LVI. Absprachen und Entscheidungen

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Law stand vor den Burgtoren und wartete ab.
Minuten verstrichen und der grauäugige verlor schon fast die Geduld, als Saika auftauchte. Hinter ihr, liefen Hanako und Airi.
Law drückte das Kreuz durch und stieß sich von der Mauer ab, an die er gelehnt hatte.
„Law." sagte Saika ruhig. Es war eine Begrüßung. Eine kalte Begrüßung.
Law hob eine Braue, nickte und sagte ebenfalls nur ihren Namen.
„Was führt dich hierher?" fragte Saika ihn direkt.
„Ich wollte nach Kei sehen." gab Law zur Antwort.
„Mhm. Na gut. Komm mit."
Saika konnte Law zwar nicht mehr ausstehen, dennoch wusste sie genau, dass er der beste Arzt war, den sie kannte.
Saika lief bereits einige Schritte zurück in den Hof, als Hanako an Laws Seite trat.
„Ehm.. Law. Hi. Wie gehts?" Hanako wusste scheinbar nicht, wie sie sich dem Kapitän gegenüber verhalten sollte.
Wieder nickte Law nur.
„Ehm.. ist.. ist Shachi.. auch hier?" fragte sie unsicher und sah hinter Law.
„Er ist an Bord."
„Achso. Ja, klar. Natürlich." sagte sie schnell, ließ die Schultern sinken und lief eiligen Schrittes, in eine andere Richtung als Saika, davon.
Airi hatte das ganze beobachtet und folgte ihrer Schwester.

Im Inneren der Burg, steuerte Saika jenes Zimmer an, indem Law Kei behandelt hatte.
Sie blieb vor der großen Holztür stehen und sah Law nocheinmal an.
In ihrem Blick, sah Law ein wenig Traurigkeit, vielleicht sogar Enttäuschung, doch der Rest war gefüllt von Zorn und Verachtung.
Sie kam darüber scheinbar nicht hinweg, dass Law sie nicht so  gewollt hatte, wie sie ihn.
Ohne ein Wort zu sagen, öffnete sie die Tür und ließ Law vorbei.
Kei saß in seinem Bett und blätterte in einem alten Buch. Er sah davon auf, erkannte den Mann sofort und klappte das Buch zu.
„Hallo Pirat."
„Kei."
„Was verschafft mir die Ehre?"
„Ich wollte nach deiner Wunde sehen."
„Mhm.. schlechtes Gewissen, weil ich mir die für Shay eingefangen habe statt du?"
Law sagte dazu nichts. Er hatte sich neben Kei gestellt und angefangen den Verband abzunehmen.
„Weiß sie überhaupt das ich noch lebe?"
„Ich habe ihr alles erzählt."
Kei sah Law unglaubig an.
„Alles? Das sie es mir zu verdanken hat, dass ihr alle noch lebt? Das es deine tolle Idee war, mich und meine Männer zu opfern? Das du wieder von hier verschwindest wenn ich das hier überlebe?" Kei sah Saika unruhig in der Ecke stehen.
Er dachte darüber nach, wie sich das wohl für sie anhörte und biss sich auf die Zunge, als sie den Raum verließ.
„Ich habe nicht vergessen, was ich dir gesagt habe. Aber es hat sich etwas geändert."
Aus Trotz und weil er Law nicht leiden konnte, hätte er bissig gefragt, was sich denn geändert hatte, aber wenn er ehrlich war, hatte sich wirklich etwas geändert. Er hatte Saika kennengelernt.
„Hör zu. Ich kann nicht einfach so verschwinden, deshalb bin ich hier. Ich werde Shay die Wahl lassen. Ihr und unserem gemeinsamen Sohn."
Law sah Kei eingehend an, während er die Wunde abtupfte.
Kei weitete die Augen.
„Was? Ist dir klar was du da gerade sagst? Wenn die Inselbewohner das erfahren, hast du Grey und vorallem Shay die Zukunft versaut." „Ach, und wieso das?" „Weil du ein Pirat bist!" brüllte Kei schon fast.
„Wir werden sehen." war alles was Law dazu sagte. Er legte einen neuen Verband an und richtete sich dann auf.
„Ich wollte das nur mit dir klären. Wenn du Shay sehen möchtest, sie ist bei mir an Bord."
Law lief zur Tür.
„Liebst du sie?" rief Kei Law hinterher, bevor er den Raum verlassen konnte.
Der Pirat versteinerte in seiner Bewegung. Er ragierte nicht.
„Hör zu. Wenn du sie liebst, dann verschwindest du."
Law gab keine Antwort und verließ den Raum.

Am Abend waren die letzten großen Aufräumaktionen beendet. Die Piratencrew wischte sich den Schweiß von der Stirn und wollte gerade den Rückweg antreten, als drei ältere Inselbewohner auf sie zu kamen.
„Noch einmal , vielen Dank! Morgen Abend laden wir euch herzlich dazu ein, unsere Ehrengäste zu sein." sagte ein Mann mit Vollbart und Brille.
„Wir werden da sein." antwortete Clione für die Gruppe. Die Heartpiraten grinsten, verabschiedeten sich für den Abend und liefen in Richtung Küste.
Zurück an Bord, gab es Abendessen, eine schnelle Dusche und dann rief für die erschöpften Männer das Bett.
Shay saß mit Shachi und Grey noch am Tisch, als Law endlich wieder zurück kam.
Shay war aufgestand und zu ihm gelaufen. Sie berührte ihn am Arm und sah ihn besorgt an.
„Wo warst du den ganzen Tag?"
Law schien verwirrt. Hatte sie sich Sorgen gemacht?
Er räusperte sich kurz und sah hinter sie zu Grey. Dieser saß ausgiebig gähnend am Tisch und rieb sich die Augen.
„Dein Sohn sieht sehr müde aus." antwortete er leise , lief in die Küche und ließ Shay somit ratlos zurück.
Wieder hatte er dein Sohn gesagt.
Sie ließ den Atem entweichen und ging zu Grey zurück.
„Komm mein Schatz, ich bring dich ins Bett."
Grey sah zu seiner Mutter hoch und blinzelte.
Sein Blick wanderte vorsichtig zu Shachi.
„Sagst du mir auch Gute Nacht?" fragte der Junge vorsichtig.
Shachi blinzelte ein paar Mal, stimmte dann aber lächelnd zu.
Grey griff nach Shays Hand und lief mit ihr und Shachi in das Zimmer, in welchem er die letzten Nächte verbracht hatte.
Shay lief mit Grey ins Bad und wusch ihn mit einem Lappen, während der Junge die Zähne putze. Sie zog ihm ein zu großes Shirt über und begleitete ihn dann zu seinem Bett.
Shachi lehnte neben der Tür und sah ohne ein Wort dabei zu, wie Shay Grey noch ein paar Worte für die Nacht sagte und ihm zum Abschluss einen Kuss auf die Stirn drückte.
Sie strich ihm über die Haare und deckte ihn dann zu.
Jetzt trat Shachi ans Bett, grinste den kleinen an und wünschte ihm eine Gute Nacht.
„Wir sehen uns morgen, kleiner Kapitän." zwinkerte er ihm zu.
Der Junge strahlte Shachi an.
„Mami? Ist Shachi mein Daddy?"
Shay sah Shachi leicht erschrocken an, bevor sie ihrem Sohn einen einfühlsamen Blick schenkte.
„Nein mein Schatz." sagte sie vorsichtig.
„Ich bin viel eher dein cooler Onkel." ergänzte Shachi und rieb sich den Hinterkopf.
„Das ist okay." lachte Grey, gähnte erneut und schloss dann seine Augen.
Shay und Shachi sahen sich nocheinmal an, ehe sie gemeinsam, leise das Zimmer verließen.

„Law ist der Vater, nicht wahr?"
Shachi hatte sich im dunklen Gang an die gegenüberliegende Wand gelehnt und die Hände in die Taschen gesteckt. Er schaute zu seinen Füßen und wartete auf eine Antwort.
Shay strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr, verkreuzte die Arme vor der Brust und starrte ebenfalls ihre Füße an.
„Ja." hauchte sie leise in die Dunkelheit.
„Weiß er es?"
„Wer? Law?"
„Ja."
„Ja. Ich hab es ihm vor kurzem gesagt."
Stille.
„Was werdet ihr jetzt tun?" fragte Shachi besorgt.
„Ich weiß es noch nicht. Wir haben noch nicht wirklich darüber geredet." Jetzt war Shay wieder bedrückt.
„Mhm.. ich hoffe ihr entscheidet im Sinne für Grey." äuserte sich Shachi, wünschte Shay eine gute Nacht und verschwand den Gang entlang, in Richtung seines Zimmers.

Shay öffnete die Tür, die an Deck führte und fand sich unter klarem Sternenhimmel wieder. Sie schlenderte zur Reling und atmete tief die frische Luft ein. Dann erst bemerkte sie einen dunklen Umriss am anderen Ende des Bootes.
Die Mütze die er trug, entarnte ihn sofort.
Langsam lief Shay zu ihm, überlegte während des Weges, was sie ihm sagen wollte, über was sie reden mussten.
Er drehte den Kopf, als sie noch drei Schritte entfernt war.
„Wir legen in zwei Tagen ab." sagte er unverfroren.
Shay wurde es urplötzlich eiskalt und blieb mitten in der Bewegung stehen.
„Was?" Shay wusste nichts anderes zu sagen, zu perplex war sie von seiner Aussage zuvor.
„Wir müssen weiter, Shay. Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen."
„Und.. und was dann? Wie soll es weiter gehen? Mit Dir? Also mit uns? Mit... mit Grey?" Shay stiegen die Tränen in die Augen. Ihre Kehle schnürrte sich zu und sie kannte die Situation gerade nur zu gut. Es war ein Déjàvu.
Law starrte hinaus aufs Meer und sagte nichts.
Shay war es leid ihn ständig dazu zu bringen, zu reden. Es reichte ihr. Sie machte auf dem Absatz kehrt und knallte die Tür anschließen hinter sich zu. Sie lief eilig durch den dunklen Gang zu dem Zimmer, in dem sich Grey befand. Vor der Tür wischte sie sich wütend die nassen Wangen trocken, holte tief Luft und öffnete dann leise die Tür.
Sie legte sich hinter ihren Sohn, sodass sie ihn mit ihren Armen näher an sich heran ziehen konnte. Sie atmete seinen unschuldigen Duft ein. Im Kopf kreisten die Gedanken wild umher. Sie dachte eine sehr lange Zeit, über alle Möglichkeiten nach. Über die, wie sie Law nocheinmal zu Rede stellen würde und was er eventuell sagen könnte. Sie malte sich aus, wie es sein könnte, wenn sie einfach mit ihm mitkommen würde. Wie es sein würde, wenn sie hier vielleicht zurück bleiben müssten. Und.. wie sie eventuell ihrem Sohn nie von seinem Vater erzählen würde und wieder ein gebrochenes Herz, in der Brust zu versorgen hatte.

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