XXXIII. Die letzten Stunden vor dem Ball

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Da Shay keine Lust hatte, sich noch mehr von Kei's Worten anzuhören, lief sie unter Deck. Die halbe Mannschaft war draußen, weshalb es im Gemeinschaftsraum angenehm ruhig war.
Sie setzte sich an den großen Tisch und nahm die Zeitung, die Bepo hier scheinbar liegen gelassen hatte. Hier und da gab es Verbrechen von Priaten, Erfolge und Beförderungen von Marinesoldaten wurden bekannt gemacht und Steckbriefe mit neuen Kopfgeldern fielen ihr entgegen. Nichts was sie sonderlich interessierte. Sie klappte die Zeitung nach fünf Minuten zu und starrte vor sich hin. Sie trommelte mit den Fingern auf dem Tisch und wackelte dazu im Takt mit ihrem Bein.
Sie war in diesem Moment echt hibbelig, denn die Zeit wollte einfach nicht umgehen.
Hinter ihr ging die Tür auf. Sie schaute nicht auf, als jemand sich neben sie setzte.

„Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht verärgern."
Der braunhaarige sah Shay entschuldigend an.
Shay schaute immer noch vor sich auf den Tisch. Sie wollte eigentlich einfach nur ihre Ruhe haben.
„Ich glaube es ist besser, wenn ich nach dieser Aktion wieder aus deinem Leben verschwinde. Du solltest wissen, dass ich dir natürlich gerne helfen werde, deinen Sohn zu befreien, aber ich mache das hauptsächlich, um meine Heimat zu retten. Ich habe verstanden, dass du mich allen Anschein nach, doch nicht so magst wie ich dachte."
Jetzt war die Brünette überrascht. Sie schaute ihn mit gerunzelter Stirn an. War es wirklich das, was sie wollte. Sie dachte an das, was sie Law immer gesagt hatte: Kei würde nach all dem noch da sein, der grauäugige vermutlich nicht.
Wollte sie, nur weil Law ihr wieder den Kopf verdreht hatte, die Chance auf einen guten Mensch in ihrem Leben verstreichen lassen? Wäre Kei nicht eine Möglichkeit, ein normales Leben zu führen?
Als der braunhaarige Anstalten machte aufzustehen, bekam Shay Panik.
Soll sie ihn wirklich einfach gehen lassen?

„Kei warte."
Sie hielt seine Hand fest. Ihr Puls raste.
„Ich mag dich. Und.. ich weiß das du mich vor Law irgendwie beschützen möchtest. Es ist alles nur sehr kompliziert und.. schwierig."
Kei schaute sie aufmerksam an.
„Hat er dich mit irgendetwas in der Hand? Erpresst er dich?"
„Was? Nein, nein.. so ist das nicht gemeint. Ich hatte mich damals, blöderweise in ihn... verknallt?" Shay formulierte den letzten Satz eher wie eine Frage. Sie hatte das Genick eingezogen und Kei entschuldigend angesehen. Ihr war es peinlich, das so aussprechen zu müssen.
„Er hatte mich vor acht Jahren, vor einem anderen Piraten gerettet, der mich entführt hatte." Kei schaute die Brünette mit großen Augen an.
„Ja.. und da er damals vor der Marine flüchten musste und ich ziemliche Wunden davon getragen hatte, musste er mich mitnehmen. Ich war etwa fünf Monate hier an Bord. Anschließen hatte er mich wie ein Paket hier abgeliefert und zurückgelassen."
Als Shay an diese Zeit zurückdachte, wurde sie traurig.
„Weißt du, das schlimmste daran ist, dass ich ihm dafür keine Vorwürfe machen kann. Er ist nunmal Pirat, das wusste ich und trotzdem hatte ich mich verliebt, dagegen kann man in der Regel nichts tun. Es tut mir Leid, das wir uns in so einer Zeit kennen lernen mussten. Ich denke, wärst du früher erschienen, wäre das vielleicht etwas anders gelaufen."
Kei lächelte sie leicht an.
„Ja, das wünschte ich mir auch."
Innerlich war von der Brünette nun eine große Last abgefallen. Sie fühlte sich ein wenig befreiter, jetzt wo sie Kei ihre Sicht etwas näher gebracht hatte. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob das so gut war was sie hier gerade tat.
Hielt sie sich Kei etwa warm, falls Law sie wieder sitzen ließ?  Warum war sie denn schon wieder so naiv und glaubte daran, dass es dieses Mal anders laufen würde? Es war Kei gegenüber nicht fair. Doch ihr Unterbewusstsein ließ nichts anderes zu.
Und genau deshalb wusste sie, dass sie schon wieder in ihr Verderben raste.
Law hatte wieder die Macht über sie.
Und wenn sie darüber nachdacht, bekam sie Angst.
Angst um ihre Gefühle.
Angst um ihr Herz.

„Danke, das du mir das erzählt hast, dann verstehe ich deine Situation jetzt besser. Ich weiß das du gegen Gefühle nichts tun kannst. Aber vielleicht hilft es dir ja, dich mehr von ihm fern zu halten."
Die Brünette biss sich auf die Lippe.
Das würde ein Problem darstellen. Hier an Bord war das kaum möglich.
„Naja, ich geh mal wieder an Deck. Es ist schon ziemlich beklemmend ständig unter Deck leben zu müssen. Ein Piratenleben hier, wäre für mich undenkbar." fügte er noch hinzu und verließ kopfschüttelnd den Raum.
Shay dachte noch etwas über Kei's Worte nach.
Sollte sie wirklich auf Nummer sicher gehen und Law auf Abstand halten, damit sie nicht mehr so verletzt werden konnte?
Aber war sie nicht schon mittendrin? Dieser Kuss hatte alles schlimmer gemacht.
Sie vergrub stöhnend den Kopf in den Händen.
„Warum muss das alles so kompliziert sein?"
nuschelte Shay vor sich hin.

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