39. Mysteriöse Gerüche

13 2 0
                                    

Nach dem Rudelgeheul kehrten alle Wölfe schnell in ihre Höhlen zurück, denn inzwischen waren die Nächte bitterkalt. Noire lag zusammengerollt neben Woody und spitzte die Ohren.

Normalerweise gab es immer zwei, drei Wölfe, die noch leise Gespräche führten, doch heute durchschnitten nur die Atemgeräusche der Jäger die Stille.

Alle waren zu müde von diesem anstrengenden Tag, als dass noch jemand diskutieren wollte. Auch Noire musste ihre Augen nicht lange geschlossen halten, bis sie in einen sanften, traumlosen Schlaf glitt.

Als Noire am nächsten Morgen erwachte, war sie eine der ersten. Natürlich, sie hatte gestern ja auch bis Sonnenhoch geschlafen.

Sie tappte leise aus der Höhle, ohne jemanden aufzuwecken. Draußen war gerade Sonnenaufgang, doch man sah nur einen kleinen Streifen am Firmament, sonst war der Himmel noch immer voller Wolken.

Am Fluss saß eine große Gestalt, die Noire als ihre Mutter identifizierte. Leise trat sie von hinten an Alpha heran. ,,An was denkst du?'', fragte sie und folgte dem Blick ihrer Mutter.

Diese zuckte zusammen und drehte sich abrupt um. ,,Verdammt Noire, erschrecke mich doch bitte nicht so.'', sagte sie vorwurfsvoll und schüttelte den Kopf, wie um eine Fliege loszuwerden.

,,Entschuldige.'', entgegnete Noire. ,,Du warst nur sehr ... abwesend.'' Alpha seufzte. Wieder wandte sie ihren Blick auf den orangeroten Streifen am Horizont.

Als würde sie mit sich selbst sprechen, murmelte sie: ,,Ich habe über den Winter nachgedacht.'' Noire sah sie an. ,,Sprich weiter.'', forderte sie.

Ohne den Blick abzuwenden sprach Alpha: ,,Wittere die Luft.'' Noire tat wie ihr geheißen und reckte die Schnauze in den sanften Wind.

Verwirrt leckte sie sich über die Nase. ,,Da ist ein Geruch, den ich nicht einordnen kann. Es riecht ein bisschen wie Regen, aber irgendwie ... feiner.''

Ruckartig drehte Alpha den Kopf zu ihrer Tochter. ,,Das ist Schnee. Schnee!'' Sie stand auf und begann, wie ein gefangener Tiger auf und ab zu laufen.

,,Heute nachmittag oder spätestens heute Nacht wird es schneien. Dann verkriecht sich die Beute in die Baue und wir ... wir verhungern! Gestern haben wir den ganzen Tag gebraucht, um das Bisschen zu fangen.''

Alpha lief auf und ab, ohne auf Noire zu achten. ,,Wenn wir uns keinen Vorrat anlegen, dann sind wir sowieso schon knapp dran, das haben die letzten Jahre bewiesen. Aber nach diesem Sturm werden wir nicht nur knapp dran sein, wir werden hungern müssen.''

Noire fiel nichts ein, was sie als Beruhigung hätte sagen können. Alpha sprach schon weiter. ,,Wir haben drei Welpen hier, einer davon hustet schon. Bald werden wir alle husten, so schlimm, dass wir nicht mehr jagen können.''

Endlich hob Alpha den Blick. Was Noire in ihren Augen sah, ließ sie zum ersten Mal an ihrer Mutter zweifeln. Es war pure Verzweiflung.

Immer war Alpha die gewesen, die das Rudel zusammen gehalten, nie Angst gehabt und positive Worte gefunden hatte. Nun sah es so aus, als wollte die starke Leitwölfin einfach aufgeben.

Noire fasste sich innerlich. Jetzt war es an ihr, Alpha zu beruhigen, damit das Rudel nicht auseinander brach. Sie sah ihrer Mutter mit festem Blick in die Augen.

Wolves - Eine unbekannte GefahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt