Der Eintagsfliegen-Mann

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„,Verlegenheit bringt mich auf den Junggesellenabschied'", lenkte Sherlock nun vom Thema ab. „,Da gäbe es genügend Stoff für Stunden. Ich habe die besten Stellen herausgepickt.'"

Ich grinste, denn ich hatte zwar nur sehr wenig von dem Junggesellenabschied mitbekommen, aber das war schon mehr als genug gewesen.

~~~

„Sherlock?", rief ich in die Küche und wartete bis dieser im Türrahmen erschien. „Was zur Hölle ist das?"

Fragend hielt ich eine Aktenmappe hoch, auf der in roten Buchstaben „Vertraulich" stand.

„Bio-Daten von John und mir", erklärte Sherlock achselzuckend und nahm mir die Mappe aus der Hand.

„Das habe ich gesehen", erwiderte ich. „Immerhin lag sie offen auf deinem Schreibtisch herum. Die Frage ist viel mehr, wozu du diese Daten zusammengetragen hast."

„Für Molly."

„Molly Hooper?", hakte ich irritiert nach. „Wozu braucht sie eure biologischen Daten?"

„Braucht sie nicht", antwortete Sherlock. „Ich brauche ihre fachliche Analyse. Sie soll ausrechnen wie viel Alkohol dein Bruder und ich vertragen, ohne betrunken zu sein."

„Irgendwie führt unser Gespräch dazu, dass ich immer wieder eine neue Frage mit „Warum" in meinem Kopf habe."

„Ich brauche dieses Wissen für den Junggesellenabschied."

Ungläubig nahm ich die Mappe wieder zur Hand, schlug sie auf und blätterte die Seiten durch. Schließlich kam ich zu einer vorgefertigten Tabelle, die bisher nur halb ausgefüllt worden war.

„Du hast einen Zeitplan für den Abend erstellt, Sherlock?"

Ich saß bei Mrs. Hudson in der Küche und unterhielt mich mit ihr über die bevorstehende Hochzeit, als ein lautes Poltern im Treppenhaus uns aufhorchen ließ.

„Sind die Jungs etwa schon zurück?", fragte die alte Vermieterin und ging zur Tür.

„Kann eigentlich nicht sein", erwiderte ich und folgte ihr auf den Fuß.

Ich hatte mich getäuscht. Auf den Stufen der Treppe lagen tatsächlich Sherlock und mein Bruder. Beide waren sturzbetrunken.

„,Was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie wollten ausgehen'", meinte Mrs. Hudson.

„,Wie spät ist es?'", lallte Sherlock mit geschlossenen Augen.

„Ihr wart nur zwei Stunden weg", lachte ich und beugte mich über die beiden. „Und das war offensichtlich schon zu viel gewesen. Kommt, ihr solltet wenigstens hoch in die Wohnung gehen."

Sherlock und John rührten sich nicht und so zog ich schließlich zuerst am Arm meines Bruders, bis er halbwegs aufrecht stand und half ihm dann die Treppe nach oben. Im Wohnzimmer setzte ich ihn in seinen Sessel und sah ihm eindringlich in die Augen, bis ich zumindest das Gefühl hatte, dass er mich halbwegs fokussierte. „Bleib hier. Ich bin gleich wieder da."

Dann ging ich wieder nach unten, um Sherlock zu holen, der sich gerade erfolglos am Geländer hochzuziehen versuchte. Seufzend half ich auch ihm auf und verzog das Gesicht, als mich seine Alkoholfahne traf. „Nichts für ungut, Sherlock, aber du stinkst."

„Hast du eine internationale Reputation?", fragte Sherlock mich.

„Könnte man vermutlich so sagen. Immerhin habe ich sowohl in Deutschland als auch in England gearbeitet", keuchte ich und verfluchte Sherlocks Körpergröße.

Ich will keine perfekte Liebe, ich will deine!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt