72; seventy two

487 40 7
                                    

Kaum bin ich wieder zuhause werde ich von Jayce abgeschrieben und nach einem Telefonat gefragt. Natürlich kann ich nicht widerstehen und so kommt es dazu, dass wir uns heute Abend, gegen sieben Uhr, zum telefonieren verabreden.

Den Rest des Tages verbringe ich mit Mary. Erst beim joggen, dann in Park und hinterher auf einer kleinen Liegeinsel in unserem Garten.

Mit geschlossenen Augen genieße ich die Sonne, lausche dabei der leisen Musik in meinen Ohren und streichel das weiche Fell an dem Kopf der Hündin. Mir ist durchaus bewusst, dass der Tag leider nicht für immer so bleiben wird, und dennoch wünsche ich es mir. Vor allem als ich mit bekomme, wie meine Eltern zusammen mit meiner Schwester, lautstark streitend, ins Haus gestürmt kommen. Dabei ist die Terrassentür schon angelehnt und sollte so wenig Ton wie möglich durchlassen. Sofort seufze ich genervt, entfernt Mary's Kopf von meinem Oberschenkel und gehe ins Haus, um die streitenden Hühner irgendwie zu besänftigen.

,,Hallo?!", rufe ich laut, lenke somit dir Aufmerksamkeit meiner Familie für einen Moment auf mich. ,,Kannst du uns bitte für einen Moment alleine lassen?", ruft meine Mutter total gereizt und am Ende ihrer Nerven, doch ich schüttel meinen Kopf. Hilfesuchend sehe ich zu meinen Vater, der mich allerdings weitestgehend ignoriert und Grace auf das Sofa zieht. ,,Erklär mir das!", ruft er laut und sieht wutentbrannt auf meine Schwester. ,,Was soll ich dir schon erklären?", sagt sie verzweifelt und versteckt ihr Gesicht, ehe ein leises Schluchzen über ihre Lippen kommt. ,,DEINE ACH SO TOLLE SCHWESTER DACHTE ES WÄRE OKEY, IHREN FREUND ZU BETRÜGEN!", schreit mein Vater plötzlich, sodass sogar ich zusammen zucke. ,,Das ich-" ,,Halt die Klappe, Grace! Du hast doch an Cole gesehen, was das mit einem macht!" ,,Grace das geht so nicht.", sagt nun auch meine Mom seufzend, schiebt ihren Mann derweil aus dem Zimmer. Verwirrt, ohne das ich all die Worte überhaupt verstanden oder realisiert habe, setze ich mich auf den Sessel und sehe überfordert zu meiner Schwester, der die Tränen mittlerweile über die Wangen laufen. ,,Was ist los?", frage ich leise. ,,Mom und Dad wollten mir ein paar Sachen vorbeibringen und haben mich halt erwischt... Ich weiß selbst nicht warum ich das gemacht habe... Vielleicht wollte ich nur ein bisschen Ablenkung oder-" ,,Gracie, wir lieben dich trotzdem noch. Dein Dad ist gerade bloß... aufgebracht und-." ,,Hör auf mich Gracie zu nennen. Ich bin keine fünf mehr.", scheidet Grace meiner Mom das Wort ab und funkelt sie böse an, ,,Ich kann verstehen, wenn ihr enttäuscht seid oder euch für mich schämt, aber behandelt mich jetzt nicht wir ein kleines Kind, das keine Ahnung vom Leben hat! Im Gegensatz zu Elliott habe ich das aber nicht bewusst gemacht, okey? Ich weiß, dass das ein Fehler war, aber in dem Moment habe ich einfach nicht nachgedacht!", bedeutert sie, senkt ihren Blick dabei auf dem Boden. Ihre am Anfang von Wut durchtränkte Stimme wird zum Ende hin brüchig und leidtragend. Und auch wenn ich noch so geschockt bin, kann ich meine Schwester nicht im Stich lassen. Langsam gehe ich zu ihr und lege meine Arme um ihren Körper. Auch wenn normalerweise der Betrogene der Leidtragende ist, fühle ich gerade mehr als bloß Mitleid für meine Schwester. Natürlich ist Dad sauer und enttäuscht, aber rumschreien tut er so gut wie nie. Nicht mal als meine Eltern kurz davor waren, sich wegen etwa belanglosen zu scheiden, hat auch nur ein lautes Wort seinen Mund verlassen.

,,Ich will alleine sein, darf ich ihn mein Zimmer, Mom?" ,,Natürlich, geh nur. Wir rufen zum Abendessen." ,,Ich verzichte.", murrt sie bloß und stampft nach oben. Keine fünf Sekunden später kommt mein Vater auch schon wieder zu uns und verschränkt kopfschüttelnd die Arme. ,,Lass uns bitte raus gehen, mein Schatz. Ich möchte an etwas anderes denken.", gibt er von sich, lässt sein Blick danach kurz zu mir schweifen. ,,Guck mich nicht so an, als wäre ich ein Monster." ,,Ich will gar nicht wissen, was du ihr alles an den Kopf geworfen hast.", gebe ich daraufhin bloß von mir und mache ebenfalls einen Abgang rauf in mein Zimmer.

Auf gut Glück rufe ich Jayce jetzt schon an. Ich kann es gerade wirklich gebrauchen, seine Stimme zu hören und mich irgendwie von ihm abzulenken.

Tatsächlich reagiert mein Daddy sogar nach einigen Sekunden auf meinen eingehenden Anruf und meldet sich mit leicht heiserer Stimme. ,,Hey Baby.", sagt er sofort, ,,Hast du verlernt die Uhr zu lesen?" ,,Ha ha.", kommentiere ich seufzend. ,,Hier ist gerade ein wenig Stress. Ich will einfach nur abgelenkt werden und das am liebsten von meinem Daddy.", schnurre ich, nehme währenddessen seinen Hoodie in die Arme und kuschel mich an diesem. ,,Das ist süß und scheiße zugleich. Ich hab' nur eine knappe Stunde Zeit, ich hoffe das ist okey." ,,Natürlich. Was hast du denn noch vor?" ,,Ich gehe mit Nolan und Xavier im eine Trampolinhalle.", erklärt er schnell. ,,Mich interessiert aber eher, was los ist." ,,Ist egal.", erwider ich bloß. Ich weiß nicht mal, ob ich es ihm erzählen sollte... ,,Aber mein Babyboy klingt bedrückt.", seufzt er, ,,Und wenn du bedrückt bist hast du immer diese kleine Falte zwischen den Augenbrauen, dir dich später mal echt grimmig aussehen lässt." Leise kichernd beiße ich mir auf die Lippe. Ich will ihm nicht zustimmen, aber er hat wahrscheinlich schon recht. Ein leises Seufzen erklingt, ehe Jayce seine Stimme erneut erhebt. ,,Ich liebe dich", haucht er plötzlich. Voller Überraschung und total unüberlegt reagiere Ich eher stockend darauf. ,,Ich glaube du liebst meinen Körper und nicht mich." Daraufhin wird er still und lässt pure Enttäuschung auf meiner Seite der Leitung aufkommen.

Vielleicht habe ich auf das Abstreiten meiner Worte gehofft...

rose boyﻬWo Geschichten leben. Entdecke jetzt