64. Aufbruch

14 2 14
                                    

Mit schmerzendem Herzen wandte Noire den Blick von den schäumenden Wellen des Flusses ab. Ihre Pfoten waren schwer, als sie sich umdrehte und mit gesenktem Kopf das Ufer verließ.

Sie hatte kaum drei Schritte gemacht, als schwarze Pfoten in ihr Blickfeld traten, die zu einer dunkelsilbergrauen Wölfin gehörten. Widerwillig blickte sie auf und fragte müde: ,,Was gibt es, Mondschein?'' In der vergangenen Zeit hatte die Wölfin immer wieder die Führung von Noire und ihrer Mutter in Frage gestellt und die schwarze Wölfin erwartete nun eine weitere Herausforderung.

Doch Mondschein schien nicht auf einen Streit aus. In ihrem Blick lag Respekt, als sie Noire ansah und leicht den Kopf senkte. ,,Ich wollte nur sagen .... Es tut mir leid.''

Noire starrte sie überrascht und ungläubig an, und Mondschein lächelte schwach. ,,Ich meine es wirklich so. Ohne mich wäre die letzte Zeit für dich und .... für dich und deine Mutter nur halb so schwer gewesen und dafür möchte ich mich entschuldigen. Ich bin mir sicher, dass du eine würdige Alpha sein wirst. Kannst du mir meine Taten verzeihen?''

Diese Worte hoben zumindest einen kleinen Teil des schweren Gewichtes, das seit dem Kampf auf Noires Herz lag. Sie legte Mondschein sanft die Schnauze auf die Stirn. ,,Natürlich. Vielleicht wäre ich in deiner Situation der gleichen Meinung gewesen. Es war für uns alle eine schwere Zeit.'', sagte sie, während sie sich im Stillen dachte Und das Schwerste kommt erst noch.

Mondschein sah sie mit glänzenden Augen an und sagte: ,,Ich danke dir, Alpha.'' Noire zuckte beim letzten Wort zusammen, sagte jedoch nichts, während Mondschein schon zu ihrem Gefährten Dagger sprang und ihn mit einem Stupsen ihrer schwarzen Nase begrüßte.

Seltsam erleichtert, nachdem dieses Problem aus der Welt geschafft war, hob sie den Kopf und erhob die Stimme. ,,Wir brechen auf.'' Alle Wölfe kamen schwerfällig auf die Pfoten und sahen sie erwartungsvoll an.

Sie brachte ein kleines aufmunterndes Nicken zu Stande und lief zwischen den Wölfen des Rudels hindurch zu den Trittsteinen. Woody schloss sich ihr auf halbem Weg an und sie verschlangen ihre Schweife ineinander.

Am Ufer des Flusses zögerte sie kurz. Es würde die letzte Überquerung ihres Lebens sein. Sie erinnerte sich, wie weit ihr die Sprünge als Jungwolf vorgekommen waren und wie fließend sie nun von Stein zu Stein sprang.

Sie löste sich widerstrebend von Woody und setzte zum ersten Sprung an. Ihre Wunden protestierten bei jeder Muskelanspannung, doch sie ließ sich nichts anmerken, sondern versuchte, das Lager so würdevoll wie möglich das letzte Mal zu verlassen.

Am anderen Ufer angekommen blutete ihre Schulterwunde wieder, doch sie kümmerte sich nicht darum, sondern sah den anderen Wölfen bei der Überquerung zu.

Als erstes kam Woody, ihr Geliebter, dem die Schmerzen ins Gesicht geschrieben standen und der doch kraftvoll von Stein zu Stein sprang. Er setzte sich neben sie und blickte mit einem Ausdruck unendlicher Trauer auf ihr altes Zuhause.

Ihm folgte South, deren grauweißes Fell sorgfältig von Blut gesäubert worden war und die nur leicht humpelte. Sie trug Fussel im Maul und der Welpe zappelte nicht herum, obwohl sie beim Sprung an Souths Beine stieß. Auch ihr Fell war gesäubert worden, doch trotzdem sah man die zahlreichen Wunden unter ihrem schwarzbraunen Pelz. South setzte Fussel neben Woody ab und setzte sich selbst daneben. Woody leckte Fussel sanft über den Kopf, um sie zu beruhigen.

Den beiden folgte Maroni, deren Blick leer und abweisend wirkte und die kaum darauf achtete, wohin sie ihre Pfoten setzte. Nach ihr kam Flame, dessen alte Verletzung an der Schulter mit den neuen Wunden wohl wieder verschlimmert worden war, denn er humpelte sehr stark und belastete das betroffene Bein fast gar nicht, doch er wollte sich nicht helfen lassen.

Wolves - Eine unbekannte GefahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt