Till nahm mein Handy und starrte das Display an. Er zoomte ins Bild hinein. Stille.
Seine sorgfältig aufgebaute Fassade war verschwunden. Fassungslos starrte er mich an.„Das...das warst DU?" Er reichte mir mein Handy.
Ich konnte mich nicht länger zurückhalten ob seiner Fassungslosigkeit und prustete los.
Es war ansteckend – wir saßen beide da und lachten. Endlich hatte ich mich so weit unter Kontrolle, streckte ihm meine Hand entgegen und gluckste: „Angenehm, Giulia. Ich bin die Kleine mit dem Knebel in dem Mund!"Er lachte - ein tiefes, kehliges Lachen. Dann nahm er meine Hand, küsste den Handrücken und brummte: „Es ist mir eine Ehre!"
Wir mussten wieder loslachen.
„Das hätte ich nicht von dir erwartet – so siehst du gar nicht aus!", zwinkerte er mir zu.
„Du kennst mich seit fünf Minuten, ich werde dir jetzt nicht meine sexuellen Vorlieben am Silbertablett servieren!" Hatte ich das gerade wirklich gesagt? Mir wurde heiß, Frischluft wäre jetzt gut.
Da war dieses schmutzige Grinsen wieder.
„Ach...nicht?"„Ich muss mal kurz raus an die frische Luft", war alles, was ich darauf erwiderte.
„Gute Idee, ich wollte sowieso eine rauchen."
Wir standen auf, ich zog meine Jacke an und wir begaben uns vors Hotel. Ganz Gentleman hielt Till mir die Türe auf. Draußen war es noch immer angenehm warm und der Mond tauchte die Landschaft in ein silbriges Licht. Die frische Luft war eine Wohltat für meine, vom Alkohol benebelten, Gedanken. Meine Tasche deponierte ich im Auto derweilen sich Till eine Zigarette anzündete.
Ich deutete ihm, wieder ums Hotel zu gehen – dort, wo wir uns am Nachmittag getroffen hatten. Schweigend spazierten wir Richtung Zaun.
Ich lehnte mich wieder gegen selbigen, diesmal aber mit dem Rücken zur Landschaft und musterte Till. Dieser starrte in die Gegend und genoss seine Zigarette. Ein paar Strähnen seiner Haare fielen ihm in die Stirn, auf der ich einige Narben erkennen konnte.
Und wieder tauchte dieser Gedanke auf: Was tat ich eigentlich hier? Nichts gegen ein schnelles Abenteuer – was meinem Ego nach der letzten Es-war-doch-nur-eine-Affäre gut tun würde – aber wollte ich dieses Abenteuer mit Till Lindemann? Altersmäßig könnte er schließlich mein Vater sein.Gut, wäre ja auch nicht das erste Mal.
Mein inneres Fangirl beschimpfte mich gerade aufs Übelste: Spinnst du jetzt total? Das ist TILL LINDEMANN! Was überlegst du eigentlich noch? Schnapp ihn dir!!!
Was hatte ich zu verlieren? Nichts. Und ein bisschen Zweisamkeit wäre auch mal wieder nicht schlecht.„Giulia?", seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
„Mhm? Sorry, ich war in..."
„...Gedanken. Habe ich gemerkt." Er lächelte, dämpfte die Zigarette mit seinem Stiefel aus und stand plötzlich direkt vor mir. Ich roch den Tabakduft und sein Parfum. War das Boss? Schwer zu sagen, aber zumindest ähnlich.
„Was beschäftigt dich?"
Seine linke Hand ruhte neben mir am Zaun, als ob er mich abhalten wollte, davon zu laufen.„Ehrliche Antwort?"
Er nickte.
„Ob ich mit dir ins Bett gehen soll oder nicht."
Verblüfft sah er mich an und schien kurz zu überlegen.
„Du bist sehr direkt."„Ich mag dieses um den heißen Brei herumreden nicht. Das kostet unnötig Lebenszeit. Es können halt nicht viele etwas damit anfangen. Ist immer schwierig, wenn man jemanden kennenlernt, und sich verstellen muss. Aber ich denke, du hältst das aus." Fragend sah ich zu ihm auf.
„Ich finde das gut, ehrlich gesagt. Es gibt nicht viele Menschen, die einem direkt ins Gesicht sagen, was sie wollen."
„Habe ich dich damit überfallen?" Ich grinste.
„Nein!"
Dachte ich es mir doch. Allerdings wusste ich noch immer nicht, ob ich mich hinreißen lassen sollte oder nicht.
„Und?"
„Und was?", ich stutzte.
Er beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr: „Kommst du mit in mein Zimmer?"
Gänsehaut lief mir den Nacken hinunter. Verdammt, warum fiel mir diese Entscheidung heute so schwer? Was hatte dieser Mann nur an sich, dass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte?
Jetzt war ich es, die sich vor beugte und flüstere: „Ja, aber zuerst möchte ich noch eine Runde spazieren gehen!"
Ruckartig richtete Till sich auf und lachte.
„Jetzt? Dein Ernst?" Seine Augen funkelten im Mondlicht.„Ja, im Ernst. Ich muss den Alkohol aus meinem Kopf kriegen."
„Da wüsste ich aber etwas effektiveres als spazieren zu gehen", raunte er mir zu und hauchte mir einen Kuss in die Halsbeuge.
„Du spielst unfair!", murrte ich und schob in bestimmt weg.
Ein wenig enttäuscht blickte er mich an.
„Herr Lindemann, würden Sie mir die Ehre erweisen und mich begleiten?" feixte ich.
„Wohin soll ich die Dame denn entführen?"
Ich zeigte in die Dunkelheit. Das Mondlicht ließ einen Weg erahnen.
„Hier den Weg hinunter."Till hielt mir seinen Arm hin und ich hakte mich unter. Gemeinsam schlenderten wir schweigend den Pfad den Hügel hinunter. Kurz konnte ich einen Blick auf seine Uhr erhaschen: es war bereits nach 01:00. Wie schnell die Zeit vergangen war.
Unten angekommen bogen wir nach links auf einen Feldweg ab. Ich hatte ein Ziel vor Augen: in ca. 300m sollte zwischen einer Baumgruppe eine kleine Parkbank stehen – zumindest war sie letztes Jahr noch da. Von dort aus hatte ich mir schon öfters den Sonnenaufgang angesehen.
In der Ferne konnte ich, dank des Mondlichtes, schon die Bäume ausmachen.Till unterbrach unser Schweigen.
„Wohin bringst du mich?"„Lass dich überraschen!" grinste ich nur und boxte ihn leicht in die Seite.
Nach ein paar Minuten erreichten wir die Baumgruppe und die Bank in deren Schatten war auch noch da. Vor uns leuchtete die Wiese silbrig. Eine wunderbare Stimmung. Ich atmete tief ein und schloss für einen Moment die Augen.
Er räusperte sich leise.
„Und jetzt?"„Hinsetzen, Mund halten und genießen!" murrte ich fröhlich und schubste ihn auf die Bank.
Ich setzte mich daneben.„Wie die Dame befielt...."
Er hob die Hände und gab sich offenbar geschlagen.Ich genoss den Ausblick und konnte am Ende der Wiese einen schwarzen Schatten ausmachen. Wahrscheinlich ein Fuchs.
Ich lehnte mich an Tills Schulter und ließ meine Hand auf seinen Oberschenkel gleiten.
Er schlang seinen Arm um meine Schulter. Ich schloss die Augen – er roch so gut!„Und...schon nüchtern?" flüsterte er mir ins Ohr.
„Fast..." nuschelte ich zurück.
Ich spürte seinen Atem auf meinem Hals. Ein Seufzen entglitt mir. Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und dann trafen sich unsere Lippen.

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Dahoam
Fiksi PenggemarIn Gedanken versunken beobachtete ich die Gegend, genoss die Sonne und hörte erst viel zu spät den Schotter knirschen, was darauf hindeutete, dass ich gleich Gesellschaft bekommen sollte. Ein genervtes „Geh bitte... echt jetzt?" kam über meine Lippe...