Nichts wie vorher

Entlassung

In den nächsten Stunden kam noch die Polizei vorbei und wollte Informationen, die ich ihnen aber nicht gab. Cem und die ganze WG war auch hier. Im laufe des Tages wurde ich wieder wacher und ich hatte wieder die ganze Zeit Angst. Deswegen gab mir Phil was zur beruhigung und ich war wie auf Drogen.

So liefen die nächsten zwei Wochen ab. Es gab in der Früh Frühstück, dann schaute ich meist Fern bis die Visite kam, danach gab es Mittagessen, dann Physio- und Psychotherapie, im Anschluss kam immer wer aus der WG bis es Abendessen gab und dann ging ich gleich schlafen. Und das ständig auf Beruhigungsmittel. Ich war wie in einer Blase gefangen. Ich spielte bei allem mit, mir war alles egal.

Nun war endlich der Entlassungstag gekommen. Gestern bekam ich den Gips und das Stifneck ab. Die Ärzte sagten dass ich wieder komplett fit bin. Cem holte mich in der Früh ab. Er beredete noch etwas mit den Ärzten und nahm mich dann mit nach Hause. Ich fühlte mich komisch. Es war der erste Tag seit dem Kampf, an dem ich wieder klar denken konnte und nicht auf Drogen war. Zuhause legte ich mich auf die Couch und wollte schlafen, doch Alex kam zu mir. Sofort schoss ich hoch und sah ihn panisch an. Alex checkte sofort was los war und ging in die Knie. "Alles gut Sid. Ich wollte nur nach dir sehen. Die Angst ist wieder schlimmer geworden, hm? Ich geh wieder, ruh dich aus." Er ging wieder und ich legte mich mit rasendem Herzen zurück auf die Couch. Ich konnte nicht mehr einschlafen und so ging ich in mein Zimmer, zog mir Sportklamotten an und ging in den Fitnessraum. Ich wollte besser für die nächsten Kämpfe vorbereitet sein, damit ich dem Arschloch von letztem mal zeigen kann, wo der Hammer hängt. Ich wärmte mich auf und trainierte dann am Boxsack. Ich merkte dass ich komplett außer Form war und es tat mir noch alles weh. Eigendlich musste ich mich noch drei Wochen schonen, aber pf. Ich prügelte in den Boxsack, doch nach kurzer Zeit wurde die Tür aufgerissen. "Bist du verrückt?" rief Alex, doch ich ignorierte das. Ich war wütend auf mich, auf den Typen, auf die ganze Situation zurzeit. Alex packte mich und zerrte mich weg. Ich schlug um mich, doch er hatte mich fest im Griff, da ich eben noch ultra geschwächt war. "Sid! Ganz ruhig!" "Ah lass mich aus!" "Ganz ruhig!" "Fick dich! Lass mich! Fucking Arschloch!" Alex zerrte mich aus dem Fitnessraum. Durch das Geschrei kam Cem die Kellertreppe runtergestürmt und sagte mit lauter Stimme: "Hey! Was ist denn los hier?" Ich wehrte mich immernoch gegen Alex, schrie und beschimpfte ihn. Cem half Alex und Alex sagte: "Ich hab ihn beim Boxen erwischt. Mit seinen Verletzungen ist das mega gefährlich. Und dann ist er ausgetickt." Cem übernahm mich komplett und brachte mich zu Boden. Er kniete auf mir und meinte ruhig: "Alles gut Sid. Alles gut. Beruhige dich. Schhh." Nach ein paar Minuten wurde ich ruhiger, da mir die Kraft ausging. Ich zitterte vor Aufregung am ganzen Körper und schnaubte vor mich hin. "Was ist denn los Sid, hm?" fragte Cem und ich ging wieder auf: "Der Pisser lässt mich nicht trainieren! Scheiß Wixer! Hau ab! Verpiss dich!" "Ehy! Ganz ruhig! Schrei nicht so herum!" wieß mich Cem zurecht und Alex meinte: "Ich lass euch mal alleine, du kommst ohne mich besser zu ihm durch." Er ging nach oben und Cem ließ mich aus. "Setz dich mal da hin." befahl er und zeigte an die Wand, an die ich mich dann setzte. Er ließ sich an der Wand gegenüber heruntergleiten. Ich zog die Beine an und legte meinen Kopf auf die Knie, da mir Tränen in die Augen schossen. "Hey, schau mich an." sagte Cem und ich sah langsam hoch. "Was ist denn los?" fragte er und ich zuckte mit den Schultern. "Wir sind doch alle für dich da. Wenn du ein Problem hast dann kannst du immer mit uns reden." "Ich war einfach nur wütend, okay?" "Auf was denn?" "Ist egal!" "Sid, das ist es nicht. Ich kann mir aber denken was gerade das Problem war." "Aha..." "Dir fällt die Decke auf den Kopf, warst eh schon schlecht drauf, willst dich am Boxsack auslassen und dann kommt zu allem überfluss auch noch Alex und lässt dich nicht, so wars doch, oder?" "Du hast doch keine Ahnung!" "Mehr als du denkst. Aber weißt du was? Ich kann dich verstehen. Ich kann verstehen dass man da mal ausrastet, okay? Aber die scheiß Zeit geht auch wieder vorbei. Schau mal nach vorne." "Mh-hm." "Gut. Und jetzt gehen wir zum Mc, hast du Bock? Frust-essen." Er lächelte mich sanft an und ich lächelte leicht zurück. Dann nickte ich.