V I E R U N D V I E R Z I G

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- G E G E N W A R T -

„Schatz, du musst etwas essen."

Sarah, Emmas ältere Schwester, seufzte. „Du bist richtig dünn geworden."

Emma sah appetitlos auf die Nudeln mit Tomatensoße, die vor ihr auf dem Tisch standen und raufte sich durch die Haare.

„Danke, dass du gekocht hast, Sarah, aber ich habe wirklich keinen Hunger."

„Wenigstens einen Teller... ich kann das nicht mehr mit ansehen! Klar, du hast Schlimmes durchgemacht. Aber sieh es mal so - du bist hier, er hat dich nicht vergewaltigt, auch wenn er es zweimal versucht hat!"

„Sarah, bitte." Emmas Mutter, Sabine sah ihr älteste Tochter empört an. „Sie ist noch nicht so weit."

„Lasst mich doch einfach in Ruhe...", flüsterte Emma und spürte wie Tränen in ihre Augen stiegen.

Ihr war übel und sie spürte wie sich eine weitere Panikattacke anbahnte.

„Nein, Mama!", rief Sarah aufgebracht.

„Es reicht. Sie muss wieder zurück ins Leben kommen, wie lange soll das noch so gehen? Sie schläft nur noch und kommt überhaupt nicht mehr raus! Wir beide sind die einzigen Menschen mit denen sie seit Wochen gesprochen hat!"

„Sarah!"

„Nein, ihr wisst das ich Recht habe! Das geht so nicht weiter, Emma du kannst jetzt nicht nur an dich denken!"

Emma sprang vom Tisch aus und rannte ins Badezimmer, wo sie sich augenblicklich über der Toilette erbrach.

Kraftlos tasteten ihr Finger nach der Spülung, als sie glaubte das Schlimmste überstanden zu haben.

Jeder Muskel in ihrem Körper schmerzte, als sie langsam und mit zitternden Knien zum Waschbecken ging, den Wasserhahn aufdrehte und sich den Mund ausspülte.

Sie sank auf den kalten Boden des Badezimmers und ließ ihren Tränen freien Lauf.

Ganz leise klopfte es und als sie aufsah, sah sie ihre Mutter im Rahmen der Türe stehen.

„Es wird wieder besser, Schatz", sagte sie.

„In ein paar Wochen hast du es überstanden."

„Sag es nicht, Mama", schluchzte Emma und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.

„Wir werden darüber sprechen müssen...", antwortete Sabine und Emma konnte die Erschöpfung in ihrer Stimme hören.

Sie sollte ihrer Mutter wirklich dankbar sein, dachte sie. Sabine war nach Spanien gekommen, hatte sie aus dem Krankenhaus geholt und war seitdem jeden Tag zu Emma gekommen um ihrer Tochter zu helfen.

Doch sie fühlte sich ausgelaugt, kraftlos und erschöpft. Sie schaffte es morgens kaum aus dem Bett, blieb manchmal bis mittags liegen und ihre Gedanken kreisten stetig darum, was passiert war und daran, dass sie Louisa und Leandro verloren hatte.

Johanna und Nicolás waren in den ersten Tagen vorbeigekommen und auch Alicia hatte mehrmals angerufen, doch auch sie meldeten sich nicht mehr.

Emma wusste, dass es daran lag, dass sie ihnen irgendwann die Türe nicht mehr geöffnet hatte und auch die Anrufe ignoriert hatte.

Louisa hatte sich nicht mehr gemeldet und das traf Emma am meisten.

Sie brauchte ihre beste Freundin, gerade jetzt wünschte sie sich nichts mehr als mit ihr sprechen zu können.

Und Leandro... Sie schluchzte auf, als sein Gesicht in ihren Gedanken erschien.

„Emma..." Sabine seufzte und ließ sich neben ihrer Tochter auf dem Boden nieder. „Sieh mich an. Wir schaffen das schon irgendwie. Ich weiß, du fühlst dich alleine, aber wir sind da. Sarah und ich sind hier und wir werden dich unterstützen, so gut wie wir können."

Summer AffairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt