32. Ein kranker, alter Wolf

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Mit bester Laune trottete Noire mit Flame über die Lichtung. Flame humpelte, aber es wurde schoch ein wenig besser. Noire fragte sich, wie weit die Schulter wohl verheilen würde.
Doch gerade konnte nichts und niemand ihre Laune herunterziehen. Kopf und Schwanz hielt sie hoch erhoben, als das Rudel den Platz zum Fressen einnahm. Alpha sagte ihre Standartworte, dass es kälter wurde, aber noch immer viel Beute da war, und so weiter. Dann nahm sie sich ihren Anteil, danach das Rudel. Aus Spaß fingen Noire und Woody einen Scheinkampf um ein Kaninchen an. Woody gewann ihn knapp, indem er Noires Kopf sanft aber unerbittlich in die Erde drückte und ihr ins Ohr flüsterte: ,,Gewonnen!" In gespielter Unterwürfigkeit brummte Noire: ,,Na gut, das Kaninchen gehört dir." Zufrieden schnappte Woody sich das Beutetier, Noire holte sich stattdessen zwei Mäuse. Gemeinsam trotteten sie an einen freien Platz auf der Lichtung und verschlangen die Beute.
Während Noire ihre Maus zerkaute, ließ sie ihren Blick über das Rudel schweifen. ,,Federohr ist noch immer nicht beim Fressen.", sagte sie besorgt und warf einen Blick zur Heilerhöhle. Woody knurrte leise und sagte: ,,Wir können nach dem Fressen ja mal nach ihm schauen." Auch er klang besorgt und Noire stimmte ihm zu. ,,Hoffentlich geht es ihm nicht zu schlecht.", fügte sie noch hinzu. Woody nickte und biss in den Rest des erkämpften Kaninchens. Noire blickte sich nach ihrem Vater um, da der ja in der Heilerhöhle schlief und wissen musste, wie es Federohr ging. Flame lag mit Tude nur wenige Meter weit entfernt, also rief sie zu ihm hinüber. ,,Flame! Weißt du, wie es Federohr geht?" Ihre Stimme war laut genug, dass Flame sie verstehen konnte, aber keine anderen Wölfe auf der Lichtung. Nachdenklich schaute der verletzte Wolf auf den kleinen Busch, der den Eingang der Heilerhöhle abschirmte, dann wieder zu Noire. ,,Nicht gut. Er hustet die ganze Zeit. Ich hoffe, er überlebt den Winter.", sagte er besorgt.
Noire beschloss, nach dem Fressen bei dem alten Wolf vorbei zu schauen. Trotz seiner oft griesgrämigen Stimmung mochte sie den gutmütigen Wolf. Sein Tod wäre ein Verlust für das Rudel.
Sie erzählte Woody von ihrem Plan. ,,Ich komme mit. Ich mag Federohr. Als ich noch Schüler war, hat er mir oft Geschichten erzählt.", sagte er und schlang den Rest des Kaninchens herunter. Noire leckte sich noch einmal über die Lefzen, dann standen sie auf und trotteten zur Heilerhöhle.
Schon bevor ihre Augen sich an das dunkle Dämmerlicht gewöhnt hatten, hörte Noire ein Husten.
Ihre Schwanzspitze zuckte. Das hörte sich nicht gut an.
Federohr lag zusammengesunken ganz hinten im Bau, doch als Woody und Noire eintraten, hob er den Kopf.
,,Guten Abend, Federohr.", begrüßte Noire den kranken Wolf.
,,Noire, Woody? Endlich lässt sich hier mal jemand blicken!", krächzte Federohr und klopfte mit dem Schwanz auf den Boden. Noire neigte respektvoll den Kopf, doch insgeheim schreckte sie zurück. Federohrs Stimme war kratzig und rau. Jetzt, nach diesen wenigen Worten hechelte er ein wenig, als hätten sie ihn schon zu sehr angestrengt.
Woody trat noch einen Schritt näher an das Mosspolster des Alten und schnüffelte. ,,Wie geht es dir?", fragte er vorsichtig.
Mit einem Stöhnen ließ Federohr den Kopf auf den Boden sinken. ,,Es ging mir schon mal besser, Jungchen. Man wird nicht jünger, mit der Zeit.", hechelte Federohr und eine Spur Humor schwang in seiner Stimme mit. Ein Hustenanfall schüttelte seinen zerbrechlichen Körper und Noire und Woody wechselten vielsagende Blicke.
,,Hat dir jemand Beute gebracht?", fragte Noire und hörte besorgt das Röcheln in Federohrs Atem.
,,Ach, all diese Fragen. Ja, Snowdrop hat mir vorhin etwas gebracht. Gönnt ihr einem alten Wolf jetzt seinen Schlaf oder wollt ihr hier die ganze Nacht stehen?", sagte Federohr, bevor er erneut hustete.
Nach einem kurzen Abschiedsgruß verließen Woody und Noire die Höhle wieder, als Flame ihnen entgegen humpelte. ,,Es ist kalt. Geht an besten gleich in eure Höhle.", sagte er, als er sich an ihnen vorbei in die Heilerhöhle schob.
Noire schüttelte sich. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie der Geruch von Krankheit sich festgesetzt hatte.
,,Wie kann Maroni bei diesem Geruch nur schlafen?" bemerkte sie und gemeinsam trotteten sie Richtung Jagerhöhle. Die meisten Wölfe waren schon drin. Es war wirklich eiskalt und Noire war froh, dass der warme Atem ihrer Rudelgefährten die Höhle erwärmt hatte.
Als sie in ihr Moos kletterte, zuckte Tiffany mit den Ohren. ,,Auch mal da. Konntest du dich endlich von deinem Woody losreißen, hm?", flüsterte sie belustigt. Noire drehte ihren Schlafkreis und antwortete: ,,Was meinst du denn mit 'deinem Woody'? Wir waren nur in der Heilerhöhle."
Zwei glänzende, bernsteinfarbene Augen blinzelten sie an. ,,Ich meinte damit, dass du heute viel Zeit mit ihm verbracht hast. Sehr viel Zeit."
Überrascht ließ Noire sich nieder. ,,Wir sind nur Freunde, falls du das meinst. Nur Freunde.", beteuerte sie. Der spöttische Glanz in Tiffanys Augen verschwand plötzlich. ,,Natürlich.", sagte sie leichthin, doch noch immer mit belustigtem Unterton. Dann wünschte sie Noire leise Gute Nacht und drehte sich um.
Nachdenklich blickte Noire auf den braunen, schlanken Körper von Woody und fragte sich, ob Tiffany Recht hatte.
Nein, sagte sie sich. Sie mochte ihn, das konnte niemanden leugnen, aber nicht mehr als Tiffany oder Maroni. Woody war rein freundschaftlich.
Und mit seinem würzigen Geruch in der Nase und seinen freundlich blitzendenen im Kopf fiel Noire in einen tiefen, traumlosen Schlaf.

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Mögt ihr es lieber wenn es kurze Kapitel sind und dafür öfter Uploads kommen oder längere, dafür seltener?

LG, KugelfischXD

Wolves - Eine unbekannte GefahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt