18. Kapitel

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★Jax★

„Und was macht man so im Schulsport?", fragt Reece, als wir in die Umkleide der Turnhalle kommen und ich mich auf die Bank setze.
Er legt seine Sachen ab, sieht mich fragend an.
Ich kann nicht fassen, dass er noch nie im Leben Sportunterricht hatte.

„Eigentlich nur scheiße. Richtig Sport kann man das auch gar nicht nennen", meine ich. „Aber zurzeit spielen wir Fußball"
Reece nickt verstehend. „Du machst aber nicht mit oder?"
Während er mich das fragt, dreht er mir den Rücken zu und sieht sich das Shirt über den Kopf.
Ich erhasche nur einen kurzen Blick auf die Vorderseite seines Oberkörpers, doch der reicht, um zu sehen, was er mir wohl nicht zeigen wollte. Seine deutlichen Muskeln sind mit noch deutlicheren Narben geziert.

Erst nachdem er sich wieder etwas über gezogen hat, dreht er sich zu mir zurück. Wir wissen beide, dass ich ihm nicht antworten kann, weil ich zu sehr mit meinen Überlegungen beschäftigt bin, woher er diese Narben hat, aber er sieht nicht so aus, als erlaube er es mir, danach zu fragen.
Vor allem nicht in der Öffentlichkeit.

„Hei Jax, du siehst aus, als würdest du Reece ablecken wollen!", ruft mir Jens zu.
Die Jungs lachen.
Nett lächelnd zeige ich ihm meinen Mittelfinger. Idiot. Ich hätte nichts dagegen, Reece abzulecken, aber zuerst sollte ich ihm wohl sagen, dass ich noch Jungfrau bin.
Ich gehe zwar nicht davon aus, dass er mich im nächsten Moment der Zweisamkeit flachlegen will, aber trotzdem denke ich, es ist wichtig, dass er das weiß.

„Als ob du die so mit dir reden lässt", meint Reece, holt mich somit aus meinen Gedanken.
Etwas verwirrt schüttele ich den Kopf und versuche nicht hinzusehen, als er aus seiner Jeans steigt. Es gibt so viele Jungs in dieser Umkleide, aber nur bei einem bin ich neugierig. Aber das sollte ich nicht so offensichtlich beweisen.

„Was soll ich denn machen?" frage ich ihn, während ich mich mit geschlossenen Augen gegen die Wand lehne, damit ich nicht in Versuchung komme, ihn anzustarren. Ich kenne mich. Ihn zu sehen ist der erste Schritt, ihn beruhen zu wollen und wenn ich ihn beruhe, will ich ihn dann küssen. Und das würde gar nicht gut kommen.

„Naja jedem einmal eine reinhauen", schlägt Reece vor. Er meint das auch noch ernst.
Ich muss schmunzeln. Ich sollte es nicht lustig finden, dass er so gewalttätig ist, aber irgendwie stehe ich ja da drauf. Diesen Hauch von Gefahr, nach welchem er sogar schmeckt. Aber eigentlich liegt das nur an seiner sozialen Inkompetenz...

„Das will ich gar nicht. Ich tue anderen nicht gerne weh", erkläre ich ihm. Ich weiß genau, dass der belustigte Laut daraufhin von ihm kommt, obwohl ich ihn nicht ansehe. „Also ich tue andere gerne weh. Wenn du willst..."
Bevor er weiterreden kann, öffne ich die Augen, erkenne, dass er vor mir steht, zum Glück bekleidet. „Du tust andere nicht gerne weh. Das hab ich in deinem Blick gesehen"
Er weiß genau, dass ich davon spreche, als er mich foltern musste. Das scheint mir ein Jahr her zu sein, obwohl es gerade mal zwei Wochen sind.

Seufzend setzt er sich neben mich. „Hast ja recht", murmelt er.

Ich habe gar nicht bemerkt, dass die andere in die Halle gegangen sind, doch als Reece den Kopf auf meine Schulter legt und ich mich panisch umsehe, nehme ich es wahr.
Mein Herz pocht viel zu schnell, dafür, dass es nur so eine kleine Geste ist, die er da tut.

„Weißt du, ich fände es viel schöner, dich vor diesen ganzen Idioten küssen zu können", meint er.
Ich kann kaum beschreiben, wie glücklich mich dieser kleine Satz macht und greife nach seiner Hand. „Irgendwann können wir das", versichere ich ihm.
Er löst den Kopf von meiner Schulter und dreht meinen Kopf mit seiner freien Hand zu sich.
Am Kinn führt er meinen Kopf zu seinem, um meine Lippen mit seinen anzutippen. Er Kuss ist total zart. So hat er mich noch nie geküsst, aber es gefällt mir. Es gefällt mir sehr.
Es ist fast so, als glaube er, ich könnte durch einen stärkeren Druck kaputt gehen, es beweist Vorsicht und Sorge.

Ich glaube nicht, dass er nur auf meinen Körper aus ist. Ich glaube, er mag mich wirklich. Und das macht mich wahnsinnig glücklich.

Langsam löst er seine Lippen von meinen und sieht mich aus seinen blauen Augen an. Er lächelt leicht, als er mit der Nase an meine stupst. Ich mag es irgendwie, dass er das manchmal macht, obwohl es eigentlich total kindisch ist.

„Sollen wir in die Halle gehen?", fragt er. Es klingt mehr nach einer Erinnerung, dass wir hier immer noch im Unterricht sind und dieser nicht zum rumknutschen da ist.
„Nein", antworte ich.
Er lacht leicht, streicht mit dem Daumen über meine Wange. „Ich würde auch lieber mit dir alleine sein, aber ich glaube, es kommt nicht so gut, wenn ich gleich meine erste Stunde Sport schwänze"
Ich muss die Augen verdrehen, aber er hat Recht.

Ich ziehe ihn mit mir auf die Beine, lasse seine Hand aber nicht los. Ich will ihn für immer festhalten.

Gerade, als ich die Tür öffnen und raus gehen will, stößt er mich mit einem Ruck dagegen, sodass ich überrascht aufkeuchen muss. Von hinten presst er mich gegen die Tür und küsst meinen Hals. „Sorry, aber die Gelegenheit war einfach zu gut", flüstert er in mein Ohr.

Ich würde ja sehr gerne antworten und das ganze genießen, vor allem, weil ich da etwas an meinem Hintern spüre, das da genau richtig ist, aber dass meine Wunden, die gerade am verheilen sind, gegen die Tür pressen, tut ziemlich weh.
Ich muss schmerzerfüllt die Luft einziehen.

Auch Reece bemerkt das, lässt von mir ab und dreht mich zu sich. Dass meine Hand zu meiner Brust fährt, sagt wohl alles.
Plötzlich verändert sich Reece Gesichtsausdruck, es scheint, als würde er von einer Lawine überschüttet werden, als ihn die Erkenntnis einholt.

Leidend sieht er mich an. „Es tut mir so leid, ich hab's vergessen" Sogar seine Stimme klingt schuldbewusst.
Die Schmerzen sind wieder erträglich, so kann ich leicht lächeln und Reece die Hand an die Wange legen. „Schon gut, es ist okay"
Er schmiegt die Wange in meine Hand. „Ich wollte dir nie wehtun. Niemals" Sein Blick ist einfach Herz zerreißend. Er wirkt so verzweifelt, so als habe er die Schmerzen mit mir erlebt.

Ich nehme die andere Hand dazu, um ihn eindringlicher ansehen zu können. „Es ist wirklich okay, Reece. Mir geht's gut." Als Bestätigung meine Worte küsse ich ihn.
Er erwidert zurückhaltender als sonst. Aber das ist okay. Ich war ihm nie böse dafür, was er getan hat, doch er braucht etwas Zeit, um sich selbst zu verzeihen.

Die Liebe und der Feind (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt