- V E R G A N G E N H E I T -
Sirenen drangen wie durch Watte an ihr Ohr, sie hörte Schreie und aufgeregte Stimmen die Durcheinander redeten.
Sie konnte keines dieser Worte verstehen und schaffte es nicht die Augen zu öffnen.
Ihr Kopf pochte, ihr Herz raste.
Sie hörte wie jemand ihren Namen sagte, immer und immer wieder.
Die Stimme zog sie aus der Dunkelheit, holte sie an die Oberfläche, ließ sie wieder atmen.
Sie wollte antworten, doch sie konnte nicht.
Sie spürte wie jemand ihre Hand hielt, klammerte sich daran fest.
Die warme Berührung der Haut tat gut, sie versuchte sich darauf zu konzentrieren und die Augen zu öffnen.
Plötzlich flammte grelles Licht vor ihren Augen auf und sie spürte, wie jemand ihr eine Nadel in den Arm stach.
Dann sackte sie zurück in die Dunkelheit, die sie umarmte wie ein alter Freund.
Sie kam wieder an die Oberfläche, die Stimme ließ sie nicht in die Dunkelheit verschwinden.
Es war ruhig, sehr ruhig um sie herum. Langsam begann sie ein stetiges Piepen wahrzunehmen, das den ganzen Raum um sie herum auszufüllen schien.
Dann nahm sie die Stimme wahr, seine Stimme. Sie hätte sie überall, zu jeder Zeit erkannt.
„Bitte...", flüsterte er. „Wach auf..."
Emma versuchte ihr Augen zu öffnen, doch sie waren so schwer.
„Emma... ich brauche dich. Ich brauche dich so sehr, oh Gott es tut mir so leid... was ich gesagt und getan habe..."
Sie hörte ihn schluchzen, wünschte sich sie könnte ihm zeigen, dass sie da war, dass sie bei ihm war.
„Ich brauche dich, du musst aufwachen. Verdammt, Carla ist krank... ich muss zurück nach Hause. Aber ich kann nicht gehen, ohne zu wissen das du okay bist, Emma... Scheiße. Ich hab keine Ahnung was ich sagen soll. Ich war so ein Arsch. Janine hat mich angerufen. Carla ist krank und braucht Spenderblut. Das Krankenhaus hat ausgeschlossen, das der, mit dem sie mich betrogen hat, Carlas Vater ist. Verstehst du was das bedeuten könnte? Das könnte heißen, das ich doch ihr Vater bin. Und das würde bedeuten, dass ich eine Familie hätte... Wie hätte ich Dir das antun können, Emma? Oh Gott... Ich war so blind..."
Er seufzte und strich ihr sanft durchs Gesicht.
„Wir haben so wenig Zeit miteinander verbracht. Ich meine, wir kennen uns doch erst ein paar Wochen. Aber ich muss es dir jetzt sagen, bevor mich der Mut verlässt und vor allem bevor ich zurück fliege. Keine Ahnung ob du mich hören kannst, aber ich habe mich einfach in dich verliebt, Emma. Hörst du? Du musst aufwachen. Ich liebe dich...", flüsterte er so leise, das Emma nicht wusste ob er es gesagt hatte oder ob die Worte aus den Tiefen ihrer Gedanken kamen.
„Ich konnte dir das nicht antun... Deshalb hab ich dich weggedrängt, ich kann den Gedanken nicht ertragen dich zu verletzen. Und dann habe ich es doch getan. Aber du willst mich nicht mehr, wenn ich Vater bin..."
Er schluchzte und es dauerte einen Moment bis er sich wieder gefangen hatte.
„Ich hab dich schreien hören", sagte er dann. „Nico und ich, wir sind sofort runter gerannt und dann hab ich diesen Typ gesehen der dich festgehalten hat. Ich hab nicht nachgedacht, ich hab mich einfach auf ihn gestürzt. Und dann bist du mit dem Kopf auf den Boden gekracht. Ich dachte du wärst tot, da war so viel Blut und du hast dich nicht mehr bewegt und... Oh Gott, Emma, mach die Augen auf... Ich muss wissen, dass es dir gut geht. Die Ärzte haben gesagt das du wieder wirst, es war dein Herz, das war einfach zu viel für dich. Du hast so viel durch gemacht... Es tut mir so leid, dass ich nicht da war, als er kam..."
Sie öffnete die Augen.
Das grelle Licht blendete sie, nahm ihr die Sicht und sie brauchte einen Moment um sich daran zu gewöhnen.
Es schmerzte, als sie den Kopf drehte, aber sie musste ihn einfach ansehen.
Leandro saß rechts von ihr, zusammengesackt auf einem Stuhl und hatte die Stirn in seinen Händen vergraben.
Als sie sich drehte, begannen die Geräte um sie herum schneller zu piepen.
Sie erfasste schnell, dass sie auf der Intensivstation lag.
Sie drückte mit ihren Fingern zu, die Leandro in seiner Hand hielt.
Er hob den Kopf und Emma sah, dass er geweint hatte, doch nun verzog er den Mund zu einem Lächeln und atmete erleichtert aus.
„Emma."
Er sagte nur ihren Namen, doch sie konnte an seiner Stimme hören, wie erleichtert er war.
Er richtete sich auf und beugte sich über sie. Er küsste sanft ihre Stirn und strich ihr vorsichtig über die Wange.
„Gott sei Dank, bist du wieder da...", flüsterte er. „Ich hatte solche Angst. Ich dachte ich verliere dich."
„Du musst gehen..." Ihre Stimme klang fremd und schwach, nicht wie sie selbst.
Leandro brauchte einen Moment um zu verstehen, was sie gesagt hatte.
Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht.
„Was?", fragte er matt und sank zurück in den Stuhl.
„Du musst gehen..."
„Warum?"
Emma schloss die Augen. Sie fühlte sich erschöpft, so als wäre sie kilometerweit gerannt. Ihr Körper war schlaff und sie konnte sich nicht bewegen.
„Carla...", flüsterte sie. „Geh zu deiner Familie."
„Was ist mit dir?", fragte er leise.
„Der Sommer ist vorbei, oder?", antwortete Emma leise.
Leandro zuckte zusammen und ließ ihre Hand los.
„Was...?", fragte er erschrocken.
„Es war nur für den Sommer, das hast du selbst gesagt...", flüsterte sie. „Und jetzt geh... Carla braucht dich..."
Aus dem Augenwinkel sah Emma wie die Tür aufging und Louisas Kopf hereinschaute.
„Sie ist wach", informierte Leandro sie knapp und stand auf.
„Pass auf ihr Herz auf...", murmelte er, als Louisa das Zimmer betrat und zog diese in eine kurze Umarmung. Dann ging er und zog die Türe hinter sich zu.
Emma spürte wie die ersten Tränen sich den Weg bahnten und über ihre Wangen liefen.
Louisa setzte sich wortlos neben sie.
„Ich werde gleich den Schwestern Bescheid geben, dass du wach bist", sagte sie. „Aber vorher... Du bist meine beste Freundin. Ich liebe dich und das weißt du. Ich liebe dich wie eine Schwester. Ich bin fast verrückt geworden vor Sorge um dich. Bitte sag jetzt nichts. Ich werde nachher mit Leo und Matteo zurück nach Hause fliegen. Deine Mutter ist auf dem Weg hier her und Johanna und Nico werden sich um dich kümmern. Bitte ruf mich nicht an. Ich brauche ein paar Tage Zeit um zu verdauen, dass meine beste Freundin mit meinem Verlobten geschlafen hat. Oder eher, um zu verdauen, dass du nicht den Mut hattest es mir zu sagen und ich es von Martin erfahren habe, während die Polizei ihn festgenommen hat."
Louisa rannen Tränen über die Wangen, als sie aufhörte zu reden. „Ich liebe dich, Em."
Sie stand auf und ließ Emma alleine in dem Krankenzimmer auf der Intensivstation zurück, ehe diese noch ein Wort dazu sagen konnte.
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Summer Affair
RomanceIhr Studium läuft schlecht, im Nebenjob wird sie gekündigt. Emma kann kaum das Haus verlassen, ohne eine Panikattacke zu bekommen seit ihr bester Freund Ben vor einem Jahr an Krebs gestorben ist. Die Einzige, die ihr Halt gibt ist ihre beste Freund...