LII. Dein Vater ist...

789 40 21
                                    

Die Nacht ging schnell vorbei, doch Shay und Law, hatten wohl beide seit langem nicht mehr so gut geschlafen.
Als die ersten Sonnenstrahlen durch das Bullauge fielen und Shay im Gesicht kitzelten, wendete sie sich um und konnte nun in Ruhe, Laws friedliches Gesicht betrachten. Sie lächelte in sich hinein, zögerte einen kleinen Moment, und kuschelte sich dann doch an seine Brust. Scheinbar wurde Law dadurch etwas wacher, denn er atmete plötzlich tief ein, vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, und zog sie dann in eine feste Umarmung. Keiner der beiden sagte ein Wort. Der grauäugige streichte ihr langsam über den Rücken, während Shay ruhig mit dem Gesicht an seiner Brust verweilte.

Plötzlich war vor der Zimmertür Unruhe zu vernehmen.
Hektisch wurde diese dann aufgerissen, und eine kleine aufgeregte Stimme, erfüllte den Raum.
„Herr Pirat! Herr Pirat! Meine Mami! Sie ist weg! Bitte, Sie müssen mir..." Grey stand vor dem Bett. Da Law zur Zimmertür hin seitlich lag, verdeckte er komplett Shay, die so von der Tür aus nicht sichtbar gewesen war. Aber weil Shay, nach den anfangs hektischen Worten, sich dann aufrichtete und ihr Sohn sie somit erblicken konnte, war er verstummt und starrte seine Mutter einen Moment lang nur an.
„Mami?" es war deutlich zu erkennen, dass ihr Sohn verwirrt über dieses Bild war.
Shay schoss ganz automatisch, die altbekannte Röte ins Gesicht. Sie schluckte kurz, strich sich das zersauste Haar glatt, und streckte dann räuspernd eine Hand nach Grey aus.
„Grey, mein Liebling. Alles gut. Komm her." sagte sie lächelnd und versuchte ihre Nervösität zu unterdrücken.
Law war in der ganzen Situation ruhig geblieben und hatte sich nur bequem in seinem Bett hingesetzt.

Grey, der immer noch mitten im Zimmer stand, zog für einen kurzen Moment die Brauen zusammen. Jetzt, in diesem Raum und in diesem Moment, fiel ihr die Gemeinsamkeit zwischen Vater und Sohn so sehr auf.
Langsam, tapste der kleine Junge um das Bett herum und blieb dann verunsichert vor seiner Mutter stehen. Shay streckte eine Hand nach ihm aus und streichte ihm über die Wange. Dann streckte sie den zweiten Arm aus und hob ihn, mit schmerzunterdrückten Luftanhalten, zu sich ins Bett. Sie zog ihren Sohn ganz nah an sich heran und küsste zärtlich seinen Kopf.
„Alles ist gut. Ich geh nicht ohne dich, das weißt du doch."
Jetzt sah der kleine Junge sie an.
„Gehts dir wieder besser Mami?"
Sie lächelte ihn liebevoll an.
„Dank Law, gehts mir wieder gut." sagte sie leise und sah dabei auch den Piratenkapitän an.
Grey folgte ihrem Blick. „Danke, Herr Law."
Law's Mundwinkel zuckte leicht, bevor er sich zu dem Jungen vorbeugte, ihm mit der Hand leicht das Haar zersauste und dann mit intensivem Blick: „Nenn mich einfach Law, Grey." zu flüsterte und anschließend zwinkerte.
„Und für dich und deine Mama, hab ich das gern getan." ergänzte er und sah dann in die blauen Augen von Shay, die ihn dankend zulächelte.
Grey sah, zwischen Law und seiner Mutter, hin und her. „Mami? Habt ihr, euch gern?"
Shay weitete automatisch die Augen.
Kinder waren immer so direkt.
„Ähm.. also.." hilfesuchend sah sie Law an. Der beugte sich wieder leicht zu Grey hinunter, als würde er ihm ein Geheimnis anvertrauen wollen.
„Weißt du Grey, ich glaub deine Mami hat niemanden mehr lieb als dich."
Grey grinste schüchtern und vergrub sich dann an Shays Halsbeuge.
„Ich werde mal nach Bepo sehen." sagte Law leise zu Shay und erhob sich aus dem Bett.
Er zog sich seine Hose, die über dem Stuhl hing an, griff sich ein neues Tshirt aus dem Schrank, und schlenderte dann aus dem Raum.

Als die Tür zugefallen war, hob Shay Grey eine Armlänge von sich weg.
„Grey, mein Schatz. Weißt du noch was ich dir damals über deinen Vater erzählt habe?"
Shays Herz hatte sich etwas beschleunigt. Sie wartete gespannt ab, ob sich ihr Junge daran erinnern würde. Die Augen von Grey wurden etwas traurig. Er fand es schon immer blöd, keinen Papi gehabt zu haben. Die Kinder bei Mrs. Zhou, hatten ihn immer gehänselt. Aber er wusste noch genau, wie er einmal weinend nach Hause gekommen war. Er war damals, das erste Mal von Mrs. Zhou davongelaufen.
Seine Mami hatte das Mittagessen vorbereitet und sah ihn überrascht an, als er vor der Tür stand. Sie hatte sich große Sorgen gemacht. Dann war sie wie immer vor ihm auf die Knie gegangen, hatte ihn fest gedrückt und den Haaransatz geküsst.
„Was ist los Grey? Was ist mein Schatz?" hatte sie ihn führsorglich gefragt. Noch immer in ihren Armen, hatte er ihr erzählt, was die anderen Kinder gesagt hatten. Er war gerade fünf Jahre alt, aber an diesem Tag fragte er seine Mami, wieso er keinen Papi hatte.
Shay hatte damals, für einen Moment den Atem angehalten, ihn traurig angesehen und ihn dann noch fester umarmt. Sie hatte sich anschließend mit ihrem Sohn vor das Sofa gesetzt. Sie hielten sich beide ganz fest, als Shay ihrem Sohn das erste Mal von seinem Vater erzählte.

„Grey. Dein Vater ist.. er ist leider weit weg. Er ist auf den Meeren unterwegs, so wie es mein Vater war. Dein Vater hat mir damals geholfen, als es mir ganz schlecht ging. Aber ich konnte nicht auf dem Schiff bleiben. Es wäre nicht sicher für uns beide auf dem Meer gewesen."  hatte sie damals gesagt. Ihr war nichts besseres eingefallen, als eine abgeschwächte Version der Wahrheit.
Er ist auf dem Meer? Was macht er denn da?" hatte der Junge neugierig gefragt.
„Er ist Arzt." war das einzige, was sie in diesem Moment sagen konnte.
Mein Papi ist Arzt? Cool."
Hatte sich die Tränen weggewischt und stolz seine Mutter angesehen.
Lenis Papa ist ein Bauer. Da ist ja mein Dad viel besser."
„Grey. Sowas sagt man nicht. Auch Bauern sind wichtig. Ohne sie hätten wir weniger zu essen." hatte sie ihn damals belehrt, musste aber über das stolze Grinsen ihres Sohnes selbst ein wenig lächeln.

„Mein Papi ist Arzt und arbeitet auf dem Meer." wiederholte Grey in den Armen seiner Mutter in dem Bett von Law.
Shay strich Grey sachte die Haare nach hinten.
„Genau." hauchte sie leise.
„Magst du Law, mein Schatz?"
Grey schaute auf seine Hände und nickte dann langsam.
Jetzt würde sie es ihrem Sohn gleich sagen. Gleich würde Grey erfahren, wer sein Vater war.
„Mami?"
Shay schaute ihren Sohn überrascht an.
„Ja?"
„Wird Law mein neuer Papi?"
Shay blinzelte ein paar Mal, ehe sie antworten konnte.
„Niemand wird dein neuer Papi. Du wirst immer nur einen Vater haben, Grey."
„Aber mein Papi will mich doch garnicht kennenlernen. Mein Papi ist nie Heim gekommen und hat uns nicht lieb. Und Law hat ein Uboot, Mami. Und er hat dich wieder gesund gemacht."
Ein leises Lachen überkam die Brünette.
„Du willst doch Law nicht etwa nur als Papi, weil er ein Uboot hat, oder mein Liebling?"
Grey's Wangen färbten sich in ein zartes rosa. Eine der wenigen Merkmale, die er von seiner Mutter abbekommen hatte.

Ein Klopfen an der Tür, unterbrach das Gespräch.
Die Tür wurde langsam aufgemacht, und der Kopf von Penguin erschien.
„Guten Morgen. Es gibt Frühstück. Hey, kleiner Kapitän, hast du Hunger?" sagte Penguin fröhlich zu Grey.
Dieser grinste strahlend zurück und sah dann wieder zu seiner Mutter.
„Geh' mit Penguin schonmal vor. Ich komme gleich." sagte sie ermutigend und streichte noch einmal Greys Haare zurück.
Der Junge sprang fröhlich aus dem Bett und rannte auf Penguin zu. Als beide den Raum verließen, hatte Shay einen Moment für sich, um über die Worte ihres Sohnes nachzudenken.
Papi wollte mich nicht kennenlernen.. Er hat uns nicht lieb.."
Es stimmte Shay traurig, das Grey so dachte, aber auf einer Seite war es verständlich.
Allerdings, hatte sie nun noch größere Sorge, Grey zu sagen, dass Law sein Vater war, wenn er so dachte.
Er würde ja schließlich genau das, von Law denken. Dass Law damals nie Heim gekommen war. Dass Law Grey nicht kennenlernen wollte. Und, dass Law sie nicht lieb hatte.

Was Leben bedeutetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt