Schlaflos

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Obwohl ich mich auf mein Bett gefreut hatte, wollte mein Geist keine Ruhe finden. Zwei Stunden lang wälzte ich mich herum, bevor ich schließlich aufstand, mir eine lange Hose und eine Strickjacke überzog und hinaus auf den Gang trat. Leise schlich ich ins Erdgeschoss und raus auf den Hof, wo ich mich auf eine Bank setzte. Seufzend lehnte ich meinen Kopf an die Hauswand in meinem Rücken und schloss die Augen.

Meine Gedanken wollten einfach nicht verstummen und mal wieder drehten sie sich um Sherlock. Ich konnte mir sein seltsames Verhalten noch nie wirklich erklären, aber in den letzten Wochen und Monaten war es noch undurchsichtiger geworden. Warum beobachtete Sherlock mich seit Wochen so genau, ohne jedoch einen ersichtlichen Grund zu nennen? Warum passte er auf mich auf? Warum beschützte er mich, wenn er doch sagte, dass mein Bruder sein einziger Freund war. Was sah er in mir?

Eine Tür schlug zu und ich hörte Schritte näherkommen. Ich brauchte die Augen nicht zu öffnen, um zu wissen, wer sich da zu mir gesellte. Inzwischen konnte ich seine Anwesenheit fast körperlich spüren.

Blinzelnd öffnete ich die Augen und sah zu Sherlock auf, der mich wieder einmal deduzierte. „Sie sind noch wach."

„Ihre Deduktionen waren auch schon mal beeindruckender", stellte ich fest.

Nachdenklich legte Sherlock den Kopf schief und setzte sich dann neben mich auf die Bank. „Sie hatten keinen Albtraum, also geht Ihnen etwas durch den Kopf."

„Das sollte keine Herausforderung sein, Sherlock", murmelte ich. „Warum sind Sie wach?"

„Ich brauche nicht so viel schlaf wie andere. Sie wohnen seit einem Jahr in der Baker Street, inzwischen sollten Sie das wissen."

„Richtig, wie konnte ich das nur vergessen?"

Sherlock sah mich von der Seite konzentriert an, doch ich erwiderte seinen Blick nicht.

„Was ist mit Ihnen los?"

„Keine Idee?"

„So wie Sie reagieren könnte man meinen, dass sie auf mich sauer sind. Aber ich wüsste nicht was ich getan habe."

„John hat mir von Ihrem Streit erzählt", erklärte ich. „Und wie Sie sich bei ihm entschuldigt haben."

Langsam drehte ich mich zu Sherlock, der plötzlich ziemlich angespannt wirkte. „Ich verstehe."

„Tatsächlich?", hakte ich nach. „Das kann ich mir kaum vorstellen."

„Sie sind sauer, weil ich gesagt habe, dass John mein einziger Freund ist."

Überrascht sah ich meinen Mitbewohner an und fragte mich, wann dieser angefangen hatte, Gefühle richtig einzuschätzen.

„Breanna, das alles ..."

„Jetzt sagen Sie nicht, dass es ein Missverständnis sei oder Sie es nicht so gemeint haben", unterbrach ich Sherlock sofort. „Das kaufe ich Ihnen nicht ab."

„Das wollte ich gar nicht sagen", erwiderte Sherlock ruhig. „Ich sage grundsätzlich nur das, was ich wirklich meine."

„Danke fürs Gespräch", meinte ich kopfschüttelnd und stand auf. „Wir sehen uns morgen früh."

Doch bevor ich auch nur einen Schritt machen konnte, hatte Sherlock blitzschnell mein Handgelenk gepackt und war aufgestanden. Mit einem leisen Seufzen sah ich zu dem Detektiv auf und hielt überrascht die Luft an, als ich die Anspannung in seinen Augen sah.

„John ist mein einziger Freund, Breanna, weil ich das zwischen uns nicht als Freundschaft ansehen würde."

„Als was dann?", fragte ich verwirrt. „Warum spielen Sie mit mir?"

Ich will keine perfekte Liebe, ich will deine!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt