Zugang

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Ich biss auf meiner Lippe herum. Durch den vielen Alkohol war ich nicht so ängstlich wie sonst, aber trotzdem hatte ich noch genug Angst, um den Zugang abzulehnen. Alex sah mich fragend an und ich schüttelte den Kopf. "Vertrau mir doch..." seufzte Alex und ich reagierte nicht darauf. Der Vodka machte mich müde und ich schloss die Augen. Ich merkte wie Alex sich neben mich setzte, nach meiner Hand griff und eine kühle Flüssigkeit draufspritzte. Dann stach mich plötzlich etwas in den Handrücken. Ich riss die Augen auf und schoss hoch, sodass ich auf der Liege saß. Alex hatte seine Hand auf meiner Brust und versuchte leicht, mich wieder hinzulegen. "Schau, das wars und jetzt kann ich dir besser helfen. Das hast du wirklich gut gemacht." Als ich die Nadel in meiner Hand sah, bekam ich wieder einen Schweißausbruch und ich zitterte stark. "Schau mich an Sid. Na komm, Augen auf mich." Er verdeckte mit seiner Hand meinen Blick auf den Zugang und langsam sah ich ihn an. "Gut so." lächelte er und fuhr fort: "Willst du dich nicht hinlegen?" Er verstärkte den Druck auf meiner Brust und ich legte mich hin. Dann wurde mir aber schlecht und Alex hielt mir eine Tüte hin, in die ich mich übergab. Dann ließ ich mich zurückplumsen und meinte: "Ich hätte das nicht tun sollen..." "Da bin ich ganz deiner Meinung... Aber ich kann dich verstehen. Es ist gerade sehr hart für dich. Sehr, sehr hart. Aber auch wenn du denkst dass es dir hilft, wenn du dir die Birne wegballerst, ich kann dir sagen, dass es garantiert nicht hilft. Wie viel und was hast du getrunken?" Ich ignorierte die Frage und Alex kniff mir an den Arm und sagte: "Sid? Hey?" Zögerlich antwortete ich: "Vodka..." "Okay, wie viel?" "Ne Flasche." Alex schüttelte den Kopf und meinte dann: "Wir fahren jetzt auf jeden Fall los ins Krankenhaus. Wir reden wenn du wieder fit bist, damit es auch was bringt. Schlaf dich einfach aus." Ich tat das dann auch und ich glaube, dass Alex mir irgendein Medikament gegeben hat, da ich sehr schnell einschlief und ich auch keine Angst mehr hatte.

Als ich wieder aufwachte, war Leo bei mir. Mein Kopf hämmerte wie verrückt und ich seufzte. "Na, wie geht es dir nach deinem Totalabschuss?" fragte Leo mich und ich krächzte: "Kopfweh..." "Ja, das kann ich mir denken." lachte er und fuhr fort: "Ich sag mal Alex dass du wach bist. Der wollte noch mit dir reden." "Ich will aber nicht." "Das hat nichts mit wollen zu tun. Ich hole ihn schnell, warte." Er verließ das Zimmer und ich dachte nicht mal daran, zu warten. Ich stieg aus dem Bett und lief Richtung Türe. An der Tür horchte ich ob wer davor stand und ging dann raus auf den Flur. Ich ging einen Gang entlang und folgte den Schildern, die 'Exit' anzeigten. Doch kurze Zeit später hörte ich ein Räuspern hinter mir und spürte eine Hand an meinem Oberarm. "Wohin geht's denn?" Ich drehte mich um und sah Alex an. Dann schlug ich seine Hand weg und ging ein paar Schritte zurück. Alex sah mir tief in die Augen und wartete wohl auf eine Antwort. "Ich... Ich... Ich kann nicht hier bleiben. Ich muss hier raus! Ich krieg die Kriese!" erklärte ich ihm panisch und halb schreiend. Alex nickte verständnissvoll: "Ich weiß, ich weiß. Ich will aber mit dir reden. Wollen wir draußen reden?" Ich zitterte und schüttelte den Kopf: "Ich will weg hier!" "Hast du immer noch Angst vor mir?" Ich sah ihn an und atmete schneller. Alex versuchte mich zu beruhigen: "Ich tu dir nichts. Ich will nur reden. Ich fasse dich nicht an, ich mache garnichts, okay? Aber du musst dich jetzt beruhigen. Langsam atmen. Ganz ruhig." Ich bekam mich wieder in den Griff und Alex sagte: "Ich muss dir noch den Zugang entfernen." und griff nach meiner Hand. Ich wich aus. Erst jetzt fiel mir der Zugang in meinem Handrücken auf. Ich nahm ich und riss ihn mit einem Ruck raus. Die Stelle fing an zu bluten und Alex holte eine Kompresse aus einem Verbandswagen, der neben ihm stand. Er hielt sie mir hin und sagte: "Drück das drauf, sonst mach ich's." Zögernd nahm ich es und drückte es auf die kleine Wunde. Dann meinte Alex: "Gut so, na komm mir, gehen wir reden." Er ging voran und vertraute mir einfach, dass ich mitkam. Tatsächlich ging ich ihm langsam hinterher. Wir gingen vor das Krankenhaus und Alex setzte sich dort auf eine Bank. Ich stellte mich daneben. Alex klopfte mit seiner Hand neben sich auf die Bank und sah mich erwartungsvoll an. Zögernd setzte ich mich hin und Alex lächelte. Meine Hände zitterten und so ballte ich sie zu Fäusten. "Ich sitze gerne hier, hier ist es schön ruhig." begann Alex, ich erwiderte nichts. "Hir kann man gut nachdenken." fuhr er fort. Ich sagte wieder nichts. Nach einiger Zeit sah mich Alex an und fragte dann: "Meinst du dass ritzen hilft, wenn es einem nicht gut geht?" Mein Blick ging auf ihn und ich starrte ihn an. Dann sah ich wieder weg und begann, mit dem Fuß ein Loch in den Boden zu Bohren. "Das Thema magst du nicht, hm? Kann ich schon verstehen, aber du musst drüber reden. Sich selbstzuverletzen, oder Suizid begehen, das ist absolut keine Lösung. Und sich mit Alkohol wegballern auch nicht. Ich kann mir vorstellen, wie schlimm es sein muss, wenn plötzlich die Familie tot ist, aber man kann lernen damit umzugehen. Ich helfe dir dabei, okay? Auch Herr Becker hilft dir. Aber mach bitte keinen Schwachsinn mehr."

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