagers. Inzwischen begann ihr Gehirn wieder zu arbeiten.

In einem undordentlichen Kreis stellten sich die Wölfe auf, Alpha stand einem Ende und Federohrs Leichnam lag in der Mitte. Die Leitwölfin des Rudels trat einen Schritt vor.

Noire bemühte sich, den Nebel in ihrem Kopf vollends zu vertreiben, um die Worte ihrer Mutter aufnehmen zu können, woraufhin sie den Anfang verpasste.

,,...iemals gerechnet. Doch jetzt ist es zu spät. Federohr ist tot und hat uns ein Rätsel hinterlassen.'' Alphas Stimme war traurig und leise, sie klang nicht wie eine starke Anführerin, sondern alt und müde.

Sie hatte den Kopf gesenkt, ebenso wie viele weitere Wölfe des Rudels, die in einem Kreis um Federohrs Körper herumstanden. ,,Ich spüre die Gefahr, und ich weiß, dass ihr das auch tut. Aber wir können Federohr nicht einfach gehen lassen. Wir müssen ihm die letzte Ehre erweisen, danach können wir nachdenken.''

Nun war Alphas Stimme hart und entschlossen, doch sie bemühte sich nicht, ihre Trauer zu verbergen. Sie trat zu dem blutigen Leichnam und hob eine Pfote voll Schnee auf.

Mit rhythmischen Bewegungen rieb sie das kalte Weiß in den Pelz und wusch so das Blut ab. Währenddessen sprach sie Worte, die Noire nur allzu deutlich wahrnahm.

,,Federohr. Du warst ein erfahrener und würdevoller Jäger, als ich mein Amt antrat. Deine Würde hast du nie verloren, auch als du nicht mehr jagtest. Ohne dich und deine Ausbildung könnte ich heute keine taube Maus jagen. Ich glaube, ich habe mich nie richtig dafür bedankt, dass du so viel Geduld und Freundlichkeit für mich aufgebracht hast. Und jetzt ist es zu spät. Ich werde mir niemals verzeihen, dass du gestorben bist.''

Mit hängendem Kopf trat Alpha zurück in den Kreis des Rudels. Der Reihe nach traten die Wölfe vor, nicht jeder sagte seine Abschiedsworte so laut, dass das ganze Rudel es verstehen konnte, manchmal waren die Sätze nur für Federohr bestimmt.

Jeder, der Abschied nahm, wusch gleichzeitig einen Teil des angetrockneten Blutes aus dem hellbraunen Fell. Als Noire als Letzte des Rudels an der Reihe war, war der Pelz nahezu sauber, aber nass und verstrubbelt.

Sie trat vor und schluckte. Mit einem Stich im Herzen streckte sie eine Pfote aus und glättete das unordentliche Fell. Nach einigen sanften Strichen beugte sie sich vor und legte die Schnauze auf den kalten Hals.

Leise murmelte sie Worte, die kein anderer verstehen konnte, da diese nur an Federohr gerichtet waren. ,,Ich glaube, ich habe mich nie entschuldigt. Für alles.'' Noire schluckte.

,,Dafür, dass ich mit meinen Freundinnen so laut war und dich gestört habe, dass ich so aufdringlich war, wenn du mir eine Geschichte erzählen solltest. Schon jetzt vermisse ich dein Gezanke, und es gibt keine Möglichkeit, es dir zu erzählen.''

Noires Herz schmerzte, als sie sich langsam wieder erhob. Mit einem Blick auf die grausamen Wunden, die Federohr zugefügt worden waren, sagte sie nun laut genug für das Rudel:

,,Ich verspreche dir, Federohr, dass ich die, die dir das angetan haben, dafür büßen lasse. Ihr Blut wird den Schnee rot färben, als Rache für das Deine. Das gelobe ich.''

Viele Wölfe begannen, zustimmend zu heulen und zu knurren. Noire setzte sich wieder neben Woody und vergrub die Schnauze in seinem weichen Fell.

Wolves - Eine unbekannte GefahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt