N E U N Z E H N

175 8 3
                                    

- V E R G A N G E N H E I T -

Als Emma die Augen aufschlug, blickte sie geradewegs in die besorgte Miene Louisas, die ihr mit einem feuchten Tuch die Stirn benetzte.

Sie lag in dem großen Himmelbett in ihrem Zimmer und neben ihr saß Louisa, dahinter standen Nicolás und Leandro, die sie mit ebenso besorgter Miene musterten wie ihre beste Freundin.

„Gott sei Dank, da bist du wieder", sagte diese erleichtert.

Verwirrt blinzelte Emma. „Was ist passiert...?"

„Du warst auf einmal weg", erklärte Nicolás ihr. 

„Du hattest eine Panikattacke", sagte Louisa mit sanfter Stimme. „Und dieses Mal wohl so schlimm, dass dein Körper das nicht ausgehalten hat. Nicolás sagte, du hast geschrien und bist dann zusammengesackt. Wir waren schon kurz davor einen Arzt zu holen, aber zum Glück bist du jetzt wieder aufgewacht."

„Es tut mir leid", flüsterte Emma mit zittriger Stimme. „Ich ruiniere euren ganzen Urlaub..."

„Du kannst nichts dafür", sagte Louisa.

„Jeden von uns würde es so gehen, wenn wir erlebt hätten, was dir passiert ist. Martin ist so ein Arsch... Wir sollten ihn eigentlich anzeigen. Du hast Nico, der kann alles bezeugen..."

„Ich kann das nicht..." Emma schossen Tränen in die Augen. „Ich kann nicht, Lou."

„Kann mich mal jemand aufklären?", fragte Leandro scharf.

Louisa und Nicolás sahen Emma fragend an.

Sie schloss die Augen. Wollte sie, dass Leandro wusste, was passiert war? War es nötig, dass er Bescheid wusste?

Sie stieß die Luft aus, die sie unbeabsichtigt angehalten hatte und nickte Nicolás auffordernd zu.

„Hanni und ich waren doch auf dieser Party eingeladen, erinnerst du dich, Leo? Am Abend bevor wir hergeflogen sind. Auf dem Geburtstag von jemandem, mit dem Hanni Abitur gemacht hat?"

Leandro kniff die Augen zusammen und nickte.

„Und da habe ich Emma und Louisa kennen gelernt."

„Ja, das hast du mir erzählt", sagte Leandro.

Nicolás nickte und fuhr fort: „Ja. Also, wir haben gefeiert und natürlich auch einiges getrunken und dann war Emma irgendwann verschwunden. Ich meine, wir haben uns dabei natürlich alle nichts gedacht, aber irgendwann war ich auf der Toilette im Obergeschoss, weil unten so lange besetzt war. Dann hörte ich plötzlich jemanden aus einem Zimmer schreien und hab gedacht, ich gucke mal lieber nach. Es hörte sich jedenfalls so an, als würde jemand Hilfe brauchen. Ja, und da lag Emma... halbnackt auf dem Bett und über ihr Martin, der sie..." Nicolás brach die Erzählung ab und holte tief Luft.

„Oh Gott...", murmelte Leo und sah schockiert zwischen seinem Bruder und Emma hin und her.

„Leo...", sagte Emma erschöpft und streckte schwach eine Hand zu ihm aus.

Sie wollte ihn beruhigen, ihm zeigen, dass es ihr gut ging.

Leo drängte sich vor seinen Bruder und nahm ihre Hand und hielt sie fest, während Nicolás weitersprach: „Ich konnte es gerade so noch verhindern, dass er sie vergewaltigt. Ich habe ihn von ihr runtergezogen und ich glaube, ich habe ihm die Nase gebrochen, jedenfalls lief er blutend aus dem Zimmer und Emma war... Ich habe ihr geholfen und sie nach Hause gebracht. Jetzt weißt du was passiert ist."

Leandro setzte sich neben Emma auf das Bett, als Louisa aufstand und strich ihr sanft über ihre tränennassen Wangen.

„Emma, wenn ich das gewusst hätte...", begann er.

Louisa bedeutete Nicolás mit ihr zu gehen.

„Wenn du was brauchst Emma, ich bin hier, okay? Ruf mich einfach.", sagte sie und Emma lächelte dankbar.

Dann gingen Nicolás und Louisa und Emma war mir Leandro allein.

„Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich nicht... Oh Gott, es tut mir so leid, ich hätte doch nicht versucht mit dir zu schlafen, doch nicht so..."

„Es tut mir so leid...", flüsterte sie. „Ich bin wohl einfach zu verkorkst. Ich wollte dich nicht erschrecken."

„Alles ist gut, du kannst nichts dafür...", sagte er leise.

„Doch, kann ich... Es ist alles meine Schuld."

„Sag das nicht. Du kannst nichts dafür, dass dieser Kerl dich vergewaltigen wollte!", rief Leandro wütend. „Er ist schuld, du warst betrunken, er hat das völlig ausgenutzt!"

Emma seufzte schwach und schloss die Augen. Sie zog Leandros Hand näher an ihr Gesicht heran und kuschelte sich gegen seinen Handrücken.

„Was für ein Schwein", sagte Leandro wütend. „Der kann froh sein, dass wir in Spanien sind, sonst würde ich ihm gerne noch einmal die Nase brechen! Es tut mir so leid, dass Dir das passiert ist. Ich hätte es wissen müssen, ich hätte doch nicht... Oh mein Gott, ich dachte wirklich du willst mit mir... und dabei muss das schrecklich für dich gewesen sein, wenn ich dich anfasse und..."

„Leo", sagte sie leise. „Es war alles okay. Ich... ich mag deine Berührungen. Du bist nicht er."

Leandro seufzte und zog seine Beine ebenfalls aufs Bett. Emma rutschte ein Stück zu Seite, sodass er sich neben sie legen konnte.

„Bleib bei mir, ja?", flüsterte sie leise.

„Bitte bleib bei mir, bis ich eingeschlafen bin. Ich kann jetzt nicht allein sein..."

Leandro nickte sanft und hielt ihre Hand, bis sie wieder eingeschlafen war.

♥ ♥ ♥

Leandro lag eng an sie gekuschelt in ihrem Bett, sein Gesicht in ihrer Halsgrube vergraben, seine Arme umschlangen ihren Körper und sein Atem kitzelte in ihrem Ohr.

Emma versuchte sich nicht zu bewegen, kuschelte sich jedoch ein wenig näher an ihn. Sein Körper war warm und sie spürte seine nackte Haut an ihrem Rücken.

Sie war überrascht, dass er die ganze Nacht bei ihr geblieben war. Eigentlich hätte sie gedacht, dass er sobald wie möglich die Flucht ergreifen würde. Was sollte er denn jetzt noch mit ihr, wo er alles, na ja, beinahe alles wusste?

Ihm musste klar geworden sein, dass er niemals mit Emma schlafen konnte, dass sie nicht für einen One-Night-Stand geeignet war und eine Beziehung wollte er nun ganz sicher nicht mit ihr. Sie konnte es verstehen. Es war sowieso eine blöde Idee gewesen, darüber nachzudenken mit ihm zu schlafen, schließlich bestand ihre einzige sexuelle Erfahrung aus einem Krebskranken, der mit ihrer besten Freundin verlobt gewesen war. Und Martin, doch Emma weigerte sich, dass das auf irgendeine Art und Weise zählen würde.

Emma versuchte sich vorsichtig Leandros Griff zu entwinden und weckte ihn dadurch unbeabsichtigt auf. Er öffnete verschlafen die Augen und blinzelte verwirrt, als er realisierte, dass er neben Emma in ihrem Bett lag.

„Guten Morgen...", murmelte er mit ungewöhnlich tiefer Stimme und kniff die Augen zusammen, um ein Gähnen zu unterdrücken.

„Guten Morgen...", antwortete sie. Langsam löste er seine Arme von ihrem Körper und Emma richtete sich auf, um aufzustehen.

Leandro hatte in der Nacht wohl sein T-Shirt ausgezogen, denn sein nackter Oberkörper schaute aus den Decken und Kissen heraus.

Er bemerkte ihren Blick und errötete. „Es war so warm und ich wollte dich nicht allein lassen..."

Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht und Emma beugte sich schnell vor und gab ihm einen kurzen Kuss.

„Danke, Leo", sagte sie und stand dann aus dem Bett auf.

„Ich gehe jetzt duschen.", teilte sie ihm mit und verschwand aus dem Zimmer, ehe er etwas sagen konnte.

Summer AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt