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Es war beinahe 3 Uhr morgens und an Schlaf war nicht mehr zu denken, nachdem wir beide eine heiße Dusche genossen hatten. So saßen wir, in Decken gewickelt, auf der Terrasse und starrten in die Finsternis. Till zog genüsslich an einer Zigarette und ich hatte soeben meiner Oma eine WhatsApp-Nachricht geschrieben, dass ich im Laufe des Vormittags wieder bei ihr sein würde.
Gedankenverloren scrollte ich durch die paar Nachrichten, die heute im Laufe des Tages eingetrudelt waren: ein paar Fotos meiner Eltern, die irgendwo wandern waren, ein Bild von meinen zwei Katzen, dass mir meine Nachbarin gesendet hatte, eine kurze Nachricht plus Foto einer guten Freundin, dass endlich der C-Wurf Welpen da war (sie züchtete Weimaraner) und ein Zweizeiler von meiner Ex-Affäre, ob wir uns nicht treffen könnten. Ich lachte auf.

Till wandte sich mir zu.
„Was ist so lustig?", brummte er

„Ach, mein Ex, oder besser gesagt, meine Ex-Affäre will sich mit mir treffen", gluckste ich.

„Ex-Affäre?"

„Ja. Na du weißt schon, der Klassiker. Er verheiratet, verspricht mir, dass er die Frau für mich verlässt, was er natürlich nicht tut, usw. Und jetzt kommt er plötzlich wieder an und sudert rum."

„Sudert? Was heißt das?", er sah mich neugierig an.

Ich grinste. „Sudern heißt so viel wie jammern oder nörgeln."

„Sudern...aha. Klingt lustig", er blies den Rauch langsam in die Luft.

Schweigen breitete sich aus. Ich beantwortete die Hundenachricht (Oh wie süß, die muss ich mir bald mal anschauen kommen. Muss dir dann eh was erzählen, wenn ich wieder im Lande bin), wollte dann auch auf die Ex-Nachricht antworten, ließ es aber bleiben. Ignorieren war in dem Fall einfach besser.
Ich sah mir das Katzenbild an – ein bisschen vermisste ich die beiden, auch wenn sie manchmal anstrengend waren.
Till zündete sich noch eine Zigarette an – aus den Augenwinkeln sah ich, wie er mich beobachtete.

„Was ist?", flüsterte ich, ohne den Blick vom Display zu heben.

„Ich wundere mich nur, warum du auf so einen Typen reinfällst", antwortete er leise.

Unsere Blicke trafen sich. Ich seufzte leise.

„Anfangs wusste ich nicht, dass er verheiratet war. Ist ihm dann mal so rausgerutscht. Und zu dem Zeitpunkt war es mir auch egal, ich wollte einfach ein wenig... „Zweisamkeit". Irgendwann hat er dann angefangen, dass er sich scheiden lässt. Zuerst habe ich mich gefreut, und dann fing ich an, darüber nachzudenken. Ich will doch nicht so einen Kerl, der seine Frau mit einer anderen bescheißt! Wer sagt denn, dass er es nicht mit mir genauso macht? Tja, also habe ich Schluss gemacht, wenn man das so nennen kann. Ich würde das also nicht als Reinfall bezeichnen, mehr als Erfahrung."

Stille. Ich konnte Tills Blick nicht deuten. Er dämpfte den Glimmstängel aus, somit saßen wir nun in völliger Dunkelheit. In der Nähe schrie ein Käuzchen. Langsam wurde mir kalt, ich wickelte die Decke enger um mich.

„Du bist stark", hörte ich ihn flüstern. „Ich würde mal behaupten, 80% der Frauen, die ich kenne, würden dem Typen noch immer an den Lippen hängen, und darauf warten, dass er seine Alte verlässt."

„Dann kennen wir wohl dieselben Frauen", lächelte ich müde.

Till stieß einen Laut aus, der irgendwie abwertend klang und fuhr sich abwesend durch die Haare.

„Ist bei dir immer alles eine Kopfentscheidung?", seine dunkle Stimme hatte einen eigenartigen Unterton.

Ich atmete laut aus.
„In den letzten Jahren schon."

„Warum?"

Ich mochte seinen Tonfall nicht.
„Weil es einfacher ist, als dauernd auf sein Herz zu hören und jedes Mal enttäuscht zu werden!", antwortete ich genervt und stand auf. Ich zitterte – zum Einen wegen der Kälte, zum anderen, weil ich sauer wurde. Was bildete er sich eigentlich ein? Ich war ihm keine Rechenschaft schuldig, wie ich mein Leben lebte – und wie gesagt: sein Tonfall gefiel mir nicht.
Ich drehte mich um und ging hinein. Till blieb draußen sitzen. Ich warf die Decke über einen Sessel, kuschelte mich ins Bett und schloss die Augen.
Irgendwann hörte ich ihn die Türe schließen und merkte, dass er sich ebenfalls ins Bett kam.

„Wer hat dir nur so weh getan?", hörte ich ihn neben mir murmeln.

„Darüber werde ich nicht mit dir sprechen", gab ich zurück und spürte, wie er zusammenzuckte. Er hatte wohl gedacht, ich würde schon schlafen.

Verdammt!

So konnte ich sowieso nicht einschlafen. Ich wälzte mich herum und starrte ihn finster an. Er saß neben mir und musterte mich stumm.

„Es geht dich nichts an, wie ich meine Entscheidungen treffe", zischte ich. „Ich...", irgendwie war die Luft raus, es gab so viel, das ich loswerden wollte, konnte es aber nicht in Worte fassen. Verstimmt schlug ich mehrmals auf die Bettdecke ein.
Till packte unsanft meinen Arm und hielt ihn fest. Nach wie vor sprach er kein Wort aber seine Augen funkelten seltsam. Ich protestierte leise und wollte mich losreißen, aber er gab nicht nach.
Er brachte mich in Rage und bevor ich realisierte, was ich tat, hatte ich ihm mit meiner freien Hand ins Gesicht geschlagen. Schockiert riss ich die Augen auf. Wir starrten uns an, seine Miene ließ keine Regung erkennen. Er fixierte noch immer meinen Arm und langsam verlor ich das Gefühl in meiner Hand, so doll drückte er zu.

„Lass mich...los", meine Stimme zitterte und ich hasste es, dass es so flehend klang.

„Kopf oder Herz?", flüsterte Till so leise, dass ich zuerst nicht sicher war, ob ich ihn richtig verstanden hatte.

„Bitte?"

„Kopf oder Herz?"

Was wollte er von mir? Meine Finger waren bereits taub.

„Kopf, weil ich meine Hand nicht mehr spüre!", zischte ich genervt.

Unmerklich lockerte er seinen Griff.

„Was willst du noch?"
Ich versuchte erfolglos, meinen Arm aus seiner Pranke zu befreien.

„Eine Herzentscheidung!", raunte er mir zu.

Oh, die würde ihm nicht gefallen...

Ich sah auf, blickte direkt in seine blauen Augen, grinste dreckig und verpasste ihm noch eine schallende Ohrfeige.
Eine schnelle Bewegung und plötzlich lag ich auf dem Bauch, Till pinnte mich mit seinem Körper im Bett fest. Ich war momentan zu perplex, um mich zu wehren. Er wollte Machtspielchen? Die konnte er haben.

Till beugte sich zu meinem Ohr.
„Alles andere hätte mich auch enttäuscht!", wisperte er, ließ seine Zunge über und in mein Ohr gleiten und rutschte dann von mir herunter.
Zugegeben, es machte mich schon ein wenig heiß. Mit einem süffisanten Grinsen betrachtete er mich nun, neben mir liegend auf seinen Ellbogen gestützt, und wartete auf eine Reaktion.

Schade, dass ich meine Handschellen daheim habe...

Ich schaute zu dem Sessel, auf dem mein Gewand lag und entdeckte meinen Schal – der würde es auch tun. Ich griff danach.
Till folgte meiner Bewegung und schmunzelte.

„Was hast du denn mit mir vor?", lachte er.

„Eine Herzentscheidung – und das Herz will dich leiden sehen!"
Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, aber sein Grinsen verschwand.


DahoamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt