Das Essen verlief danach unspektakulär. Wir genehmigten uns beide noch Eisknödel als Nachspeise, die bei Till besonders viel Anklang fanden, dann zahlten wir und begaben uns durch das Unwetter wieder in meine Wohnung. Ein Blick in meine WetterApp verriet, dass es morgen auch nicht besser werden würde, dafür die restliche Woche Sonnenschein und bis zu 25 Grad. Klang ja vielversprechend, denn mir war im Restaurant eine Idee gekommen, wie und wo wir die nächsten Tage verbringen konnten. Dazu musste ich allerdings erst Rücksprache mit meinem Vater halten, wollte dies aber nicht vor Till tun, da es eine Überraschung werden sollte. Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich über dieses Hobby bisher kein Wort verloren – wobei es in diesem Sinne kein Hobby war, sondern eher Mittel zum Zweck.
Die Krücken standen wieder in einer Ecke im Vorzimmer, ich hatte mir etwas Bequemeres angezogen und lag nun angegessen und faul auf der Couch und auch Till hatte wieder seine Jogginghose an und leistete mir nun Gesellschaft. Ich drehte mich zu ihm.„Was hältst du von einem Absacker? Ich hätte Limoncello da – frisch aus Italien importiert. Also echten, guten Zitronenlikör, nicht den Fusel, den man hier zu kaufen bekommt."
„Klingt gut. Bleib liegen, schon' das Bein. Wo finde ich den Tropfen?"
„Im Kühlschrank. Die passenden Gläser sind in dem Glasschrank über der Abwasch..äh...Spüle."
Grinsend stand er auf.
„Habe dich schon verstanden. 2x Likör ist unterwegs."Kurze Zeit später standen Flasche und Gläser am Couchtisch und wir prosteten uns zu. Obwohl ich so gut wie nie Alkohol trank, weil er mir einfach nicht schmeckte, so musste ich doch für diesen Limoncello eine Lanze brechen. Das war ein Likör, von dem man ein Glas, und noch eines und vielleicht noch ein drittes Glas nehmen konnte, ohne, dass einem schlecht wurde. Bei mir war meistens nach dem Zweiten allerdings Schluss, weil er mir doch schnell zu Kopfe stieg.
Heute war mir das egal. Wir hatten beide bereits das dritte Stamperl durch und mein Kopf ruhte auf Tills Schoß. Ich hatte ihm die Fernbedienung überlassen. Er zappte durch die Kanäle und blieb bei Family Guy hängen, was mir nur Recht war, denn die Folge kannte ich noch nicht.
So an ihn gekuschelt und mit dem Alkohol intus, stieg langsam die Müdigkeit in mir hoch. Sein Arm ruhte schwer auf meinem Rücken, ich lauschte dem gleichmäßigen Atem und schloss die Augen: die Folge konnte ich schließlich auch hören! Weit kam ich jedoch nicht, denn als nächstes wurde ich von Till sanft geweckt – ich war also doch eingeschlafen!„Wie spät ist es denn?", nuschelte ich verschlafen.
„Kurz nach 23:00 Uhr. Wir sind beide eingeschlafen", gab er matt zurück.
„Wie war das noch? Wolltest du nicht irgendwelche Sachen mit mir anstellen?"
Im Halbschlaf kam ich doch immer auf die besten Ideen.
Ein leises, tiefes Lachen.
„Wer ist hier dauergeil?"„Hmm, ich dachte nur gerade an unser Gespräch von heute Morgen", ich musste Gähnen, „aber ich glaube, wir verschieben das auf morgen oder so."
„Darauf kannst du dich verlassen. Wann musst du morgen aufstehen?"
Aufstehen, wieso aufstehen?
Meine verständnisloser Blick amüsierte Till.
„Na, du musst doch morgen arbeiten! Schon vergessen?"Tatsache, ich hatte es wirklich vergessen!
„Ach, verdammt! An das hatte ich wirklich nicht mehr gedacht." Fahrig wischte ich mir über das Gesicht. „Na wunderbar – aber danke für die Erinnerung. Ich muss um 08:30 Uhr in Baden sein. Würdest du mir einen Gefallen tun?"
„Natürlich, Kleine. Welchen denn?"
„Würdest du mich morgen hinfahren und wieder abholen?"
Er legte den Kopf ein wenig schief und sah mich ernst an.
„Dachtest du denn, ich würde dich fahren lassen? Dass du mich in diesem Zustand – ohne etwas zu sagen – vom Flughafen abgeholt hast, dafür hätte ich dir eigentlich schon den Hintern versohlen müssen. Solange ich hier bin, fahre ich. Keine Widerrede!"„Jawohl, Hr. Lindemann!", gab ich schnippisch zurück und erntete dafür einen Klaps auf den Po.
„Vorsicht, junge Dame, den Hintern kann ich dir auch so versohlen, da habe ich keine Hemmungen!", grummelte er.
„Ich bitte darum", drehte ihm meine Kehrseite zu und schlug mir selbst auf den Hintern, „aber erst morgen. Jetzt muss die kleine Giulia ins Bett."
Mit diesen Worten ließ ich ihn im Wohnzimmer sitzen, und hörte ihn im Hinaushumpeln noch irgendwas murmeln, das nach „Luder" klang. Schnell putzte ich mir die Zähne, legte mich ins Bett und stellte den Wecker am Handy. Die Tablette ließ ich diesmal aus – nach dem Likör wäre das wahrscheinlich keine allzu gute Idee. Till folgte mir wenig später. Ich kuschelte mich an seine Seite, legte den Arm über seinen Bauch und hauchte noch einen Kuss auf seinen Hals. Er hielt meine Hand und küsste sie. Die Wärme seines Körpers und der ruhige Herzschlag taten ihr übriges und beförderten mich in Windeseile in den Schlaf.STEH AUF! STEH AUF! STEH WIEDER AUF, STEH AUF! STEH AUF, STEH WIEDER AUF! STEH AUF! STEH AAAAAUUUUUF!
Von weit weg hörte ich meinen Handywecker und wie immer reagierte ich auf das erste Klingeln nicht, sondern drehte mich noch einmal um.
Neben mir bemerkte ich allerdings eine plötzliche Bewegung und irgendwas krachte zu Boden – dann unterdrückte Flüche.„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?", hörte ich Till murren.
Und wieder plärrte der Wecker los STEH AUF! STEH AUF! STEH WIEDER AUF, STEH AUF! aber offenbar hatte er den Snooze-Button erwischt, denn das Geräusch verstummte augenblicklich. Ich grummelte in meinen Polster und zog mir die Decke über den Kopf, ich wollte noch ein paar Minuten schlafen doch Till riss die Tuchent von meinem Körper.
„Hey!", protestierte ich lautstark und drehte mich in seine Richtung.
Ungehalten funkelte er mich an und fuhr sich über das Gesicht.
„Ernsthaft?! Bei der Weckerlautstärke bekomme ich fast einen Herzinfarkt und musstest du mich ausgerechnet mit meinem eigenen Lied aus dem Schlaf reißen? Hättest du nicht was anderes nehmen können?"Schlaftrunken starrte ich ihn an und wusste zuerst nicht, wo das Problem lag. Das war doch nur mein normaler Wecker?!
„Hä? Ich weiß nicht, was du meinst...oh!", dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: ich hatte vor Monaten, als die Lindemann-Single Steh Auf erschien, den Song zusammengeschnitten und den letzten Teil als Wecker in meinem Handy eingespeichert. Seitdem riss mich dieses STEH AUF zuverlässig jeden Tag aus dem Schlaf. Dummerweise hatte ich nicht dran gedacht, das zu ändern, jetzt, wo Till hier war.
Nach der ersten Schrecksekunde versuchte noch, mir das Lachen zu verkneifen, aber es gelang mir nicht. Sein Blick war unbezahlbar und ich prustete los.„Findest du das witzig?!"
„Nein...ich...doch, schon!", japste ich und hielt mir den Bauch.
Mit einer finsteren Miene stierte Till mich immer noch an, da griff ich nach dem Kissen und pfefferte es ihm ins Gesicht – langsam bekam ich vor lauter Lachen keine Luft mehr.
„Na warte..."
Und schon flogen zunächst die Pölster durch die Gegend, dann fixierte er mich im Bett, während er halb auf mir lag und raunte mir ins Ohr.
„Für diese Frechheit würde ich dich am liebsten gleich hier und jetzt bestrafen. Aber warte nur, bis du von der Arbeit heim kommst."„Ist das eine Drohung oder ein Versprechen, Hr. Lindemann?"
Ich sah in seine Augen und leckte mir langsam, ganz langsam über die Lippen.Kurz schloss er sie, dann beugte er sich nochmals nach vorne und flüsterte mir zu: „Du kleines, verdorbenes Luder! Ich tue mir damit selber keinen Gefallen, aber jetzt lasse ich dich erst recht schmoren."
Damit rutschte er von mir herunter, stand auf und verschwand Richtung Badezimmer. Die Beule in seinen Shorts sprach auf jeden Fall Bände.

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Dahoam
FanfictionIn Gedanken versunken beobachtete ich die Gegend, genoss die Sonne und hörte erst viel zu spät den Schotter knirschen, was darauf hindeutete, dass ich gleich Gesellschaft bekommen sollte. Ein genervtes „Geh bitte... echt jetzt?" kam über meine Lippe...