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Einige Minuten verstrichen, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen. Keiner von uns hatte in dieser Zeit gesprochen. Ich starrte auf meine Knie, die ich mit meinen Armen umschlungen hatte und dachte nach.

Was nun?

„Steh auf. Lass uns frühstücken gehen." Mit einem leisen Seufzer brach Till das Schweigen.

Ungläubig blickte ich zu ihm hoch. Er reichte mir seine Hand und zog mich auf die Beine.

„Du solltest vielleicht...", und deutete mit einem Nicken auf meine Bluse.

Ich blickte an mir hinab und etwas peinlich berührt knöpfte ich sie zu, danach schlüpfte ich in meine Schuhe, warf mir die Jacke über und griff nach meine Tasche.

Er warf mir einen verwunderten Blick zu.
„Unten wirst du wohl kaum die Jacke brauchen."

„Ehrlich gesagt, ist mir jetzt nicht nach frühstücken", murmelte ich und etwas bestimmter fügte ich hinzu: „Ich werde jetzt fahren."

Till schien kurz zu überlegen und zuckte dann mit den Schultern.
„Wie du möchtest."

Er hielt mir die Türe auf. Ich blickte ihm kurz in die Augen – sein Blick war undefinierbar, aber nicht mehr so kalt wie vorhin. Ohne mich noch einmal umzudrehen – was mir schwer fiel – schritt ich den Gang hinunter zur Treppe und verließ das Hotel.

Eine ganze Weile saß ich in meinem Auto – immer wieder liefen mir Tränen über das Gesicht. Soviel zu meinem schönen Urlaub.

Was soll der Blödsinn? Bis auf die letzte halbe Stunde waren die letzten beide Tage doch der Hammer! Also warum Trübsal blasen?

Schlussendlich wählte ich Omas Nummer und vereinbarte mir ihr, dass wir uns in 45 Minuten beim Braustüberl in Tegernsee treffen würden. Zuerst tippte ich die Adresse ins Navi ein, danach suchte ich mir die passende Musik. Normalerweise, wenn es mir nicht so gut ging, half mir Rammstein meistens weiter. Heute war das wahrscheinlich keine gute Idee, also wählte ich das Album One For Sorrow von Insomnium und drehte schön laut auf.

Schon besser!

Die Fahrt war ereignislos, die Musik dröhnte aus den Lautsprechern und lenkte mich ein wenig von den Geschehnissen der letzten Stunden ab. In Tegernsee angekommen, musste ich allerdings einige Runden drehen, um einen Parkplatz zu bekommen – und das im April! Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie das erst im Sommer war. Endlich ergatterte ich einen Stellplatz unweit des Gasthauses. Ich betrat selbiges und staunte: mehrere große Gasträume, dunkel vertäfelt und voll mit Menschen. Ich schob mich zwischen den Leuten durch und entdeckte im großen Braustüberl in der Ecke meine Oma, Peter und Michaela.
Ich setzte mich zu ihnen und erzählte ein wenig vom letzten Abend (natürlich die jugendfreie Variante), dazwischen bestellten wir das Essen, dann berichteten sie mir von ihrem gestrigen Spieleabend und was sie sich bis jetzt rund um den Tegernsee angesehen hatten.

Nach guten zwei Stunden machten wir uns langsam auf den Weg – zu viert liefen wir noch ein Stück den Panoramawanderweg entlang, genossen die frühlingshaften Temperaturen, die Sonne und den Ausblick auf den See.
Am Rückweg zum Auto musste ich das erste Mal seit Stunden wieder an Till denken. Ich schob die Gedanken so weit weg wie möglich. Beim Auto angekommen verabschiedeten wir uns vorerst von Michaela und Peter – die noch einkaufen fahren wollten - half ich meiner Oma in den Wagen und wir starteten los Richtung Feldkirchen-Westerham.

„Du bist so ruhig, ist alles in Ordnung?", wollte sie von mir wissen.

„Ja, alles gut. Ich hatte heute früh nur eine kleine Auseinandersetzung mit Till, das ist alles."

DahoamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt