Jim Moriarty

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„Also fassen wir nochmal zusammen", meinte ich und las mir Johns Notizen durch. „Andrew West, MI5-Agent, wird mit zertrümmertem Schädel auf den Gleisen der Battersea Station gefunden, aber er ist offenbar nicht mit dem Zug gefahren. Als letztes wurde er von seiner Verlobten gesehen, als er die gemeinsame Wohnung verließ, um noch jemanden zu treffen. Außerdem hatte er einen Speicherstick mit geheimen Raketenabwehr-Plänen, der jedoch verschwunden ist."

„Richtig", stimmte John mir zu. „Und West hat wohl Schulden gehabt. Vielleicht wollte er die Pläne verkaufen."

Zweifelnd sah ich meinen Bruder an. „Glaubst du wirklich, dass er gleich sein Land verrät, nur weil er ein bisschen im Minus ist? Außerdem wäre das nur schwer zu verheimlichen gewesen."

„Vielleicht finden wir ja etwas vor Ort", erwiderte John, während er aus dem Fenster des Taxis sah. „Wir sind da."

Gemeinsam stiegen wir aus und gingen hinüber zu einem kleinen Bahnwärterhaus. Ich sah mich nachdenklich um. Überall standen Güterwagons, die zu den Fabriken gehörten. Irgendwie passte die ganze Umgebung nicht ins Szenario.

„Sind Sie wegen dem Toten hier?", fragte der Bahnmitarbeiter und trat aus dem Gebäude.

„John Watson und meine Schwester Breanna. Sie haben den Toten gefunden?"

„So ist es. Ich gehe mal von aus, dass Sie die Stelle sehen wollen?"

„Das wäre hilfreich", lächelte ich und nahm die Warnweste entgegen, die der Arbeiter mir hinhielt.

Gemeinsam gingen wir die Schienen entlang, während John den Mann befragte und ich weiter die Umgebung beobachtete.

Sherlock hatte sich nach wie vor geweigert mitzukommen, obwohl sich dieser Moriarty nicht mehr gemeldet hatte. Stattdessen hatte der Consulting Detective sich in die Küche verzogen und mal wieder irgendwelche Chemikalien zusammengeschüttet. Nachdenklich ließ ich meinen Blick schweifen und versuchte dabei die Umgebung so zu sehen, wie Sherlock sie sehen würde.

„,Hat man das Blut abgewischt?'", fragte John neben mir und deutete auf die Stelle, wo West gefunden worden war.

„,Nein, da war nicht viel.'"

Überrascht sah ich den Bahnarbeiter an. „,Sein Schädel wurde zertrümmert. Wie ist das möglich?'"

„Keine Ahnung", erwiderte dieser Schulterzuckend. „Ich muss dann auch wieder zurück. Wenn Sie noch etwas brauchen, sagen Sie einfach Bescheid."

Stirnrunzelnd sah ich zu John. „Also so langsam kommt mir das ganze mehr als seltsam vor."

„Da stimme ich dir zu", meinte mein Bruder und kratzte sich am Kopf.

„West wurde offensichtlich nicht hier umgebracht, also wie kam er hierher und warum?", fragte ich nachdenklich.

„Was meinst du mit der Frage nach dem Warum?"

„Sieh dich doch mal um John", erwiderte ich und fasste die Umgebung mit einer Geste ein. „Gehen wir mal davon aus, dass West umgebracht wurde und dass der Mörder es anschließend wie einen Unfall oder einen Suizid aussehen lassen wollte. Wieso legte er die Leiche hier ab? West lebte am anderen Ende der Stadt und wenn ich es wie einen Unfall aussehen lassen wollte, hätte ich einen belebteren Bahnhof gewählt. Einen der nicht nur von Güterzügen angefahren wird."

„Und wenn der Mörder ihn gar nicht hergebracht hat?"

„Wie ist er dann hier gelandet?", gab ich zu bedenken. „Ist er vom Himmel gefallen?"

Ich verstummte, als ich eine Bewegung im Augenwinkel bemerkte und drehte mich um. Ein Zug rollte heran und eine Weiche wurde umgestellt.

„Er ist gefallen", murmelte ich und starrte die Schienen an.

Ich will keine perfekte Liebe, ich will deine!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt