Ich nickte zu meinem Glas. Till folgte meinem Blick.
„Ich mag volle Gläser, die Straßen, wenn sie leer. Ich mag die Tiere, Menschen nicht so sehr. Ich mag dichte Wälder, die Wiesen blühen sie bunt.", ich konnte mich nicht mehr zurückhalten und fing an zu lachen.Er lachte auf, dann breitete sich ein lüsternes Grinsen auf seinem Gesicht aus. Seine Stimme war jetzt mehr ein raues Flüstern.
„Und ich mag dich, mit einem Knebel in dem Mund. Ist das dein Wunsch?"Ein wenig beugte ich mich nach vorne, griff mit der Rechten nach meinem Glas, legte meine Linke wie zufällig auf sein Knie und erwiderte feixend: „Hr. Lindemann, Sie können mich nicht schockieren."
Ich lehnte mich wieder zurück, nahm gleichzeitig die Hand von seinem Knie und genoss den letzten Schluck Cocktail. Ich würde jetzt definitiv auf Cola umsteigen.Tills Reaktion war anders als erwartet. Er hatte sich offenbar sehr gut unter Kontrolle, denn lächelnd deutete er nochmals der Kellnerin und hob den leeren Bierkrug hoch. Dann zeigte er auf mein Glas: „Noch einen?"
„Ein Cola, bitte."
Etwas verwundert sah er mich an, bestellte aber den Softdrink.
„Ich muss dann ja auch noch zu Fuß zurückfinden, da möchte ich nicht komplett blau den Hügel runterstolpern.", erklärte ich entschuldigend.
„Du gehst zu Fuß zurück?", er starrte mich verblüfft an.
„Fürs Autofahren habe ich zu viel getrunken und ein bisschen spazieren gehen wird nicht schaden. Ist ja nicht allzu weit." Ich zwinkerte ihm zu.
Die Getränke wurden gereicht –Stille machte sich breit. Till schwenkte nachdenklich sein Glas, beäugte mich dabei immer wieder aus den Augenwinkeln. Ich tat so, als hätte ich es nicht registriert und nippte an meinem Cola. So ganz wollte ihm die Situation von vorhin wohl doch nicht aus dem Kopf.
„Von wo kommst du? Man hört, dass du aus Österreich bist", unterbrach er unser Schweigen.
„Aus Niederösterreich. Eine knappe Stunde südlich von Wien, fast schon an der Grenze zur Steiermark. In der Provinz." Ich grinste, nahm noch einen Schluck und fuhr fort.
„Meine Oma ist ursprünglich von hier und ihre Schwester und ihre Neffen wohnen alle da in der Gegend, deshalb bin ich jetzt auch hier. Heimaturlaub sozusagen. Das Haus dort unten," ich deutete Richtung Terrasse, „hat bis vor kurzem noch der Schwester meiner Oma gehört, aber sie wollte in die Seniorenresidenz."Till nickte.
„Wie lange urlaubst du noch hier?", fragte ich.
„Wir sind noch bis Sonntag hier. Ein wenig die Ruhe genießen abseits der Heimat, bevor die Tour weitergeht. War ja doch einiges los seit letztem Jahr. Zuerst Rammstein, dann mit Peter die Lindemann-Tour und in einem Monat wieder weiter mit Rammstein."
„Die Konzerte in Wien waren übrigens richtig geil – Rammstein und Lindemann!", sprudelte es aus mir hervor. Ich wurde rot.
„Du warst dort?"
„Jep. Im Stadion leider nur Sitzplätze, aber ich war schon froh, überhaupt Karten bekommen zu haben. Das ist ja bei euch nicht so einfach. Aber dafür erste Reihe im Gasometer!" grinsend schlürfte ich mein Cola.
Till lachte.
„Wenn du wüsstest, wie viele verrückte Sachen ich schon gesehen habe – was da im Publikum abgeht...unglaublich!"„Was denn, zum Beispiel?", ich wurde neugierig.
Ob es ärger war, als meine Knebel-Aktion im Gasometer? Ich hatte eine Wette gegen einen Freund zu gewinnen gehabt: erste Reihe beim Lindemann Konzert, und bei dem Song Knebel sollte ich mir einen roten Knebel in den Mund stecken, mich umdrehen und damit ein Selfie machen, dass man mich und die Bühne (und im besten Fall Peter und Till) im Bild hatte. Was soll ich sagen? Das Bild hing mittlerweile gerahmt bei mir daheim und ich hatte die Wette und das Essen im Haubenlokal gewonnen.Er dachte nach.
„Hm, bei einem Rammstein Auftritt in Schweden waren zehn Frauen auf einmal oben ohne in der ersten Reihe. Da habe ich den Refrain verkackt, weil ich lachen musste."Ich lachte und nahm noch einen Schluck.
„Und bei einem von den ersten Lindemann Konzerten war eine, die plötzlich einen Knebel im Mund hatte. Einer von der Crew hat davon sogar ein Foto gemacht. Gibt schon lustige Momente."
Ich verschluckte mich derart heftig an meinem Cola, dass ich keine Luft mehr bekam und Tränen in den Augen hatte. Till klopfte mir auf den Rücken.
„Wieder alles gut?" Er schmunzelte. „So arg war das nun auch nicht."
Ich starrte ihn entgeistert an und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss.
„Hast du das Foto noch?"Er holte sein Handy hervor und scrollte durch einige Bilder - endlich hielt er mir das Handy hin.
Scheiße, das war tatsächlich ich auf dem Foto – mit dem knallroten Lederknebel im Mund! Einer von der Crew musste seitlich von der Bühne dieses Bild geknipst haben. Allerdings dürfte er sich die Aufnahme nicht genauer angesehen und mich nicht erkannt haben, sonst wäre seine Reaktion jetzt anders ausgefallen.
„Das ist echt... krass!", murmelte ich und wusste nicht, ob ich mich freuen oder genieren sollte.
„Wir haben das Foto bei den nächsten Konzerten im Hintergrund mit dem Video durchlaufen lassen. Peter hatte die Idee dazu, weil er die Aufnahme so geil fand."
Ich konnte nicht glauben, was Till mir gerade unterbreitete. Die haben allen Ernstes mein Foto mit dem Video zusammengeschnitten und bei jedem Konzert mitlaufen lassen? So war das eigentlich nicht geplant gewesen, aber was hatte ich zu verlieren? Wie viele Leute kannten mich denn im Ausland?
Mir kam eine Idee. Ich holte mein Handy aus der Tasche.
Till beobachtete mich. Ich suchte mein Knebel Foto heraus, verdeckte es aber noch mit der Hand.
„Schon lustig, was die Leute so aufführen. Und dass ihr das dann auch noch verwendet habt...", ich grinste verschmitzt.
Er versuchte, einen Blick auf das Display zu werfen aber ich legte das Handy verkehrt auf den Tresen.
„Was hast du da für ein Foto?", wollte er wissen
„Wie gesagt, ich stand in Wien im Gasometer auch in der ersten Reihe. Habe da ein echt cooles Bild machen können. Willst du es sehen?"
„Ja, sicher, zeig her...?!"
Ich drehte das Handy um und schob es ihm hin. Dabei ließ ich ihn nicht aus den Augen und wartete gespannt auf seine Reaktion.

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Dahoam
Fiksi PenggemarIn Gedanken versunken beobachtete ich die Gegend, genoss die Sonne und hörte erst viel zu spät den Schotter knirschen, was darauf hindeutete, dass ich gleich Gesellschaft bekommen sollte. Ein genervtes „Geh bitte... echt jetzt?" kam über meine Lippe...