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Unruhig wälzte ich mich hin und her – es war 03:30 Uhr und an viel Schlaf war nicht zu denken gewesen. Ich lag seit einer gefühlten Ewigkeit wach und dachte an den ernüchternden Abend. Hatte ich über reagiert oder er? Ich zuckte mit den Schultern.
Leise stand ich auf und schlich aufs Klo – die Tablette hatte ihre Wirkung entfaltet und ich konnte mich beinahe schmerzfrei bewegen. Meine Katzen ließen sich auch nicht blicken. Die waren wahrscheinlich über den neuen Gast in ihrem Reich nicht sonderlich erfreut und zogen es vor, in ihren Verstecken zu bleiben. Auf der Toilette fiel mir siedend heiß ein, dass ich eigentlich am Dienstag arbeiten sollte. Ich würde Martin morgen unbedingt anrufen müssen – dieses Gespräch wollte ich nicht führen und wenn ich dran dachte, wurde mir übel. Vielleicht, wenn ich ihm erklären würde, dass ich nur an der Kasse sitzen konnte – das könnte tatsächlich klappen!
Dann fiel mein Blick auf die DoctorDick-Plastik und ich schluckte und dachte an Till. Wer weiß, ob er morgen überhaupt noch hier war. Ich betätigte leise die Spülung, wusch meine Hände und war schon fast wieder im Wohnzimmer, als ich es mir doch anders überlegte und zur Schlafzimmertüre abbog. Unschlüssig stand ich einige Minuten davor, nervös, was ich tun sollte. Einfach hineingehen und ihn aufwecken? Oder doch lieber wieder auf die Couch und ihn morgen darauf ansprechen?
All meinen Mut zusammen nehmend drückte ich die Klinke langsam hinunter und dankte Gott in dem Moment dafür, dass weder der Griff noch die Türe quietschte. Ich machte zwei Schritte in den Raum und lehnte die Türe wieder an. Durch das fahle Licht der Straßenlaterne sah ich seine Silhouette im Bett: er lag auf der Seite, den Rücken mir zugewandt und atmete ruhig.
Nervös kaute ich auf meiner Lippe – und nun?

„Till, bist du wach?", flüsterte ich.
Eine dumme Frage, aber etwas anderes kam mir gerade nicht in den Sinn. Ich seufzte auf und sprach im Flüsterton weiter. Ob er es hörte oder nicht, war mir egal, aber ich musste einiges loswerden.
„Till, es...es tut mir Leid, dass ich dich verletzt habe, das war nie meine Absicht gewesen. Keine Ahnung, ob und wie ich das wieder gut machen kann. Aber bitte, bleib bei mir und flieg nicht morgen schon wieder heim. Seit sich unsere Wege in Bayern getrennt hatten, musste ich pausenlos an dich denken, ich weiß auch nicht, so habe ich mich selbst noch nicht erlebt und als ich dann dein Gedicht gefunden habe", ich seufzte, „...da konnte ich mein Glück kaum fassen. Ich habe mich in den paar Tagen dazwischen nicht gemeldet, weil ich dachte, es wäre nur ein netter Urlaubsflirt gewesen, und aus. Aber dass du jetzt hier bist, bei mir, das...das bedeutet mir unendlich viel! Und ich Idiot habe das wahrscheinlich mit einer blöden Bemerkung zunichte gemacht."

Ich atmete tief ein und aus, drehte mich um und war schon bei der Tür, als mich Tills Stimme zusammenzucken ließ. Er war wach!

„Komm her!" Auch er flüsterte.
Er hatte sich auf den Rücken gedreht und sah mich an.

Wie vom Donner gerührt, stand ich da und wusste nicht, wie mir geschah.

„Na, komm schon her!"
Er hob die Decke ein Stück an.

Unfähig, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, schlich ich zum Bett und rutschte zu ihm unter die Decke. Ich lag am Rücken und starrte an die Decke, ich konnte ihm schlichtweg nicht in die Augen schauen, so schämte ich mich.

Er drehte sich zu mir.
„Schau mich an."

Ich kniff die Lippen aufeinander und schüttelte stumm den Kopf.

„Ok".
Damit zog er mich an sich, mein Rücken an seiner Brust und schlang seine Arme um mich. Ich spürte seinen Atem in meinem Genick.
„Du hast kalte Füße", stellte er murmelnd fest, als er ein Bein zwischen meine schob.

Die Hitze seines Körpers brachte mich fast ins Schwitzen, dennoch zog ich ihn noch enger an mich, suchte nach seinen Händen und verflocht meine Finger mit den Seinen.
„Bitte bleib bei mir", nuschelte ich mehr zur mir selbst, während ich in die Traumwelt hinüber driftete.

DahoamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt