Ich war total frustriert und wütend auf mein Leben. Gendankenverloren ging ich im Zimmer auf und ab und schließlich brannten meine Sicherungen durch. Ich rief: "Fuck!" und schlug mit der Faust gegen die Wand. Dann nochmal. Und nochmal. Ich heulte und schrie die ganze Zeit: "Scheiße! Fuuuck!" Nach kurzer Zeit kam Cem hereingestürmt und zog mich von der Wand weg. Ich versuchte mich zu wehren, aber Cem hielt mich fest. "Ganz ruhig. Schhhh. Beruhige dich. Komm schon." meinte er leise, während mir Tränen aus den Augen kullerten. Cem brachte mich zu meinem Bett und setzte sich neben mich. Er umarmte mich so lange, bis ich mich einigermaßen beruhigt hatte. Dann nahm er wortlos meine Hand und sah sie sich an. Meine Fäuste waren dick angeschwollen, blau und an einigen Stellen aufgeschlagen. Leise meinte Cem: "Gehen wir mal runter und kühlen es. Na komm." Er griff mir unter den Arm und führte mich nach unten, wo er mich auf die Couch legte und einen Kühlbeutel holte. Dann setzte er sich, legte meinen Kopf auf seinen Schoß und hielt den Kühlbeutel vorsichtig auf meine Hand. Seine freie Hand legte er mir beruhigend auf meinen Kopf und er sagte: "Es wird alles gut, okay? Es wird alles gut." Durch den ganzen Stress schlief ich nach wenigen Minuten ein.
Als ich wieder wach wurde, lag ich immernoch bei Cem. Er lächelte mich an und fragte: "Alles okay?" Ich nickte und rappelte mich langsam auf. Cem meinte besorgt: "Alex ist wieder da. Der soll sich mal deine Hand anschauen. In Ordnung?" Sofort war ich wieder angespannt und schüttelte den Kopf. "Aber schau mal wie blau und dick das ist. Das muss sich auf jeden Fall wer anschauen. Ich kenn mich doch da nicht so gut aus... Ich hole ihn mal." Er stand auf und kam wenige Zeit später mit Alex zurück, der meinte: "Sid, was ist los?" Ich rutschte nervös auf der Couch herum und Alex sah mich durchdringend an. "Hm? Was ist denn mit deiner Hand passiert?" fragte er vorsichtig und ging in die Knie. "Das ist egal... Mir gehts gut." meinte ich leise und den Tränen nahe. "Davon würde ich mir gerne mein eigenes Bild machen. Weil so machst du gerade nicht den Eindruck als würde es dir gut gehen. Darf ich?" fragte er, während er langsam aufstand und sich neben mich setzte. Ich fing sofort an zu zittern und zu schwitzen. Alex nahm meine Hand und beobachtete mich dabei genau. "Ganz ruhig. Was ist denn los? Was ist passiert?" versuchte er es nochmal. Ich gab ihm keine Antwort. Er begann, meine Hand abzutasten, was ziemlich weh tat, und ich zuckte zusammen. Alex ließ meine Hand los und meinte: "Ich denke nicht, dass etwas gebrochen ist. Nur gut geprellt. Das wird jetzt ein paar Tage weh tun, aber das wird wieder. Ich mach dir nen Salbenverband rum, ja?" Ich nickte leicht und so tat Alex das Gesagte. Danach meinte er: "Ich bin nicht dein Psychologe, aber mich würde es schon interessieren, warum du gegen die Wand geschlagen hast. Das hast du doch, oder?" Ich nickte, gab ihm aber zu verstehen, dass ich darüber nicht sprechen wollte. "Du hast eh in ner halben Stunde nen Termin bei Mirko. Das wird dir bestimmt gut tun." Ich seufzte und sagte leise: "Ich will nicht hin." Nun meldete sich Cem wieder zu Wort: "Wissen wir und verstehen wir. Aber es ist wichtig für dich." "Ich geh nicht hin." sagte ich nun etwas lauter und stand auf. "Sid... Bitte." meinte Cem, doch ich schüttelte den Kopf. Langsam bewegte ich mich rückwärts Richtung Küche und ließ Cem und Alex nicht aus den Augen. "Ich kann das nicht." flüsterte ich und Cem fragte: "Was? Ich hab dich nicht verstanden." Ich fing an zu weinen und Cem wollte mich in den Arm nehmen, doch ich schrie ihn an: "Fass mich nicht an!" Ich war nun in der Küche angelangt und mein Blick blieb auf dem Messerblock hängen. Cem folgte meinem Blick und wollte sich auf mich hechten, doch ich war schneller und riss ein Messer raus. Ich hielt es mir zitternd und weinend mit der Spitze an meine Brust. "Sid, hör mir zu! Tu das nicht. Es war doch alles okay! Warum willst du das tun?" Ich schüttelte den Kopf und blendete die zwei Männer aus. Ich starrte auf den Boden und versuchte meine Gedanken zu ordenen, während Alex und Cem versuchten, meine Aufmerksamkeit zu bekommen. "Scheiße Sid! Bitte! Rede mit mir!" flehte Cem, "Tu mir das nicht an!" Ich hob meinen Blick und sah ihn ausdruckslos an: "Ich kann einfach nicht mehr." "Ich weiß das! Deswegen bekommst du bereits hilfe! Du bist noch ganz am Anfang! Vor dir liegen noch so viele Sachen! Schmeiß dein Leben nicht weg!" Alex warf den entscheidenden Satz ein: "Meinst du es würde deine Familie wieder lebendig machen wenn du dich umbringst?" Ich starrte ihn an. "Glaubst du deine Familie würde es toll finden, wenn du dich für sie umbringst, anstatt dass du noch die Sachen erlebst, die sie nicht erleben konnten? Wirklich?" Er war alles andere als behutsam, aber in meinem Kopf begann es zu rattern. "Mensch, leg das scheiß Messer weg und mach das Beste aus deinem Leben!" Ich weinte: "Ich will doch einfach nur zu ihnen..." "Klar! Natürlich, aber jetzt mal ernsthaft, glaubst du echt dass man sich im Himmel wiedertrifft? Woher willst du das wissen? Irgendwann stirbst du eh mal, und sollte da oben echt irgendwo deine Familie sein, triffst du sie dann wieder. Aber jetzt ist noch nicht der Zeitpunkt dafür. Wenn du das jetzt durchziehst, hast du verloren. Sei ein Gewinner, Sid! Es liegt bei dir." Tränen liefen mir wie Flüsse aus den Augen. Ich haderte stark mit mir. Dann ließ ich langsam meine Hand mit dem Messer sinken und sank zu Boden. Cem ging auf mich zu, entnahm mir das Messer, reichte es am Alex weiter und nahm mich dann fest in den Arm. Ich hörte, wie er mehrere male tief durchatmete und versuchte, seine Fassung nicht zu verlieren. "Mach das nichtmehr." flüsterte er und ich meinte: "Es tut mir leid."
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Nichts wie vorher
FanfictionDer 15-jährige Sidney, genannt Sid, ist ein echter Musterschüler. Nur gute Noten, immer höflich, freundlich und auch Zuhause ist das nicht anders. Doch als seine Familie bei einem Unfall ums Leben kommt, ändert sich alles schlagartig. Er fällt psych...