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Am nächsten Vormittag fuhr ich, trotz Tills Protest, alleine zum Arzt, um den Verband wechseln zu lassen. Auf der Fahrt dorthin musste ich an die gestrige Nacht denken. Ich hatte mich dann doch noch ein wenig revanchieren können. Diesen Blowjob würde er so schnell nicht vergessen – oh, ich hörte ihn immer noch betteln!
Der Arztbesuch dauerte nicht lange, die Wunde sah soweit auch gut aus – zumindest bestätigte mein Arzt mir dies. Danach machte ich mich noch schnell auf den Weg, den Bootsschlüssel aus dem Haus meiner Eltern zu holen.
Eine gute halbe Stunde später war ich wieder daheim und packte die restlichen Sachen zusammen, die wir die nächsten Tage so benötigen würden. Till sah mir neugierig über die Schulter, als ich die Handtücher in der Reisetasche verstaute.

„Verrätst du mir endlich, was du vor hast? Wozu die Handtücher?" Er klang amüsiert.

Ich grinste nur vor mich hin.
„Nö. Wirst du schon sehen. Hast du alle deine Sachen zusammen? Auch langen Hosen und eine Jacke? Und was Wärmeres für die Nacht außer deine Shorts?"

Till nickte.
„Wieso für die Nacht? Bleiben wir länger aus? Ich hätte ja auf dein Jagdrevier getippt, aber dafür brauchen wir wohl keine Handtücher. Und deine Katzen?"

„Mach dir mal keinen Kopf, die sind versorgt. Meine Nachbarin füttert sie. Und ja, mal sehen, wie lange wir bleiben. Hängt vom Wetter ab."
Ich zog den Reißverschluss der Tasche zu, drehte mich zu ihm um und lachte, als ich seinen verdutzten Gesichtsausdruck bemerkte.
„Los, nimm mir mal bitte die Tasche ab und hol' deine Sachen, dann können wir auch schon fahren", forderte ich und schubste ihn leicht.
Till trat auf mich zu, legte seine Hände auf meine Hüfte, zog mich an sich und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren.
„Wie du befielst...", murmelte er.

„Gut!", ich brachte etwas Abstand zwischen uns, nahm sein Gesicht in meine Hände und küsste ihn. Meine Zunge wanderte in seinen Mund, doch bevor er den Kuss erwidern konnte, ließ ich von ihm ab.
"So, und jetzt los!", damit schob ich ihn zur Tür hinaus.
Bevor er etwas entgegnen konnte, unterbrach ich ihn.
„Nach der letzten Nacht kannst du dich auf was gefasst machen, mein Lieber. Und ich weiß genau, dass du auf ein bisschen Domina-Action stehst!"

„Ach, ja? Weißt du das?", witzelte Till, der unsere Sachen vor die Wohnungstür brachte.

Ich zuckte nur mit den Schultern und lächelte unschuldig. Während er sich schon auf dem Weg zum Auto machte, brachte ich den Wohnungsschlüssel zu meiner Nachbarin, damit sie sich die nächsten Tage um meine Fellnasen kümmern konnte.

Die Fahrt verging schnell doch zum Ende hin wurde ich doch etwas unruhig. Ob die Idee mit dem Segeln gut war, würde sich gleich zeigen – Till wies ich an, auf einem kleinen, geschotterten Parkplatz in der Nähe des Hafens zu parken. Ich schulterte meine Handtasche, schnappte mir die Krücken und wartete darauf, dass er mir mit unserem Gepäck folgte. Gesprochen hatten wir bis hierhin nicht viel und auch jetzt schwiegen wir, während das knirschende Geräusch der Steine unter den Füßen unseren Weg begleitete. Noch einmal bogen wir um die Ecke und da lag es vertäut: unser schwimmendes Quartier für die nächsten Tage. Ich lehnte die Gehhilfen an den Zaun neben mir und betrat – während ich mich an der Reling fest hielt – den schmalen Holzsteg zwischen unserem und dem Nachbarboot. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Till die Taschen abstellte und mir folgte. Hinten angekommen schlüpfte ich erst mal aus den Schuhen und überlegte kurz, wie ich mit dem kaputten Fuß am besten über die Reling ins Innere steigen sollte, da spürte ich seine kräftigen Arme auf meiner Taille.

„Hier, lass dir helfen", mit diesen Worten hob er ich ein wenig hoch, so dass ich hinüber klettern konnte, dann folgte er mir und begutachtete interessiert das Segelboot.

„Hübsch. Deines?"

„Nein, nicht ganz. Es gehört meinen Eltern, aber ab und an darf ich es mir ausborgen. Ich dachte, dass könnte dir gefallen – keine Leute und so", zwinkerte ich ihm zu, als er mich in die Arme schloss.

„Guter Plan. Du hast nie etwas davon erzählt, dass du segelst? Warum?"

„Hm...ich bin gerne am Wasser und ich segle gerne mit, aber an und für sich ist das kein wirkliches Hobby. Ich habe den Segelschein eher aus einer Not heraus gemacht, weil ich nicht immer auf meine Eltern angewiesen sein wollte. Und ehrlicherweise würde es mir abgehen, wenn ich im Sommer nicht mehr hinaus auf den See könnte – ich bin hier quasi groß geworden. Bis ich vierzehn oder fünfzehn war, haben meine Eltern, mein Bruder und ich hier jedes Wochenende verbracht. War eine schöne Zeit."

Bei den letzten Sätzen hatte ich meinen Kopf an seine Brust gelehnt und genoss die Wärme, die er ausstrahlte. Ein wehmütiges Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, während ich seinen Duft einatmete, der Wind durch mein Haar strich und ich merkte, wie er mich noch ein wenig fester an sich drückte. Insgeheim wünschte ich mir, dass dieser Moment nie enden würde!
Einige Zeit standen wir einfach so da und genossen die Vertrautheit, dann machten wir uns daran, das Gepäck einzuladen. Schlussendlich drehten wir noch eine kleine Runde zu Fuß im Hafen, ich zeigte Till die Seebühne, die in den Sommermonaten Schauspiel verschiedener Operetten war, die Radfähren und zum Abschluss das Wichtigste: die Sanitäranlagen.
Er entschuldigte sich kurz und ich machte mich auf den Rückweg zum Boot. Es wurde langsam Zeit, dass wir ausliefen. Unterdessen ich damit zu tun hatte, die Sitzpolster aus der Kabine zu bringen und die Fender zu verstauen, klingelte mein Handy.
Ich nahm das Gespräch entgegen und erhielt von der Kundin, mit der ich samstags eigentlich den Termin für das Fotoshooting hatte, die Information, dass ihr leider etwas dazwischen gekommen war und ob wir den Termin nicht um zwei Wochen verschieben könnten. Dieser Bitte kam ich nur zu gerne nach – so blieb mir erstens mehr Zeit mit Till und zweitens konnte ich mein Bein schonen. Wir verabschiedeten uns und gerade, als ich das Telefon aus der Hand legte, kletterte Till auf das Boot.

„Alles in Ordnung?"
Er sah von mir zum Handy auf dem Sitzpolster und wieder retour.

„Alles bestens. Der Fototermin am Samstag wurde um zwei Wochen verschoben", ich grinste ihn an, „das heißt, mehr Zeit für unanständige Sachen, Hr. Lindemann."

Er nahm Platz und hielt mir seine Hand hin. Ich ergriff sie und er zog mich sachte auf seinen Schoss. Wieder vergaß ich alles um mich herum, als ich in seine Augen blickte. Er streichelte über meine Wange und Nacken. Still sahen wir uns einfach nur an. Meine Hand lag auf seinem Unterarm und mit den Fingern zeichnete ich Muster auf seiner Haut. Tief in mir machte sich dieses altbekannte Gefühl aufkommender Verliebtheit bemerkbar. Abwesend schüttelte ich kurz den Kopf, und, als ich Tills verwunderten Blick sah, hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, dann stand ich auf. Diese Gefühlsduselei konnte ich gerade überhaupt nicht gebrauchen. Damit würde ich mich alleine und in ruhiger Stunde vielleicht auseinandersetzen, aber definitiv nicht jetzt.

„Komm, lass uns ablegen."

Damit erklärte ich Till, was er zu tun hatte und wir verließen den Hafen.

DahoamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt