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Der starke Regen hatte aufgehört, es war nur mehr ein feines Nieseln. Wir saßen bereits im Wagen, Till hatte den Motor gestartet und drehte sich nochmal zu mir.

„Ich muss dir etwas zeigen", und nahm dabei seine Kappe ab.

Ich riss die Augen auf, und wusste erst nicht, was ich sagen sollte
„Deine Haare...ähm...ok..."

Amüsiert über meine offenkundige Sprachlosigkeit musterte er mich.
„Nicht dein Fall?"

„Es ist...gewöhnungsbedürftig", gab ich ehrlich zur Antwort.

Seine vormals dunklen Haare waren weißblond gefärbt und seitlich etwas kürzer als oben.

„Die Frisur finde ich gut, an die Farbe muss ich mich gewöhnen. Da lasse ich dich ein paar Stunden alleine und du kommst mit sowas an". Ich knuffte ihn in die Seite.

Lächelnd wandte er sich ab und steuerte das Auto auf die Straße. Während ich ihn durch die Stadt in Richtung Autobahn lotste, wollte Till wissen, was die nächsten Tage am Programm stand. Viel verriet ich ihm nicht, er sollte sich überraschen lassen. So ganz Recht schien ihm das nicht zu sein, doch ich bat ihn abermals, es einfach auf sich zukommen zu lassen. Mein Handy unterbrach unsere Konversation – Oma rief an! Erfreut hob ich ab und stellte das Telefonat auf Lautsprecher, damit Till mithören konnte.

„Hallo Oma, wie geht's? Was gibt es Neues?"

„Hallo mein Kind, ich wollte nur mal hören, wie es dir so geht und wann du dich wieder anschauen lässt!"
Jede Oma – immer – wenn man nicht alle paar Tage vorbei kam. Till und ich tauschten einen schnellen Blick und grinsten uns an. Wir hatten wohl den selben Gedanken gehabt.

„Du, ich habe die nächsten Tage Besuch aber dann..."

Von der Fahrerseite unterbrach mich Till leise.
„Wir können doch jetzt vorbeifahren, falls das am Weg liegt. Würde mir nichts ausmachen."

Ein unbeschreiblich warmes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit. Mit einem Blick zu ihm versicherte ich mich, ob er es wirklich ernst meinte, doch er nickte mir nur bestätigend zu und legte die Hand auf meinen Oberschenkel.

„Oma, hast du in einer halben Stunde Zeit? Dann würden wir vorbei kommen. Sollen wir was mitnehmen – Kuchen oder irgendwas?"

„Freilich, ich bin daheim. Nein, brauchst du nicht, ich habe Apfelkuchen gebacken. Wer kommt denn noch?"

„Till ist für ein paar Tage bei mir. Er hat mich gerade von der Arbeit abgeholt und wir sind am Weg zu dir."

„Ja, das freut mich aber. Dann bis gleich, mein Kind."

„Ciao Oma."

Ich nahm Tills Hand und drückte sie.
„Danke! Du bist süß!"

„Mhm. Danke wofür?"

„Dass du mit mir zu meiner Oma fährst. Ist ja nicht selbstverständlich."

„Deine Großmutter ist eine wirklich liebe Frau, was ich so mitbekommen habe. Aber bis jetzt hatte ich noch nicht allzu viel Gelegenheiten, sie kennen zu lernen. Immerhin waren wir ja meistens anderweitig unterwegs oder...beschäftigt."
Das Beschäftigt kam mit einem lasziven Grinsen und ziemlich unanständig über seine Lippen und brachte mich zum Lachen.

„Tja, was das betrifft, habe ich dann später auch noch was mit dir vor", erwiderte ich genauso unanständig.

„Wer da mit wem was vor hat...darf ich dich an deine Frechheiten von heute Morgen erinnern? Dafür wirst du noch bestraft, meine Süße!"

„Oh ja, bitte", hauchte ich schlüpfrig und ließ meine Hand in seinen Schritt gleiten.

„Schlechte Idee beim Autofahren", stieß Till etwas gepresst hervor und ich zog sie schnell wieder weg.

Ich wechselte das Thema, denn auch mein Kopfkino hatte mich etwas in Fahrt gebracht und ich musste mich selbst auf andere Gedanken bringen. So verwickelte ich ihn kurzerhand in ein Gespräch über das heute noch notwendige Einkaufen. Dies war definitiv nichts, was mich vor Freude in die Luft springen ließ, aber der Kühlschrank war leer und ich musste auch für die nächsten Tage am Segelboot planen. Zumindest Kleinigkeiten wie Brot, Gebäck, Milch und Kaffee würden notwendig sein, warmes Essen konnten wir uns in den Heurigen oder Gasthäusern der umliegenden Häfen holen.
Nachdem der Wetterbericht vorausgesagt hatte, dass ab morgen bis Samstag die Temperaturen um die 24°C liegen sollten, war mein Entschluss schnell gefasst, auch die Nächte am Boot zu verbringen. Platz war schließlich genügend vorhanden und außerdem war es schon lange her, dass ich eine Nacht am See verbracht hatte. Ich freute mich darauf – und vor allem gefiel mir die Vorstellung, alleine mit Till in der Nacht mitten am See zu ankern und die Zweisamkeit zu genießen. Hoffentlich sah er es genauso. Mit Schwimmen würde es zwar nichts werden, da das Wasser noch zu kalt war, aber das würde dem Spaß keinen Abbruch tun.
Till war etwas skeptisch, als ich ihm aufzählte, was wir benötigten. Ob das alles sei und was ich vor hatte. Aber so schnell gab ich nicht nach, versicherte ihm abermals, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte, und dass wir definitiv nicht von großen Menschenmassen umgeben sein würden. Er nahm das so hin und ließ sich von mir wieder den Weg ansagen, da wir die Autobahn mittlerweile verlassen hatten.
Fünf Minuten später waren wir auch schon vor dem Wohnblock angekommen, in dem meine Großmutter lebte. Till sah sich erstaunt um, er hatte wohl mit einer Wohnung mitten in der Stadt gerechnet, und nicht damit, dass diese in einem Park war. Rundherum alles Grün, Alleen wohin das Auge reichte und dazwischen Felder und Wiesen.

„Überrascht?", lächelte ich.

„Ja, ziemlich. Schöne Gegend. Wie lange braucht man von hier in die Stadt?", wollte er wissen, während wir zum Eingang schlenderten.

„Hm, in die Altstadt? Fünfzehn Minuten zu Fuß."

„Verrückt."

Er schüttelte nur den Kopf. Mit dem Schlüssel in der Hand ließ ich uns in das Stiegenhaus, ging voraus in den ersten Stock und klopfte an eine der Türen.
Freudestrahlend öffnete Oma uns, umarmte mich und schüttelte Till die Hand. Dann fiel ihr Blick auf die Krücken und sie musterte mich besorgt.

„Was ist denn mit dir passiert? Bist du schon wieder mit dem Fuß umgeknickt?"

Als ob mir das ständig passieren würde...

Till nahm mir die Jacke ab und warf mir einen überraschten Blick zu, doch ich schüttelte nur stumm den Kopf.

„Ist nichts Tragisches, Oma. Nur ein kleiner Unfall im Wald. Sollte in ein paar Tagen schon wieder besser sein."

„Du machst immer Sachen – letzte Woche die Sache mit deinem Auge und nun das."
Bei dem Wort Auge sah ich, dass sie Till einen eigenartigen Blick zuwarf, und er drehte sich grinsend weg. Offenbar hatte sie mir meine Version der Geschichte doch nicht geglaubt.

„So, aber jetzt kommt's weiter, Kaffee und Kuchen stehen schon am Tisch."

Wir nahmen im Wohnzimmer Platz und schon wurde uns der Kuchen gereicht und Kaffee eingeschenkt. Ich wollte ihr helfen doch sie wimmelte mich liebevoll ab.

„Lass mich nur machen, du bist ja jetzt eh bedient. Hr. Lindemann, wie wollen Sie ihren Kaffee? Mit Milch und Zucker?"

„Till, bitte. Nur Zucker, keine Milch. Dankeschön!"

„Gut, dann bin ich die Rosa für dich", lachte sie und reichte ihm den Zucker.

Der Nachmittag verflog nur so, wir quatschten und lachten und spielten zum Schluss noch einige Partien Jolly. Erst gegen 17:00 Uhr sah ich auf die Uhr und wunderte mich, wo nur die Zeit geblieben war. Bei der Verabschiedung musste ich meiner Oma noch versprechen, auf jeden Fall noch einmal mit Till vorbei zu kommen, bevor er wieder abreiste. Dann nahm sie mich kurz zur Seite, während er sich vor der Türe die Schuhe anzog, und flüsterte mir zu: „Halt dir den warm! Der ist so ein lieber Kerl!" Ich grinste sie an, umarmte sie noch einmal und verließ dann die Wohnung.

DahoamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt