Christie's

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Zwei Wochen nach meinem Gespräch bei Scotland Yard stand ich vor dem Gebäude von Christie's und betrachtete die Fassade. Das Haus gehörte zu den älteren Bauwerken in London und passte zu dem renommierten Auktionshaus wie die Faust aufs Auge.

„Kann ich Ihnen helfen?", sprach mich ein junger Mann an, der gerade zum Eingang des Gebäudes unterwegs war.

„Oh, ich bin hier, um mit Mr. Brooks zu sprechen", erwiderte ich lächelnd und musterte den Mann. Er sah gut aus, musste ich zugeben. Seine blonden Haare sahen aus, als wäre er gerade mit den Händen durchgefahren, ein leichter Dreitagebart unterstrich seine Gesichtszüge und warme braune Augen musterten mich neugierig.

„Dann kommen Sie rein", erwiderte der Mann und hielt mir galant die Tür auf. „Mr. Route hatte Sie schon angekündigt. Miss Walker, richtig?"

„Watson", korrigierte ich ihn. „Aber bitte nennen Sie mich Breanna."

„William Dashwood", stellte sich der Mann vor. „Aber die meisten nennen mich einfach nur Will."

„Als was arbeiten Sie hier, wenn ich fragen darf?"

„Ich bin einer der Historiker. Sollten Sie also die Stelle bekommen müssen Sie mich jeden Tag ertragen."

„Keine Sorge, ich bin abgehärtet", lachte ich und dachte an Sherlock.

Mein Mitbewohner brachte John und mich inzwischen täglich an den Rand der Verzweiflung. Die Küche verwandelte sich immer mehr in ein Labor und erst gestern hatte ich feststellen müssen, dass im Kühlschrank und in der Mikrowelle wieder Leichenteile lagen. Außerdem führte sich Sherlock immer mehr wie ein Kind auf und gab unqualifizierte Kommentare zu beinah jedem Satz von John und mir ab. Sehr zu meinem Bedauern hatte er seine Geige nicht mehr zur Hand genommen.

William sah mich erneut neugierig an, als ein Mann am anderen Ende des Ganges auftauchte. „Ah, Mr. Dashwood. Sie haben also Miss Watson schon getroffen", begrüßte der Mann uns und lächelte.

Mr. Brooks war Mitte fünfzig und ein wenig korpulent. Er trug einen eleganten Dreiteiler, wirkte aber keineswegs steif und hatte eine Glatze. Wohlwollend sah er mich an, während wir uns die Hand gaben.

„Miss Watson, ich freue mich Sie in unserem Haus begrüßen zu dürfen. Mr. Route hat wahre Loblieder auf sie gesungen."

„Vielen Dank für die freundliche Einladung, Mr. Brooks", erwiderte ich strahlend.

„Nun, nachdem ich bereits Ihre Vita gelesen habe und Mr. Route mir so von Ihnen vorgeschwärmt hat, würde ich sagen Sie überzeugen mich am besten mit ihrer Arbeit von sich", lächelte der Direktor. „Ich würde vorschlagen, dass Sie eine Woche lang ein Praktikum hier absolvieren und wenn ich am Ende zufrieden mit Ihnen bin, dürfen Sie direkt einsteigen."

„Meinen Sie das Ernst?", fragte ich überrascht und sah zu William, der nach wie vor neben mir stand und grinste.

„Natürlich, Miss Watson", lachte Mr. Brooks. „Und Ihr erster Tag ist heute. Mr. Dashwood wird Ihnen alles zeigen und Sie einarbeiten."

Damit wandte der Direktor sich ab und lief an uns vorbei zur Treppe. Ein wenig perplex sah ich ihn hinterher.

„Ist der immer so?", fragte ich Will, sobald wir wieder allein waren.

„Mr. Brooks? Ja, das ist seine Art", bestätigte der junge Historiker mir und führte mich durch die dunklen Gänge des Auktionshauses. „Er ist unglaublich herzlich und wenn er von etwas sehr angetan ist, dann gibt er sein Bestes. Natürlich erwartet er dementsprechend auch perfekte Arbeit von uns, aber selbst, wenn wir seinen Vorstellungen mal nicht gerecht werden, ist er immer sehr freundlich."

Ich will keine perfekte Liebe, ich will deine!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt