Hangzhou

4.9K 197 27
                                    

Eine Stunde später war ich mit John in Londons Straßen unterwegs und versuchte anhand von Lukis Kalender seinen Tag zu rekonstruieren. Während wir, meiner Meinung nach, ziemlich ziellos umherliefen, versuchte ich John noch einmal über das Vorstellungsgespräch auszuquetschen, aber viel erzählen wollte er mir nicht. Stattdessen fragte er nach meinem ersten Tag im Museum, doch ich blieb ebenfalls kurz angebunden.

„War ganz interessant, aber bisher habe ich eigentlich nur das Archiv gesehen", erzählte ich, während John erneut durch Lukis Kalender blätterte. „Die Direktorin ist mir ein wenig unsympathisch, weswegen ich noch nicht sicher bin, ob ich da wirklich arbeiten will. Ich muss schauen was die nächsten Tage bringen."

Plötzlich stoppte ich John, der nach wie vor mit dem Kalender beschäftigt war.

„Blätter nochmal eine Seite zurück", bat ich meinen Bruder, weil mir etwas aufgefallen war.

John runzelte kurz die Stirn und blätterte zu der Woche vor Lukis Tod.

„Er war in China, kurz bevor er ermordet wurde. Und?", fragte John verwirrt. „Vermutlich hat er dort Urlaub gemacht oder für einen Artikel recherchiert."

„Kann sein, aber darum geht es mir nicht", erwiderte ich und nahm meinem Bruder das Buch aus der Hand. „Diese Abkürzung hier hat er nach jeder seiner Reisen ein oder zwei Tage später eingetragen."

„Du hast Recht", stellte John fest. „Was auch immer das für Termine sind, er hatte auch einen am Tag bevor er ermordet wurde. Fragt sich nur wofür steht CT?"

„Vielleicht die Abkürzung für einen Namen?", überlegte ich. „Schauen wir doch mal, ob er im Adressenregister etwas aufgeschrieben hat."

Ich blätterte zum hinteren Teil des Kalenders, doch unter dem Register ‚C' war kein Eintrag. Wahllos blätterte ich ein wenig vor und zurück, ehe ich bei einer Adresse hängen blieb.

„Ich glaube wir haben einen Volltreffer, Breanna", grinste John. „CT steht für China Town."

~~~

Es dauerte eine Weile, bis wir im richtigen Stadtteil waren, doch kaum trennten uns nur noch wenige Meter vom Ziel rannte Sherlock in uns hinein. Wortwörtlich.

„,Eddi Van Coon hat an jenem Tag ein Paket hierhergebracht, mit dem Gegenstand aus seinem Koffer'", erklärte Sherlock sofort, ohne uns groß gewahr zu werden. Sein Blick war leicht abwesend. „,Es ist mir gelungen den Ablauf zu rekonstruieren anhand einzelner Informationen, Kreditkartenbelege, Quittungen. Er flog aus China zurück und kam hierher. Irgendwo hier in dieser Gegend, ich weiß nicht genau wo...'"

„,Da hinten rein'", konnte John ihn endlich bremsen und seine Aufmerksamkeit erwecken. „,In diese Straße müssen wir.'"

„,Woher wissen Sie das?'", fragte Sherlock irritiert und ich verdrehte die Augen.

„Dazu muss man kein geniales Superhirn sein", antwortete ich grinsend. „Lukis war auch hier und hat die Adresse in seinem Kalender aufgeschrieben."

Zusammen mit John lief ich auf die andere Straßenseite, während Sherlock noch einen Moment stehen blieb. Dass wir eine Information vor ihm hatten, schien ihn ein wenig aus der Bahn zu werfen. Bis wir China Town erreicht hatten, war er jedoch wieder bei uns.

Wir hatten die asiatisch angehauchte Straße kaum betreten, als sich in mir das Gefühl breit machte am richtigen Ort zu sein. Erneut versuchte ich mich daran zu erinnern warum mir die Chiffre so bekannt vorgekommen war. Kurz bevor wir die Adresse aus Lukis Kalender erreichten, blieb ich stehen und sah zu den Straßenhändlern vor den Gebäuden.

Ich will keine perfekte Liebe, ich will deine!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt