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Zurück an unserem Platz wartete meine Großmutter schon auf mich. Ich nahm Platz und widmete mich dem kalten Kakao und der übrigen Mehlspeise.

„Da bist du ja wieder! Ist alles geklärt?"

Ich stutzte.

„Was ist geklärt?" Ich starrte sie an.

„Ach, ich habe mich gerade mit der Dame da drüben unterhalten. Wie meintest du, heißt sie? Gitta Lindemann? Eine nette Dame, wirklich."

Etwas panisch unterbrach ich sie: „Ihr habt ihn aber nicht zu mir raus geschickt?!"

Sie lachte.

„Schmarrn! Aber nachdem ihr Sohn plötzlich auch verschwunden war und wir beide hier alleine an zwei Tischen gesessen sind, kam sie zu mir herüber und wir haben ein bisschen geratscht."

Ich atmete auf. Das wäre sonst richtig peinlich gewesen. Als ob ich meine Angelegenheiten nicht selbst regeln könnte.

Schnell wechselte ich das Thema: „Na gut – was hältst du davon, wenn wir zurück zum Auto gehen? Ich muss vielleicht doch noch kurz nach Aibling fahren, was anderes zum Anziehen besorgen...
Wann sind wir heute Abend essen?"

„Gegen 18:00 Uhr hat Peter gemeint", antwortete Oma und deutete der Kellnerin, dass wir zahlen wollten.

Es war kurz vor 15:00 Uhr – blieb also noch Zeit, um einen Abstecher ins nächstgelegene Gewandgeschäft zu machen.

Wir beglichen die Rechnung und wandten uns zum Gehen. Meine Oma winkte Fr. Lindemann im Vorbeigehen noch zu dann waren wir vor dem Hotel und machten uns auf dem Weg Richtung Auto, das beim Haus geparkt war.
Es war nur eine 5-minütige Autofahrt bis zu unseren Gastgebern – dem Neffen meiner Großmutter.
Hier angekommen, half ich ihr noch ins Haus (Peter und Michaela waren noch nicht von ihrer Radtour zurück) und richtete mich zum Einkaufen.
Meiner Oma rief ich aus dem Vorraum noch zu: „Ich beeile mich, bis halb 6 sollte ich wieder hier sein!"

„Wo fährst du denn jetzt noch hin?"

„Brauche was zum Anziehen." Ein Satz, den ich, soweit ich mich erinnern kann, noch nie benutzt hatte. Ich grinste vor mich hin.
„Ich gehe heute Abend noch aus. Ciao, bis später!" Mehr musste sie auch nicht wissen.

Im Auto durchstöberte ich erst einmal meinen USB-Stick nach passender Musik. Vorhin durften mich noch die Foo Fighters beglücken aber jetzt stand mir der Sinn nach etwas anderem.
Ja, warum nicht das letzte Lindemann Album? Ich musste lachen.
„Giulia, du bist so deppert", kicherte ich total überdreht, und wählte den Song Ach So Gern aus.
Was soll's? Jetzt konnte ich mein inneres Fangirl ja loslassen, bevor ich es später wieder einsperren musste. Und so plerrte der Tango durch mein Vehikel und ich machte mich auf den Weg nach Bad Aibling.

Die Fahrt war kurz, es tut mir leid... ich bog gerade auf den Parkplatz des Shoppingcenters ab, war aber gedanklich schon ganz woanders und lachte und ärgerte mich gleichzeitig über mich selbst. Was erwartete ich mir eigentlich von diesem Abend? Ein paar Getränke kippen, quatschen und auf nimmer Wiedersehen – andererseits wäre ich mehr gegenüber auch nicht abgeneigt. Und was man so liest ist er ja auch kein Kind von Traurigkeit. Ich schnaubte, schob den Gedanken auf ein bisschen Spaß beiseite und suchte mir eine Parklücke.

Im Geschäft dann die Ernüchterung: es gab zwar ein paar nette T-Shirts, aber nicht in meiner Größe, und die Blusen waren, um es gelinde zu sagen, aus der Großmutter-Abteilung.
Verzweifelt lief ich durch den Laden und fand schließlich ein schwarzes Longshirt mit einem farblich abgesetztem, roten, tiefen Ausschnitt. Wenn das kein Hingucker ist, dann weiß ich auch nicht – noch dazu bei meiner Oberweite.
Froh über meinen Fund bezahlte ich das Teil und verließ das Geschäft. Gedanklich ging ich schon mein Outfit durch: Longshirt, schwarze Jeans und meine roten Bikerboots. Stilettos kann ja wirklich jede anziehen, da habe ich es dann doch lieber bequem – und diese roten, mit Nieten und kleinen Kettchen verzierten Boots waren sowieso der Hingucker!

Kurz nach 17:15 Uhr kam ich wieder bei unserer Unterkunft an. Oma war schon fertig umgezogen, und so beeilte ich mich, hüpfte schnell unter die Dusche, flocht meine Haare zu einem Zopf und zog mein zuvor erwähntes Outfit an. Viel Zeit würde mir zwischen Essen und der Einladung von Till nicht bleiben, daher wollte ich lieber gleich das „Party-Outfit" anziehen.

Punkt 18:00 (die deutsche Pünktlichkeit) war Abfahrt zum Gasthaus in der übernächsten Ortschaft.
Dort trafen wir uns mit den anderen zwei Neffen inklusive Anhang meiner Großmutter. Es versprach schon mal, ein witziger Abend zu werden – der Schmäh lief und kurzzeitig konnte ich so auch meine aufkeimende Nervosität vergessen.
Meine Mahlzeit bestand nur aus einem Teller Leberknödel Suppe und ein paar Bissen Schweinsbraten. Mehr konnte ich beim besten Willen nicht hinunterwürgen. Richard sah mich mitleidig an und ich schob ihm den Teller entgegen: „Bitte, bedien' dich! Ich schaff das nicht. Irgendwas liegt mir im Magen." Ich wusste nur zu gut, was es war, behielt es aber für mich.
Die Minuten verstrichen und die Uhr zeigte bereits 20:20 Uhr – jetzt konnte ich meine Nervosität nur mehr schlecht verbergen.
Meine Oma lehnte sich in meine Richtung und flüsterte mir zu: „Alles ok mit dir? War das essen nicht gut?"

„Nein, das Essen war super. Ist nichts weiter. Aber ich muss gleich los, bin um 9 verabredet."

Sie sah mich forschend an.

„Du fährst aber eh nicht betrunken...?"

„Omaaaaa...", ich seufzte, „du weißt schon, dass ich so gut wie nie Alkohol trinke, oder? Und selbst wenn, dann gehe ich nachher entweder zu Fuß zu euch zurück oder rufe mir ein Taxi."

Sie nickte zufrieden.

„Wohin gehst du denn?"

„Ach, rauf zum Aschbacher Hof. Nachdem Hr. Lindemann heute so unfreundlich zu mir war, hat er mich zum Abendessen eingeladen. Das habe ich natürlich abgesagt, weil mir das hier", ich deutete in die Runde, „wichtiger war. Er bestand dann zumindest auf ein oder zwei Getränke an der Bar. Als Wiedergutmachung sozusagen."

„Dann viel Spaß und lass mir Fr. Lindemann grüßen, wenn du sie siehst!", sprachs und schlenzte mir die Wange.

„Mache ich", seufzte ich und erhob mich.

Ich verabschiedete mich von der illustren Gesellschaft und eilte zu meinem Wagen. Es war bereits 20:45 Uhr – das würde knapp werden.
Im Auto parfümierte ich mich noch schnell ein, um den Essensgeruch etwas zu überdecken (mir war jetzt wirklich schlecht vor Aufregung), drehte den Radio komplett ab (es war gerade einfach alles zu viel) und fuhr los Richtung Aschbacher Hof.


DahoamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt