Zwei Jahre zuvor

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Sherlock

Als ich durch die Tür aufs Dach trat, hörte ich bereits den Refrain von Staying Alive. Moriarty saß auf der Brüstung des Daches und hielt sein Handy hoch.

„,Da wären wir also'", begrüßte er mich. „,Wir beide und unser Problem. Das letzte Problem. Am Leben bleiben. Es ist so langweilig, oder?'"

Ich lief langsam auf dem Dach umher, während Moriarty seinen Monolog fortführte. Ich versuchte Ruhe zu bewahren und die Situation bis ins kleinste Detail zu analysieren. Ansonsten würde dieser Tag böse enden.

„,Ich habe mein Leben lang immer nur eins gesucht. Ablenkung. Und jetzt habe ich nicht einmal mehr Sie, weil ich Sie besiegt habe. Und wissen Sie was? Am Ende war es leicht. Jetzt muss ich wieder anfangen mit gewöhnlichen Menschen zu spielen und wie sich herausgestellt hat sind Sie auch nur ein gewöhnlicher Mensch. Ach ja'", seufzte Moriarty und erhob sich. „,Zweifelten Sie schon daran, dass ich existiere? Hatte ich Sie so weit?'"

„,Richard Brook'", erwiderte ich ruhig.

„,Niemand scheint den Witz zu verstehen'", grinste Moriarty, während er mich lauernd umkreiste. „,Aber Sie schon?'"

„,Natürlich. Rich Brook, übersetzt Reichenbach. Das war der Fall, den ich mit Breanna zusammen gelöst habe und der mich berühmt gemacht hat'", erklärte ich und trommelte hinter meinem Rücken mit meinen Fingern auf meine zur Faust geballten Hand.

„,Gut. Das haben Sie also auch gelöst'", lachte Moriarty, dem die Bewegung nicht entgangen war.

„,Binärzahlen als Schläge. Jeder Schlag ist eine Eins, jede Pause eine Null'", antwortete ich. Mir war die Idee gekommen, als John in seiner Nervosität auf dem Labortisch getrommelt hatte. Bei unserem Teekränzchen mit Moriarty hatte das kriminelle Superhirn diesen Rhythmus getrommelt. „,Ein Binärer-Code. Deswegen haben die Killer versucht mein Leben zu retten. Versteckt in mir, in meinem Kopf sind ein paar Zeilen Computercode als Universalschlüssel für jedes System.'"

„,Ich habe es all meinen Kunden gesagt. Wer als letztes bei Sherlock ist, ist ein Weichei.'"

„,Aber jetzt, wo ich den Code habe, kann ich ihn dafür verwenden die Daten erneut zu ändern. Ich kann Rich Brook töten und Jim Moriarty zurückbringen'", triumphierte ich.

„,Nein, nein. Das ist zu einfach'", stöhnte Moriarty. „,Es gibt keinen Schlüssel, DUMMKOPF!!!'"

Ich bemühte mich mein Pokerface aufrecht zu erhalten. Genau das war der Knackpunkt in meinem Plan. Ab jetzt würde ich einen Drahtseilakt begehen müssen. Auf keinen Fall durfte Moriarty bemerken, dass ich bereits wusste, dass der Schlüssel nur ein Theaterstück gewesen war.

Anfangs hatte ich die Möglichkeit noch in Betracht gezogen, dass Moriarty tatsächlich einen Code für seine Zwecke entwickelt hatte. Doch nach dem Gerichtsurteil, als der Consulting Criminal in der Baker Street aufgetaucht war, hatte ich die Wahrheit erkannt. Als Breanna völlig ungläubig gemeint hatte, dass ein solcher Schlüssel unmöglich existieren konnte, hatte Moriarty sie zwar naiv genannt, doch kurz davor hatte etwas in seinen Augen aufgeblitzt. Mir war es aufgefallen und mir war bewusst geworden, dass Breanna unwissend über die Wahrheit gestolpert war.

„,Sollen wir das Spiel zu Ende bringen?'", fragte Moriarty ungeduldig und schritt zum Rand des Daches. „,Vorhang auf zum letzten Akt. Ein hohes Gebäude. Schöne Art es zu tun.'"

„,Es zu tun? Was tun?'", spielte ich weiter den Ahnungslosen, obwohl ich auch darauf vorbereitet war, was nun kommen würde. „,Natürlich. Mein Selbstmord.'"

„,Genialer Detektiv als Lügner entlarvt. Ich habe es in der Zeitung gelesen'", sagte Moriarty gleichgültig. „,Ich liebe Zeitungen. Und Märchen. Besonders die grimmigen.'"

Ich will keine perfekte Liebe, ich will deine!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt