3. Alt und weise

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Noires Moos war kreuz und quer über die kleine Höhle verteilt. Die kleinen Äste auf den Federn, die ihren Schlafplatz noch zusätzlich auspolsterten, waren durcheinander und die Stiele zerknickt. Der Schmerz in ihrem Hinterbein rührte daher, dass sie wohl die Laufbewegungen im Liegen während des Schlafens nachgemacht hatte, dabei aber mit dem Bein gegen die harte Steinmauer gestoßen war. Es tat ziemlich weh! Noire beschloss, zu Snowdrop zu gehen, dem Heilerwolf des Rudels.

Aber erst musste sie Maroni von dem Traum erzählen! Sie und Heilerin! Dabei war die Erstgeborene von Mondscheins Töchtern doch eigentlich die wildeste des Trios.
Noire stand auf und lief durch den kurzen Gang in die Haupthöhle. Draußen schien schon die Sonne, wie lange hatte sie denn geschlafen? Normalerweise wachte sie schon im Morgengrauen auf und musste dann auf Maroni und Tiffany warten. Heute war sie wohl eine der letzten Wölfe überhaupt, die aus ihrer Höhle kam.

Feste Frühstückszeiten gab es nicht, jeder konnte die Reste der Beute des vorigen Tages essen, wann er wollte oder aufwachte. So lange, bis nichts mehr da war.

Noire wollte erst einmal etwas essen, um keinen Verdacht zu erregen. Appetit hatte sie keinen. Dann zur Heilerhöhle und schließlich zu Maroni. Gerade wollte sie zur Beutehöhle, um vielleicht noch den ein oder anderen Bissen Reh zu sich zu nehmen, als ihre Mutter auf sie zukam.
,,Noire! Du stehst heute aber spät auf! Es ist keum noch Beute übrig.", sagte die Alpha, als sie noch etwa drei Schrittlängen entfernt war. ,,Maroni und Tiffany sind schon lange wach und wollten dich wecken, aber ich habe es ihnen verboten. Sie sind gerade in der Altenwolfhöhle und bekommen eine Geschichte erzählt. Warum hast du so lange geschlafen?"
,,Ich...war wohl einfach sehr müde von gestern.", versuchte Noire sich um die Frage herumzureden. Noch war sie nicht bereit ihrer Mutter oder sonst irgendjemandem außer Maroni von dem Traum zu erzählen. Alpha schien nicht ganz überzeugt von der Antwort zu sein, aber sie sagte nichts mehr sondern sprang auf den Sommerfelsen und legte sich hin.
Noire ging weiter Richtung Beutehöhle und versuchte dabei möglichst wenig zu humpeln, damit ihre Mutter nichts mitbekam.
Als sie im Eingang der Höhle stand, konnte sie erkennen, dass noch ein Bein des Rehs und eine Maus da waren. Sie nahm sich nur die Maus und legte sich in den Schatten hinter dem Sommerfelsen, wo sie relativ unbeobachtet war.
Noire knabberte ein bisschen an der Maus, aber sie bekam fast nichts herunter.
Plötzlich kam Federohr zu ihr. Die junge Wölfin schluckte. Federohr kam öfter zu ihr, um sich bei ihr zu beschweren, dass Noire und ihre zwei Freunde zu laut gewesen waren. Er konnte sehr sauer werden wenn ihn jemand beim Schlafen störte.
Doch heute hatte er einen freundlichen Gesuchtsausdruck aufgesetzt. Dieses Mal kam er vielleicht nicht um sie zu schimpfen.
Als er bei Noire war, legte er sich neben sie und sah sie aufmerksam an.
,,Was ist, Federohr?", fragte die jüngere der beiden vorsichtig.
,,Du siehst sehr aufgewühlt aus. Ich dachte ich leiste dir ein bisschen Gesellschaft.", antwortete der alte Wolf nur.
,,D ... Danke. Ich ... Habe einfach nur schlecht geträumt ... Denke ich."
,,Möchtest du darüber reden?", fragte Federohr.
Noire war überrascht wie fürsorglich er war. Sie kannte ihn eigentlich nur als alten Greis.
Er musste ihr wohl die Gedanken vom Gesicht abgelesen haben, denn er brummte belustigt. ,,Ich kann auch sehr einfühlsam sein weißt du? Natürlich nur wenn ich will!"
Noire wusste nicht was sie darauf sagen sollte, also neigte sie nur den Kopf.
Nach einiger Zeit sagte sie: ,,Ich hatte einen schrecklichen Traum. Natürlich weiß ich dass es ein Traum war, aber er kam mir so ... realistisch vor. Realistischer als andere, meine ich."
Sie zögerte.
Dann sagte sie so leise, dass Federohr sich näher zu ihr beugen musste: ,,Ich könnte fast glauben, es war eine Zukunftsvision." Sie schüttelte sich. Was redete sie da für einen Unsinn! Eine Vision der Zukunft! So etwas gab es doch nur in den Schlafgeschichten für ganz kleine Welpen!
Doch Federohr lachte sie nicht aus, sondern stand auf und sagte: ,,Warum, kleine Noire, sollte das nicht so sein?"
Und mit diesen Worten lief er davon, und ließ eine zutiefst verdutzte Noire zurück.

Wolves - Eine unbekannte GefahrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt