52. Streit

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,,Ihr seid ein unkontrollierter Haufen von ängstlichen Kaninchen!'', knurrte Noire. Jedes Augenpaar war nun auf sie gerichtet, während sie mit unergründlichem Gesichtsausdruck das Rudel musterte.

,,Merkt ihr das nicht? Wir streiten uns, spalten uns, entfremden uns voneinander. Dabei ist das genau das, was wir nicht tun sollten.'', sprach sie weiter. Einige Blicke wurden nun schuldbewusst.

,,Wenn die Worte, die der Bär uns zugerufen hat, wahr sind, dann haben wir ein ernsthaftes Problem. Denn dann werden die uns angreifen, und wir werden uns verteidigen müssen.

Ein paar von uns sind schon verletzt. Ein paar von uns sind viel zu unterernährt. Ein paar von uns haben starken Schlafmangel. So können wir jedenfalls nicht gegen einen so starken Gegner kämpfen.''

Noire hielt kurz inne. ,,Vor allem nicht, wenn wir uns so streiten. Das werde ich nicht zulassen. Wir werden uns jetzt gesittet unterhalten, wie es sich gehört.

Ohne Beleidigungen und ohne Kampf, verstanden? Wir sind ein Rudel und werden es auch bleiben. Ist das klar?'' Einige Wölfe murmelten schuldbewusste Zustimmung, andere blickten Noire nur herausfordernd an.

,,Also.'', begann Noire wieder. ,,Glaubt ihr, die Worte des Bären waren wahr?'', fragte sie und sah in die Runde. Doch nun ging wieder das Gerufe los.

Alle riefen wieder durcheinander und keiner hörte auf den anderen. Noire ließ ein lautes Jaulen vernehmen, woraufhin die meisten wieder ruhiger wurden.

Grimmig stierte sie von einem zum anderen. ,,Habe ich gesagt, ihr sollt euch weiter streiten?'', fragte sie herausfordernd. Endlich sagte jemand etwas direkt:

,,Wer hat dir eigentlich die Erlaubnis gegeben, das hier zu leiten?'' Dagger hatte sich erhohen und blickte Noire in die Augen. ,,Du bist nicht unsere Alpha.''

Entgeistert starrte Noire den Wolf an. ,,Ist das dein Ernst?'' Dagger hob das Kinn. ,,Ja, und zwar mein voller. Du bist nicht anders als wir alle. Warum sagt unsere richtige Alpha nichts dazu?''

Alpha sah Dagger ruhig an. ,,Das weißt du ganz genau.'', entgegnete sie ohne Wut, was sowohl Noire als auch Dagger überraschte.

,,Noire ist mein Welpe und hat genauso viel Autorität wie ich, verstanden? Und jeder der etwas dagegen hat, kann gerne dieses Rudel verlassen.'', sagte sie, und nun war ihre Ruhe viel kälter, als offene Wut es gewesen wäre.

Noire nickte ihrer Mutter dankbar zu, auch wenn sie von deren Antwort ein wenig überrascht war. Nun wandte Alpha den Blick von Dagger ab und sah Noire an.

,,Ich denke,'', sagte sie. ,,Dass der Bär es tatsächlich ernst gemeint hat. Sie wollen gegen uns kämpfen.'' Stille. Ratlose Stille, die keiner durchbrechen wollte, weil keiner etwas anderes sagen konnte oder wollte.

,,Das ist ja schön und gut.'', knurrte South. ,,Aber was bringt uns das jetzt? Wir wissen nicht, wann sie angreifen. Wir wissen nicht, wie stark sie sind. Wir wissen nicht mal, ob sie überhaupt angreifen.''

,,Das kann niemand sagen.'', erwiderte Snow ruhig. Noire nickte ihr zu. ,,Wir müssen einfach kampfbereit sein.'', sagte sie ernst. ,,Und dazu gehört auch, dass wir nicht vor Hunger sterben. Wie viel Beute ist da?''

Die letzte Frage war an Alpha gerichtet, die einen Blick auf die Beutehöhle warf, bevor sie antwortete: ,,Nicht genug.'' Noire sah sie scharf an. ,,Das war es schon lange nicht mehr. Ich sehe nach.''

Wolves - Eine unbekannte GefahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt