45. Kapitel

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★Reece★

Meine Körperhaltung hat sich seit Stunden nicht geändert.

Ich habe auch nicht mal bemerkt, wie die Sonne untergegangen ist.

Das einzige, was ich nach dieser unendlich lauten Stille in meinem Kopf höre, die daher rührt, weil ich all meine Gedanken verbannt habe, ist Jax' Stimme, die meinen Namen haucht.

Vorsichtig hebe ich den Kopf aus meinen Armen und sehe hoch.
Neben mir steht Jax, mit von Wut geröteten Wangen und trotzdem geschocktem Gesichtsausdruck.

Er setzt sich zu mir und legt sofort die Arme um mich.

„Ich glaube, ich hab ihn umgebracht", flüstere ich geschockt von meinem eigenen Verhalten.
Ich war schon immer impulsiv, aber was ich da mit Tysan gemacht habe war einfach nur bestialisch.

Ich weiß, dass ich unter Schock stehe.
Wegen Marco, wegen Tysan, wegen allem.
Aber ich weiß nicht, was sich dagegen machen soll.

Ich spüre, wie Jax mir einen Kuss auf den Kopf gibt.
„Du hast ihn nicht umgebracht, Reece. Er liegt im Koma", sagt er leise.

Verwirrt hebe ich den Kopf, um ihn anzusehen.
Ich will ihn fragen, woher er weiß, wovon ich spreche, doch er nutzt mein Aufgeben der abwehrenden Haltung, um mich auf die Beine und in sein Zimmer zu ziehen.

Hier ist alles kurz und klein geschlagen, aber ich kann dem nicht viel Beachtung schenken, weil er mich sofort weiter ins angrenzende Badezimmer zieht und auf dem geschlossenen Klodeckel absetzt.
Er sagt nichts, als er einen Lappen anfeuchtet und mir damit über das Gesicht wischt. Es bleibt Blut daran haften, doch es kann nicht meines sein.

Er macht mein Gesicht sauber und anschließend die Hände, an welchen ebenfalls Tysans Blut klebt.
Aber Tysans Blut ist auch sein Blut.

„Es tut mir so leid", schiefe ich. „Ich wollte nie, dass es soweit kommt."

Als ich sauber bin, kniet Jax sich vor mich und nimmt mich in den Arm. „Ist okay, Reece."
Ich schüttele den Kopf. „Ich will es dir erklären"
Ich drücke ihn fest an mich, während ich ihm erzähle, was vorgefallen ist.

Als ich fertig bin, löst er sich leicht von mir und streicht mir die Tränen von den Wangen.
Als er damit fertig ist, sieht er mir einfach nur in die Augen.

„Was passiert jetzt als nächstes?", will er von mir wissen.
Aber ich weiß es doch selbst nicht.
Ich verstehe nicht mal was bisher passiert ist. Das einzige, was sich weiß, ist, dass mein Leben wie ich es kenne vorbei ist.

„Ich muss abhauen, Jax. Wenn die Polizei mich nicht findet, dann wird es deine Familie. Und keines von beidem wird gut für mich ausgehen" Ich kralle verzweifelt meine Hände in sein Nacken. „Ich bin schon auf Bewährung. Und im Knast wird es noch schwerer, mich zu verteidigen als hier draußen"
Ich sehe ihn eindringlich an. „Und ich will nichts ins Gefängnis. Ich will nicht jahrelang ohne dich sein"

Jax überwindet im selben Moment den Abstand zwischen unseren Lippen, als ich meinen Satz beende und küsst mich vielsagend.
Er verspricht mir durch diesen Kuss, dass wir das gemeinsam durchstehen werden. Das weiß ich. Wir wissen beide, dass es nur die Möglichkeit der Flucht für mich gibt, aber ich will nicht gehen.

Und er will auch nicht, dass ich gehe, denn er sieht mich flehend an. „Ich weiß, dass du gehen musst, aber bitte gib mir noch diese eine Nacht"

Ich mustere kurz sein Gesicht und nicke dann.
Ich hätte niemals die Kraft zu gehen, wenn ich ehrlich bin.
Und hier ist der letzte Ort, an dem man mich suchen würde. Aber ich kann auch nicht für immer hier bleiben, das wissen wir beide.

Ich befürchte, das hier ist die letzte Nacht, die uns bleiben wird, aber ich will es nicht wahrhaben. Ich kann Jax nicht verlieren.

„Ich wollte nie, dass das passiert", versichere ich Jax.
Er soll wissen, dass ich nichts daran gut finde, dass sein Bruder meinetwegen im Koma liegt.
Und das weiß er, denn er nickt. „Das weiß ich doch, mein Schatz. Hör auf, darüber nachzudenken, okay? Dafür hast du noch Zeit genug. Aber für diese Nacht gehörst du nur mir" Er sieht mich eindringlich an, ehe er mich sanft und liebevoll küsst.
Ich erwidere es verzweifelter.

Er hat Recht. Für diese Nacht will ich alles um mich herum vergessen und nur im ihm zusammen sein.
Denn ich bin mir leider sicher, dass es unser letztes Mal sein wird.

Die Liebe und der Feind (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt