Till kam mir einige Schritte entgegen und gab mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Ich stand einfach da und wusste nicht so Recht, wie ich reagieren sollte.
„Komm!" Er deutete mir, ihm zu folgen. Im Gehen hörte ich ihn leise sagen: „Ich hatte gehofft, dich hier zu treffen", und legte seinen Arm um meine Taille.
Ich konnte nicht anders und ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht.Gitta Lindemann saß nach wie vor auf der Bank und blickte mich an.
„Giulia, richtig? Freut mich, dich wieder zu sehen!" Lächelnd reichte sie mir ihre Hand, die ich nahm und schüttelte.
Noch immer etwas überrumpelt von dieser Situation, brachte ich nur ein kurzes „Hallo" hervor.
„Wir wollten gerade zurück zum Hotel, begleitest du uns noch ein Stück?", fragte sie mich.
Endlich hatte ich meine Sprache wieder gefunden-
„Wenn ich euch nicht störe, gerne. Zumindest bis vorne zur Abzweigung – ich muss dann auch wieder retour...."Till half seiner Mutter in den Rollstuhl, der neben der Bank abgestellt war und so schlenderten wir langsam den Weg entlang.
Gitta und ich tratschen die ganze Zeit, sie wollte mehr von meinem Ausflug zum Tegernsee erfahren (hatte Till ihr das erzählt?) und bereitwillig gab ich Auskunft, dann erzählte sie mir von ihrer heutigen Tour zu einem See, den ich nicht kannte, und nach Rosenheim. Till schwieg.
Bei der Abzweigung angekommen, verabschiedete ich mich zuerst von ihr. Gitta schüttelte meine Hand.„Dann bis morgen, Giulia!"
Fragend blickte ich zuerst zu Till, der mit den Schultern zuckte, dann zurück zu Gitta.
„Morgen? Wieso...was ist morgen?"
„Ach, hat dir deine Großmutter nichts erzählt? Wir haben uns morgen bei uns oben zum Kaffee verabredet, weil wir uns vorgestern so nett unterhalten hatten."
„Nein, hat sie mir nicht gesagt – also dann bis morgen", gab ich schmunzelnd zurück.
Ich zwinkerte Till zu. „Wir sehen uns nachher an der Bar."
Er nickte mir zu, ich drehte mich um und machte mich auf den Weg zurück nach Feldkirchen.
Was für ein verrückter Spaziergang!Ich konnte mir schon vorstellen, über was er nachher mit mir reden wollte, aber ehrlich gesagt, hatte ich darauf so gar keine Lust. Was sollten wir auch großartig besprechen? Es war eben passiert, rückgängig machen konnten wir es beide nicht – und darüber wollte ich mir momentan auch keine Gedanken machen. Gut, ich hätte mir in der Apotheke die Pille danach holen können...warum hatte ich heute früh nicht daran gedacht? Innerlich schlug ich mir mit der Hand gegen die Stirn!
Moment...ich blickte auf meine Uhr: 17:30Uhr! Wenn ich mich beeilte, würde ich es noch rechtzeitig nach Feldkirchen zur Apotheke schaffen, bevor sie zusperrte.
Ich machte auf dem Absatz kehrt und fing an zu laufen.Konditionstraining täte mir auch mal wieder gut, schnaufte ich in mich hinein, als ich das Wild Gatter passierte und aufgrund des starken Seitenstechens das Laufen stoppte und lieber schnell ging.
Zehn Minuten später verließ ich die Apotheke – das Schächtelchen mit der Pille in meiner Hosentasche. Die Dame war sehr nett gewesen und hatte mir alles erklärt, von der Einnahme über etwaige Nebenwirkungen bis hin zum unwahrscheinlichen Fall, dass die Pille nicht wirken könne.
Erleichtert musste ich lachen – ich hätte mir das ganze Theater heute Morgen sparen können, wenn ich nur daran gedacht hätte, gleich in die Apotheke zu fahren!Wie dumm kann ein Mensch denn eigentlich sein?
Zurück im Haus warf ich erst mal das Pulver ein. Am Esstisch lag ein Zettel mit der Information, dass Peter und Oma nochmal Mimi besuchten und Michaela arbeiten war. Ich kritzelte eine kurze Antwort darunter, dass ich am Abend fortgehen würde. Dann begab ich mich ins Badezimmer und genoss ein schönes, langes Schaumbad.
Ziemlich verschrumpelt stieg ich nach einer gefühlten Ewigkeit aus der Wanne, glücklich und entspannt. Ich entschied mich, heute das neue Dirndl auszuführen. Es sah richtig gut aus: ein schwarzes, knielanges Dirndl, mit zarten silbernen Kettchen auf dem Oberteil und dezent bestickt, dazu eine hellblaue – um nicht zu sagen fetzblaue – Schürze mit kleinen, floralen Elementen im unteren Bereich. Eine Halskette hatte ich zwar nicht, aber meine blauen Ohrstecker würden dazu passen. Nachdem ich mich da hineingezwängt, meine Haare zu einem Zopf geflochten und ein dezentes Make-up aufgelegt hatte, betrachtete ich mich im Spiegel.Auf diesem Dekolleté kannst Maßkrüge balancieren!
Ich musste lachen – Till würde bei diesem Anblick wahrscheinlich aus den Latschen kippen.
Perfekt!
Ich schlüpfte in das einzige Paar schöne Schuhe, dass ich mit in den Urlaub genommen hatte: schwarze Pumps. Passten zwar nicht wirklich zu einem Dirndl aber immer noch besser als meine roten Biker Boots. Dann warf ich mir noch den schwarzen Mantel über, denn draußen war es in der Zwischenzeit ziemlich kühl geworden, und machte mich zufrieden auf den Weg zum Aschbacher Hof.
19:50 Uhr
Heute war ich richtig früh dran – seit der Apotheke hatte ich wieder gute Laune und grinsend begab ich mich an die Hotelbar. Ein Pärchen saß in einer Ecke, beachtete mich aber nicht weiter, ich setzte mich an den Tresen. Von Till war weit und breit noch nichts zu sehen.
Ich orderte einen alkoholfreien Sex On The Beach und setzte mich so, dass ich den Eingang halbwegs im Blick hatte, was mit dem Kleid auf dem Barhocker gar nicht so einfach war.War doch keine so tolle Idee, hättest vorher mal nachgedacht! Aber gut, c'est la vie!
Abwesend nippte ich an meinem Cocktail, als Till, gekleidet in einen dunklen Anzug, den Raum betrat. Unsere Blicke trafen sich und er gesellte sich zu mir.
Jetzt war ich doch froh, das Dirndl angezogen zu haben, denn sein Gesichtsausdruck sprach Bände und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Er blieb einige Schritte vor mir stehen und musterte mich ungeniert, wobei sein Blick eine ganze Weile auf meinem Dekolleté ruhen blieb. Erst danach tat er einen letzten Schritt in meine Richtung, beugte sich zu mir und hauchte mir einen Kuss auf die Wange.„Du siehst umwerfend aus!", flüsterte er mir zu, dann nahm er neben mir Platz und betrachtete mich ein weiteres Mal.
Dieser Mann schaffte es doch tatsächlich mit so einer banalen Aussage, dass ich rot wurde.
„Danke!", nuschelte ich verlegen und trank noch einen Schluck.Er bestellte sich ein Bier und schweigend hielten wir Blickkontakt. Diese blauen Augen...
Ich räusperte mich.„Du wolltest mit mir sprechen – aber bevor du etwas sagst...darf ich kurz was einwerfen?"
Ein überraschter Blick, aber er nickte.
Ich rückte etwas näher und sprach leise, schließlich musste das nicht jeder mit anhören.
„Ich war vorhin in der Apotheke und habe mir die Pille danach geholt – sicherheitshalber. Keine Ahnung, warum ich nicht schon in der Früh daran gedacht habe. Also alles gut, mach dir keinen Kopf."
Till nahm der Kellnerin das Bier ab und trank einen Schluck.
„Gut, dann ist das Thema ja erledigt."
Das war's?
„Gut", murmelte ich und exte meinen Drink.
Verwundert sah er mich an. Ich zwinkerte ihm zu.
„Alkoholfrei..."
„Das wird ja immer schlimmer mit dir", brummte Till und lächelte.
„Was hältst du davon, wenn wir uns noch was zu Trinken bestellen und das Ganze in mein Zimmer verlegen? Ist doch etwas gemütlicher als hier." Grinsend strich er über meine Hand.„Ihr Wunsch ist mir Befehl, Herr Lindemann!", feixte ich.
Mit den frischen Getränken in der Hand begaben wir uns in Tills Zimmer und machten es uns auf der Couch bequem.
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Dahoam
FanfictionIn Gedanken versunken beobachtete ich die Gegend, genoss die Sonne und hörte erst viel zu spät den Schotter knirschen, was darauf hindeutete, dass ich gleich Gesellschaft bekommen sollte. Ein genervtes „Geh bitte... echt jetzt?" kam über meine Lippe...