28. Kapitel

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Jax


Sogar nach dem mehr als köstlichen Essen scheint Reece noch betrübt zu sein.
Ich glaube ihm, was er gesagt hat, nur befürchte ich, er glaubt mir nicht. Ich halte es ihm wirklich nicht vor, dass er mich foltern musste. Er hatte ja keine Wahl und außerdem hat er mich da rausgeholt. Mit den paar Narben kann ich leben, zumal die meisten kaum sichtbar sind.

Nach unserem Abendessen machen wir zusammen den Abwasch und ich frage mich, was ich ihm sagen kann, damit er nicht mehr über diese Sache nachdenkt.
Doch er scheint selbst eine Ablenkung geplant zu haben, denn er zieht mich nachdem wir fertig sind mit nach oben und wieder auf den Baumbalkon.

Dort geht er zu einem kleinen Tisch, während ich mich staunend umsehe, weil in diesem Moment die Sonne untergeht und sich mir ein fantastisches Bild bietet.
Der Himmel färbt sich in verschieden wunderschönen Farben und es ertönt langsame Musik.

Ich sehe zu Reece, der lächelnd auf mich zukommt und mir die Hand hinhält. „Darf ich um diesen Tanz bitten? "

Gott, er ist purer Zucker! Wie kann man denn so unmenschlich süß sein?!

Ich nicke etwas zurückhaltend und reiche ihm die Hand.
Statt aber einen Tanzabstand zu wahren, zieht er mich mit einem Ruck an sich und umarmt mich.
Lächelnd schmiege ich mich an ihn und lege die Arme um seinen Körper.

Langsam bewegen wir uns, damit es noch an einen Tanz grenzt, während im Hintergrund das Lied If our love is wrong von Calum Scott spielt. Und ich liebe Calum Scott. Vor allem, weil dieser Song so perfekt zu unserer Situation passt, dass mir die Tränen kommen.

Es ist alles so perfekt.

Der Sonnenuntergang taucht das alles in eine romantische und friedliche Atmosphäre, während mein Herz am implodieren ist.
Es ist der Wahnsinn, dass das immer noch passiert, sobald ich nur an Reece denke.
Und ich bin mir sicher, das wird nie wieder weggehen.

Ich drücke ihn fester und streiche über die langen Haare an seinem Hinterkopf.
Seine Hände fahren über meinen Rücken.
Ich liebe seine Berührungen einfach.

Vorhin beim Brotbacken hatte ich sorge, ich würde den Teig zu Tode kneten, weil er mich so verrückt gemacht hat, ohne es zu ahnen.

Unauffällig streiche ich mir mit einer Hand über die Augen und Wangen, um die Tränen loszuwerden.
Es sind Freudentränen.
Aber auch welche der Angst. Der Angst, dass dieses Wochenende nur noch 2 Tage hat und wir danach wieder zurück in unser Leben müssen.
Dass wir uns hassen müssen und nicht zeigen dürfen, was wir empfinden.
Dass es unmöglich sein wird, ihn zu lieben.
Obwohl ich es tue. Ich liebe ihn. Ich liebe ihn so sehr, dass es weh tut, nur daran zu denken, eine Sekunde ohne in sein zu müssen.
Und ich bin so unglaublich wütend, dass alles ist wie es ist.

Ich strenge mich doch an, ein guter Mensch zu sein.
Wieso hab ich es verdient, dass meine Liebe unmöglich ist und andere, die wirklich schlimme Dinge tun, kommen ungestraft davon?

Das Leben ist so unfair. Ich verlange doch gar nicht viel. Ich will nur eine Chance. Denn die habe ich nicht.
Das mit Reece und mir ist unmöglich. Ich weiß das.

Deshalb fühlt es sich so an, als würde mir die Zeit mit ihm davon rennen, obwohl ich am liebsten die Ewigkeit mit ihm verbringen würde.

Ich merke gar nicht, dass ich nun echt anfange zu weinen, bis Reece mich leicht von sich schiebt, um mein Gesicht in die Hände nehmen zu können.
Wortlos sieht er mir in die Augen, während ich versuche, mich irgendwie in den Griff zu bekommen.
Aber ich finde es nicht schlimm, vor ihm zu weinen. Ich will ihm keine Person vorspielen, die ich nicht bin. Ich bin nun mal emotional. Vor allem, wenn es um ihn geht. Das kann er ruhig wissen.

Reece sieht mich leidend an, als würde er im Moment dasselbe spüren wie ich. Wahrscheinlich tut er das auch. Er weiß ja, dass das mit uns kein gutes Ende nehmen wird.

Ich beruhige mich erst, als Reece meine Tränen wegküsst, ganz sanft und sorgfältig.
Er ist so konzentriert und zärtlich dabei, dass ich mich auf das Glücksgefühl konzentrieren kann, das diese Geste in mir auslöst.
Erst als ich wieder komplett ruhig bin, legt er seine Lippen auf meine und ich schmecke das Salz meiner Tränen an ihm.

Als er sich wieder leicht von mir löst, streicht er mit den Daumen über meine Wangen.
„Was ist los?", fragt er leise.

„Ich liebe dich"

So jetzt ist es raus. Mir egal, ob das zu früh ist. Es ist verdammt noch mal die Wahrheit und ich habe keine Kraft das länger zurück zuhalten.
Er ist der einzige, dem ich nichts vormachen muss, also will ich das auch nicht.

Reece lächelt leicht. „Und das ist ein Grund zu weinen?", fragt er mich sichtlich glücklich.
Ich nicke. „Weil ich früher oder später daran sterben werde"

Sein Lächeln vergeht ihm. Er zieht leicht die Augenbrauen zusammen und schüttelt den Kopf. „Wieso sagst du sowas?"
„Weil es die Wahrheit ist" Ich hätte es ja auch gerne anders. Ich würde alles dafür tun, dass wir eine andere Ausgangslage hätten, das aber kann ich nicht.

Reece schüttelt den Kopf. „Es gibt keine Wahrheit. Es gibt nur das, was wir für die Wahrheit halten. Und wenn es bei dir der Tod ist, dann frage ich mich, was das denn für eine Liebe ist" Er wirkt irgendwie verletzt, aber ich kann ja nichts dafür, dass es so ist wie es ist.

Wir müssen endlich mal Klartext reden.
Es bringt doch nichts, uns einzureden, dass wir eine Chance hätten. Sehen wir es wie es ist, wir verstecken uns hier. Wir verstecken uns, weil wir alles verlieren würden, wenn jemand von uns erfahren würde.
Weil ich Recht habe.

Reece scheint in meinem Blick zu erkennen, dass ich innerlich an verzweifeln bin.
„Jax" Er spricht meinen Namen eindringlich aus, doch mit so viel Sehnsucht. Mein Herz schlägt schneller.
„Warum sollten wir zusammen sein, wenn wir nicht zusammen gehören? Überleg doch mal, wie viele Zufälle zusammen laufen mussten, dass wir jetzt hier stehen können. Es sieht gerade schwierig aus, ja vielleicht sogar unmöglich, aber willst du einfach aufgeben?" Er legt eine kurze Pause ein, aber ich kann nicht antworten.
„Also ich will das nicht und ich kann auch gar nicht. Denn ich liebe dich und für mich heißt das, alles für dich zu tun, sogar wenn ich dabei drauf gehe. Mir ist alles egal, solange ich nur dich an meiner Seite haben kann."

Die Liebe und der Feind (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt